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„Qualitätsgetreide sollte aus Deutschland stammen“

Die Düngeverordnung mit ihrer reduzierten N-Düngung beschränkt das Qualitätsgetreide-Angebot. Das kommt jetzt auch bei den Mühlen an. Die hohen Standards bei Backwaren sind so nicht zu halten.

Lesezeit: 8 Minuten

Deutschland beschneidet die Möglichkeiten im Ackerbau immer stärker u.a. durch die Düngeverordnung. Vor allem Mühlenbetriebe sorgen sich um das heimische Qualitätsgetreide-Angebot. Die hohen Standards bei Backwaren sind so nicht zu halten, meint Konstanze Fritzsch. Sie ist Anbauberaterin der Bindewald und Gutting-Gruppe und auch für den Einkauf zuständig.

Frau Fritzsch, wer und was ist die Bindewald und Gutting-Mühlengruppe?

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Fritzsch: Unser Unter­nehmen ist ­familiengeführt und verarbeitet an neun Mühlenstandorten in Deutschland rund 2 Mio. t Getreide. Wir haben klassische Mühlen, die ­Weizen, Roggen, Durum oder Dinkel in großen Mengen vermahlen, aber eben auch Spezialmühlen, wie z. B. die Biomühle im sächsischen Plauen oder die pfälzische Maismühle Cornexo, um glutenfreie Produkte anbieten zu ­können.

Was sind aktuell die größten Herausforderungen für die Mühlenwirtschaft?

Fritzsch: Die größte Herausforderung ist und bleibt der Rohstoff. Unser ­Inhaber Michael Gutting sagt immer, 80 % der Kosten einer Mühle, aber auch 80 % der Qualität des Mehls kommen über den Rohstoff. Und auch 80 % unserer Risiken gehen auf den Rohstoff zurück. Das ist das Allerwichtigste für uns! Und wenn man das weiß, dann ist auch klar, warum wir so großen Wert auf die heimische Landwirtschaft legen. Daneben haben wir, wie andere Branche auch, mit Fachkräftemangel und zunehmender Bürokratie in Deutschland zu kämpfen.

Dann bleiben wir thematisch erst mal in Deutschland: Warum ist Ihnen die heimische Landwirtschaft so wichtig?

Fritzsch: So können wir die Risiken minimieren. Die gesetzlichen Regelungen in Deutschland sind klar und streng. Wir können uns darauf verlassen. Nehmen wir das Beispiel Glyphosat: Wir haben seit 2013 engmaschiges Rückstandsmonitoring und liegen immer unter der Nachweisgrenze. Wir haben in Deutschland kein Glyphosat-Problem. Für andere Pflanzenschutzmittel und Mykotoxine gilt das genauso. Wir sprechen mit den Landwirten über Sortenwahl, Anbau und Pflanzenschutz. Wir geben auch Sortenempfehlungen, um das Risiko zu minimieren. Das geht natürlich nur, wenn man einen guten Draht zu den Landwirten hat.

Ist Händlerware oder ausländische Ware schlechter?

Fritzsch: Das will ich so nicht ­sagen, aber Sie haben weniger Möglichkeiten, Einfluss zu ­nehmen. Wie soll man das von hier aus in Frankreich oder Polen steuern? Wir möchten wissen, wer unseren Rohstoff anbaut. Das hilft uns auch beim Thema Allergene: Wir müssen mittlerweile deklarieren, dass unsere Waren frei von Senf, Lupine und ­Sojabohne sind. Gleichzeitig sollen Landwirte immer mehr Blühflächen, Zwischenfrüchte oder Leguminosen ­anbauen. Das Risiko von Verschlep­­pungen steigt. Das heißt, wir müssen die Landwirte sensibilisieren, damit Anbau und Lagerung dem ­gerecht werden.

Sie haben neun Standorte, beziehen Sie überall die Rohstoffe überwiegend direkt von den Landwirten?

Fritzsch: Nein. Hier in Mittel­deutschland beziehen wir rund 95 % regional im Umkreis von 70 km. Es sind im Prinzip nur Spezialitäten, die wir von weiter her anliefern lassen. Unser Standort in Neuss ist das andere ­Extrem: Es ist eine Hafenmühle, die hauptsächlich per Schiff oder Zug ­beliefert wird – da gibt es weniger ­Direktbezug zur Landwirtschaft. So hat jeder Standort seine eigene Einkaufsstruktur. Mir ist schon klar, dass wir mit unseren Mühlen im Osten (Saalemühle und Dresdener Mühle) durch die landwirtschaft­liche Struktur privilegiert sind. Wir ­betreuen 500 Betriebe und bekommen darüber fast 800.000 t zusammen – mit und ohne vertragliche Bindung.

Wie ist bei Ihnen der Vertrags­anbau geregelt?

Fritzsch: Das ist sehr unterschiedlich. In vielen Fällen ist es gar kein ganz klar geregelter Vertrag, sondern baut eher auf Vertrauen auf. Mit einigen Landwirten arbeiten wir seit über 30 Jahren zusammen. Je kleiner der Markt, desto konkreter müssen die vertraglichen Vorgaben sein. Wir ­haben uns beispielsweise beim Dinkel mit den Landwirten zusammengesetzt und gefragt: Was braucht es, damit ihr hier in der Region stabil Dinkel anbaut? Wir haben uns die Kosten angeschaut und geklärt, wie hoch die Prämie sein muss. Damit sind wir dann zu unseren Kunden gegangen, um die Kette zu schließen. In den Verträgen arbeiten wir dann meist mit Prämienkontrakten, sodass jeder Landwirt selbst entscheidet, wann er das Preis­niveau über die Matif in Paris fixiert.

Wir bekommen mittlerweile Weizen mit unter 10 % Protein. Das ist ein Problem!

Düngeverordnung, rote Gebiete, eingeschränkter Pflanzenschutz: Die Politik macht immer mehr Vorgaben für den Anbau. Haben Sie Sorge, dass Ihnen die heimischen Rohstoffe bald ausgehen?

Fritzsch: In den letzten Jahren hatten wir keine Probleme, aus dem Umkreis die Qualitäten zu bekommen, die wir brauchen. Aber das Thema kommt nun bei uns an. Das Institut für Sicherheit und Qualität bei Getreide in ­Detmold hat in der Ernte 2023 erstmals weniger als 12 % Protein im Schnitt ausgewiesen. Auch wir bekommen plötzlich Weizenpartien mit 10 % und weniger. Das ist kein ­Versehen. Es sind Bestände, die die Landwirte speziell für unsere Mühle angebaut ­haben und die über die letzten Jahre reduziert gedüngt wurden.

Und wie reagieren Sie nun darauf?

Fritzsch: Unterschiedlich. Im Bereich Keks und Waffel reichen durchaus 12 %, da sehe ich noch keine Probleme. Aber für Croissants oder Stollen braucht man 13 bis 14 % Protein. Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Proteinwerte künftig viel stärker schwanken. In Jahren mit geringen ­Erträgen wird das Eiweiß vermutlich ­reichen. Wenn wir hohe Erträge haben, reichen die Werte durch den Verdünnungseffekt hingegen nicht mehr aus. Früher haben die Landwirte das mit ­einer Abschlussgabe N ausgeglichen. Außerdem gibt es Standorte, an denen die Proteingehalte stärker schwanken als an anderen. Wenn die Situation sich zuspitzt, müssen wir eventuell doch ausländische Ware zukaufen, um dann durch Auswahl und Tests ausreichend Menge für die nötigen Qualitäten zusammenzubekommen. Es wird kom­plizierter, und die funktionierenden Wertschöpfungsketten sind in Gefahr.

Das Bundessortenamt hat Protein als Kriterium bereits gestrichen. Es gibt ja Sorten, die auch mit weniger Protein auskommen und trotzdem gute ­Backfähigkeit aufweisen. Ist das eine Lösung?

Fritzsch: Das funktioniert nur zum Teil: In der Tat vereinbaren wir mit Landwirten, dass sie eine bestimmte Sorte anbauen, von der wir wissen, dass sie gut backt. Da steht dann im Vertrag, dass wir den Aufschlag für 13 % Protein bezahlen, auch wenn der Weizen nur 12,5 % erreicht. Aber das hat Grenzen. Außerdem müssen wir vorher die Backeigenschaften getestet haben und wir müssen uns darauf verlassen können, dass wir ausschließlich diese Sorte bekommen. Am Ende bleibt Rohprotein das entscheidende Kriterium, weil es schnell zu ermitteln ist und auch im Export und in der ­Futterindustrie gebraucht wird.

Wir wollen nicht wie Dänemark unseren Backweizen importieren müssen.

Das klingt so, als würde das Pro­blem in den nächsten Jahren größer. Was können Sie politisch tun?

Fritzsch: Wir sind dran und haben ­zusammen mit den Verbänden Ge­spräche mit dem BMEL geführt. Die ganze Wertschöpfungskette war dabei: Händler, Züchter, Bäcker, Müller, Großindustrie, Agrochemie und die Verbände. Die Kernfrage ist: Wie weit kann man mit der Düngung in Deutschland runtergehen, ohne die Qualität der Endprodukte zu gefährden. Wir wollen doch nicht wie Dänemark irgendwann unsere Backweizen importieren müssen. Ein Vorschlag war, dass der Landwirt mit einem ­Abnahmevertrag nachweist, dass er auf dieser Fläche für eine Mühle ­vor Ort anbaut und dann nach Bedarf auf Qualität düngen darf.

Das klingt sinnvoll, widerspricht aber dem Ziel der Regierung, Dünger ­einzusparen!

Fritzsch: Eben nicht! Grob kalkuliert haben wir etwa 22 Mio. t Weizen in Deutschland, von denen die Mühlen etwa 7 bis 8 Mio. t brauchen. Zweidrittel des Weizens könnten also weniger gedüngt werden. So hätte man die inländische Qualität gesichert und könnte dennoch die Ziele der Bundesregierung unterstützen.

In dieser Debatte spielt auch CO2 eine Rolle. Inwieweit ist das Thema in der Mühlenwirtschaft angekommen?

Fritzsch: Wir sind mittendrin! 2023 hat fast jeder Kunde das Thema auf­gemacht. Wir als Gruppe sind da auch schon relativ weit, weil niedriger Energieverbrauch und Effizienz immer wichtig waren. Für unsere ostdeutschen Mühlen haben wir mit der Landwirtschaft bereits den CO2-Fußabdruck des Weizens berechnet.

Pauschale CO2-Senkungsziele bestrafen die Vorreiter.

Wie sind Sie dabei vorgegangen und was ist das Ergebnis?

Fritzsch: Wir haben 15 landwirtschaftliche Betriebe ausgewählt, die den mitteldeutschen Anbau repräsentieren. Das sind Betriebe mit und ohne Vieh, große und kleine, mit und ohne Biogas. Nach der Berechnung ­haben wir das mit allgemeinen Studien für Deutschland verglichen, die auf etwa 400 kg CO2/t Weizen kommen. Wir stehen mit unseren großen Flächen, neuer Technik und gut aus­gebildeten Landwirten ganz gut da: Wir liegen für die Ernte 2022 bei ca. 250 kg CO2/t ­Weizen in dieser Erhebung.

Dann ist doch alles gut, oder?

Fritzsch: Leider nicht. Viele Kunden erwarten, dass wir unseren Fuß­abdruck dennoch um 40 % bis 2030 senken. Wenn wir als Mühle unseren Fußabdruck so weit senken wollten, müssten wir teilweise Produktion ­stilllegen. Wir sollten in Deutschland eine einheitliche Benchmark setzen, an der sich weniger effiziente Betriebe ­orientieren können. Mit pauschalen Zielen zur CO2-Einsparung bestrafen wir die Vorreiter.

Sind Sie der Meinung, die ­Bindewald und Gutting-Mühlengruppe kann nichts mehr fürs Klima tun?

Fritzsch: So meine ich das nicht. ­Natürlich werden wir weiter nach ­Wegen suchen, unseren CO2-Ausstoß zu senken. Wir arbeiten zum Beispiel mit Yara und dem Großbäcker Harry an einem Pilotprojekt mit grünem ­Stickstoffdünger. Damit lässt sich der CO2-Fußabdruck des Weizens voraussichtlich nochmals um etwa 30 % ­senken.

Ist der N-­Dünger dann mit erneuer­baren ­Energien hergestellt?

Fritzsch: Genau, und der Dünger kostet aktuell etwa das Dreifache. Aber darum geht es nicht. Der Dünger wird langfristig vielleicht gar nicht viel teurer sein als konventioneller. Die Kernfrage ist, ob der Verbraucher an einem Produkt interessiert ist, das einen 15 % kleineren Fußabdruck hat. Wenn ja, müssen wir das in der Kette irgendwie finanzieren.

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