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Wie ein Gemüsebauer es schafft, Regionalität, Effizienz und Ökolandbau auf seinem Betrieb zu vereinen

Auf seinem Hof im Münsterland vereint der EDV-Unternehmer Josef Elfrich Ökolandbau mit digitaler Technik. Dafür hat er eine neue Software entwickelt.

Lesezeit: 7 Minuten

Rostige Maschinen, morsche Paletten neben löchrigen Big-Packs: Auf den meisten Höfen finden sich diese vermeintlichen Chaos-Ecken, auf die kein Landwirt richtig stolz ist. Auf dem Bio-Gemüsehof Elfrich in Saerbeck im Münsterland sucht man das vergeblich. Auch sonst gewinnt der Besucher auf schwer zu beschreibende Weise den ständigen Eindruck von Effizienz. Nichts steht zwecklos herum. Kann es dann Zufall sein, dass der Hof kaum Lebensmittel erzeugt, die hinterher nicht auch vermarktet werden?

Wir verschwenden keine Ware."
Josef Elfrich

Der Vorstand der Elfrich-Stiftung Josef Elfrich und Betriebsleiter Manfred Pudlik haben den Hof nicht nur äußerlich auf Effizienz gemünzt. Das Konzept fußt auf einer selbst programmierten Software, die ihnen von der Aussaat bis zur Ernte maximale Erträge bei minimalen Verlusten bescheren soll. Dennoch tut sich Elfrich schwer damit, den Hof als Paradebeispiel gegen Food-Waste zu präsentieren. Er sagt: „Den Begriff Lebensmittelverschwendung finde ich im Kontext der Landwirtschaft irreführend. Wir verschwenden selbstverständlich keine Ware, allein schon aus wirtschaftlicher Sicht nicht.“

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Tatsächlich findet auf Erzeugerebene mit 2 % der kleinste Teil der Verschwendung in der gesamten Kette statt. Auch bei optimaler Organisation ist es jedoch unmöglich, schnell verderbliche Lebensmittel vom Feld bis zum Verzehr völlig verlustfrei zu händeln. Dennoch wirbt der SuperBioMarkt, an den Elfrich den Bärenanteil des Gemüses vertreibt, mit hoher Effizienz. Wie funktioniert der Betrieb?

Seit 2018 baut der 65-Jährige auf rund 35 ha Fläche über 60 Sorten Gemüse an. Diese Vielfalt prägt das Bild rund um den Demeter- und Bioland zertifizierten Hof. Wohin man blickt, erstrecken sich ordentlich angelegte Parzellen mit Zwiebel, Roter Beete, Brokkoli, Kürbis, diversen Kräutern und Salat.

Von intensiver Schweine­haltung zu Bio-Gemüsebau

Elfrich ist kein gelernter Landwirt, sondern Softwareunternehmer: Nach dem Studium der Informatik und Elektrotechnik gründete er das EDV-Unternehmen BEOSYS, das heute 60 Mitarbeiter beschäftigt. Nach 40 Jahren in dieser Branche entschied er sich für eine neue Herausforderung und brachte BEOSYS und den Hof, der bis 2015 noch unter der Leitung seines Bruder stand, in die Elfrich-Stiftung ein.

Die Vision: Er will ein regionales Netzwerk für Bioprodukte aufbauen. Vermarktung, Logistik, Transport und Abrechnung sollen die Landwirte des Netzwerks künftig über eine selbst programmierte Software abwickeln können. Der erhoffte Nebeneffekt ist die restlose Vermarktung des erzeugten Gemüses.

Über Generationen führte die Familie den Hof konventionell. 2015, kurz bevor der Konkurrenzdruck den Betrieb zur Aufgabe zwang, entschied sich Elfrich, auf Biogemüse zu setzen - und riss den alten Hof ab. Mehrere Millionen Euro steckte er in Neubau und Ausrüstung. „Im Münsterland ist regionales Biogemüse eine Nische, obwohl die Menschen vermehrt auf die Lebensmittelherkunft achten,“ begründet er die Entscheidung. „Zwar ist die Erzeugung teurer. Aber durch unser Konzept können wir hoch effizient und fast ohne Verluste produzieren.“

In einem neuen Konferenzraum wirft er mit einem Beamer das Herzstück dieses Konzeptes an die Wand: Die Weboberfläche seiner Logistik-Software. „Alle Aufträge kommen über das Rechensystem rein: Wenn die Abnehmer dienstags bestellen, ernten wir mittwochs, donnerstags liefern wir aus und am Freitagmorgen ist die Ware im Laden.“ In der Regel bestellen Kunden jeden zweiten Tag. Die Software speichert alle Aufträge und berechnet anhand der Werte die Anbaumengen für das kommende Jahr.

Kulturen sammeln Wachstumspunkte

Zusätzlich hat Elfrich die Wetterdaten der vergangenen 20 Jahre vom nächsten Flughafen übernommen. Auf Basis von Temperatur, Tageslänge und Bodenwärme ermittelt er Wachstumspunkte, die jede Kultur bis zur Ernte erreichen muss. Je wärmer ein Tag ist, desto mehr Punkte schreibt ihm das System zu. Anhand einer Tabelle zeigt der Landwirt: Ein Tag im März entspricht z. B. zwei Punkten, einer im Juli acht. Nach 400 „gesammelten“ Punkten ist ein Kopfsalat erntereif, ein Rotkohl braucht mit 780 Punkten weitaus mehr. So kann das System schließlich den besten Pflanzzeitpunkt berechnen.

Software im Abo

Natürlich dreht Elfrich auch an den üblichen Effizienzschrauben in der Landwirtschaft: Den Nährstoffbedarf ermittelt die Software anhand der aktuellen Verfügbarkeit und der voraussichtlich Mineralisierung in der jeweiligen Jahreszeit. Auch die Bewässerung der Kulturen läuft rechnergesteuert. Ab 2024 sollen auch andere Biolandwirte aus der Region auf die Software zugreifen können. Dafür fällt ein regelmäßiger Geldbetrag an – eine Art Abo-System.

GPS-gesteuerte Pflanzmaschinen setzen das Gemüse punktgenau ein. Kameragesteuerte Hacken übernehmen die Unkrautbekämpfung. „Der Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz ist eine der größten Schwierigkeiten“, erklärt der Biobauer. In den Reihen mit Salat ist davon jedoch keine Spur. „Der Anbau von Biosalat ist am weitesten optimiert“, erklärt Elfrich. Wegen der kurzen Liegezeit ist Salat hingegen beim Thema Food-Waste weniger optimal: Ist er nicht binnen kurzer Zeit beim Kunden, wird er entsorgt.

Zwei Festangestellte und zehn Saisonarbeitskräfte beschäftigt der Hof. So können die Lkws bis zu 4 000 Gemüsekisten jede Woche ausliefern. Der größte Abnehmer ist die Kette „SuperBioMarkt“ mit über 25 Filialen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Um auch bei Kälteperioden, Dürren und Co. lieferfähig zu sein, pflanzt der Betrieb jedes Jahr rund 30 % mehr, als seine festen Abnehmer bestellt haben. „Kommt zu viel Ware von den Feldern, haben wir flexible Kunden wie z. B. Biokistenanbieter, die uns den Überschuss abnehmen.“

Vision: vereinte Vermarktung

Josef Elfrich hat ein weiteres Unternehmen gegründet: Die regional-bio GmbH. Als Dienstleister soll sie z. B. den Lebensmitteltransport von Bauern zu Restaurants übernehmen. Denn neben den genauen Bestellungen, flexiblen Kunden und einer Portion Wetterglück ist die regionale Vernetzung zwischen Erzeugern eine Stellschraube gegen Lebensmittelverluste.

So wird die Erzeugung günstiger. Und das Angebot bleibt vielseitig.“
Josef Elfrich

Seine Vorstellung: Anbietende Landwirte tragen ihre überschüssige Ware auf der Onlineplattform ein. Und die Abnehmer können die verfügbare Ware per Klick bestellen. Derzeit spricht der Unternehmer regionale Restaurants und Kantinen an, um sie für die Kundenliste zu gewinnen. Im Moment kann sein Angebot alle Abnehmer noch selbst abdecken. Doch wächst die Kundenliste wie gewünscht weiter, wird der Unternehmer versuchen, weitere Landwirte zur Kooperation zu bewegen. Denn Elfrich hat ein Ziel: Die gemeinsame Gemüse-Vermarktung vieler kleiner Höfe einer Region.

„Die Betriebe sollen selbstständig bleiben. Nur die Vermarktung findet gemeinsam statt, sodass jeder Betrieb mehr Menge und weniger verschiedene Sorten anbauen kann“, beschreibt Elfrich seine Vorstellung. „So wird die Erzeugung günstiger. Und das Angebot bleibt vielseitig.“

Der Großhandel diktiert die Preise

All das hört sich erst einmal gut an. Selbstkritisch räumt er jedoch ein: „Heute war der Leiter eines Pizzarestaurants da. Wir mussten feststellen: Unsere Preise können noch nicht in allen Bereichen mit dem konventionellen Großhandel mithalten.“ Der Lebensmitteleinzelhandel drückt mit einer steigenden Zahl von Bioprodukten die Preise. Große Anbauverbände kooperieren eng mit den Discountern. „Der konventionelle und der Bio-Anbau entwickeln sich hier in eine ähnliche Richtung“, sagt Elfrich.

Der hohe Erzeugerpreis ist der größte Hemmschuh einer regionalen Landwirtschaft. „Wenn der Preis hier steigt, kauft der Handel im Ausland.“ Der Ökolandbau müsse sich umstrukturieren. Eine Lösung sieht er in der Digitalisierung. Die sei auch ein Weg, um noch weniger Food-Waste auf Erzeugerseite zu generieren.

Als herausfordernd gestaltet sich die Umsetzung auch auf der Angebotsseite: Denn wetter- und saisonbedingt gibt es stets Kulturen, die im Überschuss da sind. Und solche, die fehlen. „Gibt es z. B. keinen Fenchel, trägt den auch niemand in die Liste ein. Wenn das Wetter wieder mitspielt, kommt er plötzlich massenweise.“ Kritisch bleibt also die gleichmäßige, regionale Verfügbarkeit einzelner Kulturen. Hier sind die Verbraucher gefordert, den Speiseplan bei regionalen Produkten entsprechend der Verfügbarkeit anzupassen.

Wirft man einen Blick in den Süden der Welt, so scheint ein Wandel stattzufinden. Wassermangel, sich angleichende Arbeitsbedingungen, kommende CO2-Abgaben für Transporte. Denkt man weit genug nach vorne, so wird klar: Die heimische Vermarktung spielt zukünftig eine große Rolle. Wenn es so weit ist, will der Geschäftsmann das Gemüse regional in großen Mengen verfügbar haben: „Oliven werden wir hier sicher nicht anbauen. Aber Kulturen wie Fenchel, Sellerie, Süßkartoffel, Knoblauch und Co.“

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