Weitere top agrar Print + Digital Abonnements finden Sie
hier.
Unser AutorFelix Seyfried, Berater Rinderhaltung an der LK Oberösterreich, berichtet.
Melkroboter erleichtern die tägliche Arbeit auf den Milchviehbetrieben und erlauben mehr Flexibilität. Doch wer denkt, ein Automatisches Melksystem (AMS) sei ein Selbstläufer und die ganze Arbeit fällt weg, der irrt.
Zwar gibt es bei AMS-Betrieben im Vergleich zu Melkstand-Betrieben keine Erregerübertragung von Viertel zu Viertel, die Erreger werden durch mehrmaliges Melken besser ausgespült, Blindmelken verhindert und auch die Zitzenkondition verbessert. Doch gerade in Melkroboterställen ist es wichtig, die Zellzahl im Auge zu behalten. Eine Auswertung des LKV Oberösterreich belegt, dass Kühe, die am Melkroboter gemolken werden, in den letzten Jahren durchschnittlich um bis zu 30 000 höhere Zellgehalte als konventionell melkende Betriebe haben. Die Rinderzucht Austria bestätigt die oberösterreichischen Ergebnisse für ganz Österreich (siehe Kasten, Seite 32).
Ziel: Unter 100.000 Zellen
Die Zellzahl ist ein wichtiges Maß für die Eutergesundheit und wird routinemäßig von der Molkerei (Tankmilch) und vom Leistungskontrollverband (LKV) bestimmt. Eine eutergesunde Kuh weist eine Zellzahl von unter 100 000 auf. Bei einem Zellgehalt zwischen 100.000 und 200.000 besteht der Verdacht auf eine Eutererkrankung. Spätestens bei einer Zellzahl von über 200.000 liegen Eutererkrankungen vor.
Ziel muss es sein, dass 85 % der Kühe einer Herde eine Zellzahl von unter 100.000 haben. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, indem das Management in Richtung Hygiene adaptiert und verbessert wird. Für gesunde Euter und in weiterer Folge vitale und leistungsfähige Tiere wird ein kontinuierliches und exaktes Management verlangt.
Eine wichtige Erkenntnis aus den Auswertungsdaten der letzten Jahre ist, dass Betriebe, die vor der Umstellung auf AMS schon mit hohen Zellzahlen Probleme hatten, diese meistens auch mit dem AMS haben.
Ursachen finden
Ein Melkroboter ist trotz technisch aufwendiger Frühwarnsysteme kein automatischer Problemlöser! Melkroboter können meist nur den Ist-Zustand erhalten, allenfalls mit eingebauter Zwischendesinfektion und bestem Management Verbesserungen bewirken. Steigt der Zellgehalt aber nach der Umstellung vom konventionellen zum automatischen Melken an, hat das oft folgende Ursachen:
Ein Melkzeug für 50 bis 75 Kühe erhöht das Risiko, Erreger wie Staph. aureus von Kuh zu Kuh über die Zitzenhaut zu übertragen; nicht alle Betriebe haben eine Zwischendesinfektion am AMS eingebaut oder diese funktioniert nicht richtig.
Bei mehrmaligem Melken ist der Strichkanal häufiger geöffnet: Das Risiko steigt, dass Erreger ins Euter eindringen.
Die Melkanrechte sind falsch eingestellt, die Zwischenmelkzeiten zu lang (> 12 h) oder zu kurz (< 7 h).
Probleme bei der Euterreinigung durch Funktionsfehler oder Abnützungen bei Reinigungsbürsten- oder Becher; evtl. sind die Zitzenkuppen nicht immer zu 100 % gereinigt,
Fehler im Reinigungssystem,
keine oder mangelhafte Zitzendesinfektion/Dippen nach dem Melken,
Ausmelkprobleme bei nicht robotertauglichen Eutern,
Problemkühe werden nicht konsequent ausgemerzt,
falsche Herangehensweise bei Euterbehandlungen.
Die oben angeführten Zellzahl-Verursacher müssen genauestens Punkt für Punkt geprüft werden. Im Ausschlussverfahren können Sie eruieren, welche Ursachen am eigenen Betrieb relevant sind. Nur wenn das Problem gefunden wird, kann dieses auch beseitigt werden!
Zitzenreinigung prüfen
Grundvoraussetzung bei Betrieben mit einem AMS ist es, laufend die Funktion der Zitzenreinigung und Zwischendesinfektion zu überprüfen. Denn dadurch wird die Übertragung von euterassoziierten Erregern verhindert.
Bei AMS mit Vormelkbecher ist es ratsam, die Öffnungen für das Einströmen des Luft-Wasser-Gemisches in regelmäßigen Abständen zu kontrollieren, da diese durch Reste zum Beispiel von Zitzenversieglern oder Schmutz verstopfen können. Infolgedessen führt die Verstopfung zu schlechten Anrüst- und Reinigungsvorgängen und schließlich, vor allem bei altmelkenden Kühen, zu einer verzögerten Milchabgabe. Diese wiederum stellt eine physiologische Belastung des Euters dar und kann negative Auswirkungen auf die Zellzahl haben.
Erfolgt die Zitzenreinigung ausschließlich mit Wasser, können Keime mittels Schmiereffekten übertragen werden.
Melkanrechte einstellen
Sowohl zu lange (> 12 h) als auch zu kurze Zwischenmelkzeiten (< 7 h) stellen ein Risiko für die Eutergesundheit dar. Durch die richtige Einstellung der Melkanrechte können Sie einer unverhältnismäßigen physikalischen Belastung des Euters durch unnötige Melkungen (Zielwert: 10 kg Milch pro Melkung) vorbeugen. Wird im Verhältnis zur Milchleistung zu oft gemolken, werden Zitzengewebe, Schließmuskel und Venenring geschädigt und das Eindringen von Erregern in das Euter durch den unmittelbar nach dem Melken noch geöffneten Strichkanal ist leichter möglich.
Kommt es umgekehrt zu sehr langen Zwischenmelkzeiten (mehr als 12 Stunden), kann es im Euter durch die mangelnde Ausschwemmung zu einer starken Erregervermehrung kommen. Überfällige Tiere müssen also frühzeitig auf der Warnliste aufscheinen. Diese Kühe müssen dann auch konsequent nachgetrieben werden bzw. muss geklärt werden, warum die Tiere nicht selbst zum Melken gehen. Analysieren Sie die Zwischenmelkzeiten der Problemtiere über einige Tage, um unregelmäßige Melkintervalle als Ursache auszuschließen.
Das richtige Dippmittel
Zur laufenden Kontrolle gehört auch die Überprüfung des Dippvorgangs nach dem Melken:
Erreicht das Mittel die Zitze?
Bildet sich ein Pfropfen am Ende der Zitze?
Reicht die desinfizierende Wirkung (mind. 2.000 ppm Jod)?
Befindet sich ausreichend Pflegeanteil im Dippmittel (15 % Glyzerin, 5 % Lanolin)?
Da die Tiere am AMS in der Regel häufiger gemolken werden, ist auch der Strichkanal häufiger geöffnet und das Risiko steigt, sich im Stall mit Umweltkeimen zu infizieren. Hygiene im Stall ist daher das oberste Gebot auf Melkroboterbetrieben. Vor allem Liegeboxenpflege nimmt einen hohen Stellenwert ein und beansprucht viel Zeit. So investiert Milchviehhalter Peter Feichtner aus dem Flachgau täglich rund eine Stunde Zeit in die Boxenpflege; für ihn ist das einer der Schlüssel für die gute Eutergesundheit seiner Herde (langjähriger Durchschnitt 80.000 Zellen; siehe Reportage Familie Feichtner).
Auch saubere Laufflächen haben maßgeblich Einfluss auf die Eutergesundheit: Die Klauen sind sauberer und tragen weniger Schmutz in die Liegeboxen ein. Zum Hygieneprogramm sollte auch das regelmäßige Scheren der Schwänze gehören.
Mastitis schnell entdecken
Sollte es dennoch zu einer Mastitis kommen, müssen Infektionen im Euter rasch erkannt werden. Denn die wirtschaftlichen Verluste durch Euterentzündungen betragen je nach Schweregrad zwischen 300 und 700 € – Tendenz steigend.
Als Milchviehhalter sollten Sie immer im Hinterkopf behalten, dass eine Euterentzündung die Milchmenge für die gesamte Laktation reduziert und es kein Zurück auf das vorige Leistungsniveau gibt. Nur durch frühes Reagieren auf Euterentzündungen kann ein langfristiger Leistungsabfall verhindert werden! Darauf sollten Sie achten:
mind. zweimal tägliche Kontrolle der Warnlisten/Hinweislisten,
Milchmengenschwankung, Leitwerterhöhung, Farbveränderungen, Zellzahlerhöhungen (sofern Zellzahlmessgerät am AMS vorhanden),
bei behandelten Tieren das Melk-intervall auf 10 bis 12 Stunden verlängern, da sonst der Wirkstoff der Eutertube nicht lange genug im Euter bleibt!
Hemmstoffproblematik beachten!
Einige Landwirtschaftskammern bieten für AMS-Betriebe Beratungen und Arbeitskreise an. Auch von den AMS-Herstellern gibt es Managementberater und Kurse zur Eutergesundheit. Nutzen Sie das Beratungsangebot!
---------------------------
AMS: Um 40.000 höhere Zellzahlen
Kühe am Melkroboter wiesen in den vergangenen Jahren einen durchschnittlichen Zellgehalt von 230.000 Zellen/ml auf und damit um 40.000 Zellen mehr als konventionell melkende Betriebe (siehe Übersicht).
Allerdings hat so eine reine Mittelwert-Auswertung immer eine „schiefe Optik“, denn die Streubreite der Ergebnisse ist von einigen Tausend bis zu einer Million Zellen sehr hoch. Eine Millionärin macht demnach viele Hunderte von normalen Ergebnissen „platt“. Daher ist in diesem Fall ein anderes mathematisches Mittel, nämlich der Median, besser geeignet, um zu zeigen, wo der Mittelwert der Population tatsächlich liegt: In den letzten fünf Jahren lag der Median der Einzelmilchproben von AMS-Kühen bei 69.000 bis 76.000 Zellen und von Kühen an konventionellen Melkanlagen bei 62.000 bis 67.000 Zellen. Mit einem Zellgehalt unter 100.000 Zellen gilt eine Kuh als gesund.
Die Milchvieherde von Familie Feichtner zeichnet sich durch eine hohe Leistung und eine top Eutergesundheit am AMS aus. Dahinter steckt ein durchdachtes Management und Fleiß im Stall.
Vor gut drei Jahren sind Christine und Peter Feichtner aus Obertrum im Flachgau (Sbg.) mit ihren damals 20 Milchkühen in den neuen Laufstall mit Melkroboter umgezogen. Seither ist nicht nur die Leistung der Holsteinkühe gestiegen, auch die Eutergesundheit hat sich stetig verbessert. Inzwischen melkt der Bio-Heumilchbetrieb über 11 000 kg Milch (vorher 8.000 kg) mit 80.000 Zellen (vorher 160.000). Dahinter steckt ein simples Grundprinzip, an das sich die Eheleute im Stall halten: sanfte Übergänge bei Veränderungen und möglichst wenig Stress für die Kühe.
Der neue dreireihige Kuhstall wurde an den alten Anbindestall angeflanscht. Dadurch konnten die Kühe langsam umgewöhnt werden: „Zuerst haben wir sie nur stundenweise in den neuen Stall gelassen, um alles kennenzulernen. Im zweiten Schritt haben wir die Kühe tagsüber im neuen Stall gefüttert, am Melkroboter haben sie nur Kraftfutter bekommen. Schließlich haben wir sie nur noch zum Melken in den Anbindestall geholt“, berichtet Christine Feichtner. Erst nach einer Woche wurden die Kühe am AMS eingemolken.
Top gepflegte Tiefboxen
„Die Tiefboxen haben uns richtig weitergebracht“, ist Peter Feichtner überzeugt. Jeden Tag investieren er und seine Frau über eine Stunde Zeit in die Boxenpflege. Beim Stalleinzug wurde die 24 cm tiefe Box mit einer Kalkstrohmatratze befüllt und verdichtet. Eingestreut wird nun mit Stroh, Altgras und Kalk. Bei der Boxenpflege wird übriger Mist und Einstreu immer vorne keilartig zur Bugschwelle (40 cm) geschöpft. „Einmal pro Woche befüllen wir den Kopfkasten direkt vom Strohbalkon über der Doppelboxenreihe. So müssen wir nicht mit Maschinen in den Stall fahren und vermeiden Unruhe in der Herde“, erklärt Peter.
Aktuell stehen den 35 Milchkühen 48 Liegeboxen zur Verfügung. Weder Stall noch AMS sind damit voll ausgelastet, die Kühe haben viel Platz und wenig Stress. Damit die Kühe in Ruhe fressen können, stehen sie auf erhöhten Fressplätzen. Hinter ihnen säubert stündlich ein Schieber die mit Gummi belegten Laufgänge. Die Übergänge schieben die Feichtners zweimal täglich mit einer Schneeschaufel ab.
Sanfte Übergänge
Die Kühe gehen durchschnittlich 2,8-mal zum Melken an den Melkroboter. Der viertelindividuell gemessene Leitwert gibt Aufschluss über die Eutergesundheit, Zellzahlmessgerät hat Feichtner keines installiert. Wohl aber eine Zwischendesinfektion mit Peressigsäure. Gedippt wird mit einem jodhaltigen Dippmittel. Alle sechs bis neun Stunden haben die Kühe ein Melkanrecht, Ziel sind 12 kg Milch pro Melkung.
„Die Kühe bekommen 1,5 kg Kraftfutter pro Melkung am AMS. Bei 3-mal Melken ist das aber zu wenig. Daher haben wir noch eine zusätzliche Kraftfutterbox installiert. Insgesamt bekommen sie maximal 7,8 kg pro Tag“, berichtet Peter. Gerade im Sommer verlangt die Kraftfutterdosierung ein feines Händchen. Wird beim Eingrasen auf eine neue Wiese gewechselt, passt der Landwirt schon zwei, drei Tage vorher die zwei Kraftfuttersorten an, um den Grundfutterwechsel abzufedern.
Auch beim Trockenstellen setzen Feichtners auf einen sanften Übergang. Eine Woche vorher stallen sie die Kühe bereits in den Trockensteherbereich um. „Durch den Gruppenwechsel und das extensivere Heu sinkt die Milchleistung von allein“, erzählt Christine. Zum Melken holt sie die Kühe dann nur noch einmal am Tag. Beim Trockenstellen unterstützt sie ihre Tiere homöopathisch und verzichtet auf Trockensteller und Zitzenversiegler.
Dass Feichtners Konzept aufgeht, belegen nicht nur die Zahlen, sondern auch die gepflegten, gesunden Tiere. „Die Kühe zahlen dir den Aufwand und den Komfort durch top Leistungen zurück“, ist Peter Feichtner überzeugt.