Um es gleich zu Anfang klar zu stellen: Botanisch gesehen, ist die Erdnuss gar keine Nuss, sondern eine Hülsenfrucht. Im Anbau, der Verarbeitung und vor allem der Vermarktung erweist sie sich aber schon als schwer zu knacken.
Landwirt Steffen Meyer aus dem niedersächsischen Böhme hat sich auf den Weg gemacht, um den Erdnuss-Anbau in der Heide auszuprobieren. Sein Ziel: Als erster eine vielversprechende Nische erschließen und sich als innovativen Betrieb immer wieder neu erfinden.
Auf 200 m2 Anbaufläche hat der gelernte Gärtner in diesem Jahr Erdnüsse angebaut und geerntet. Also nur ein kleines Fleckchen experimentelle Erde für einen Betrieb, der im Hauptgeschäft Spargel und andere Sonderkulturen auf rund 60 ha anbaut, 80 ha Forst bewirtschaftet und 200 ha Ackerfläche verpachtet.
Doch so funktionieren Anbauexperimente nach Ansicht des 30-Jährigen eben: Erstmal im Kleinen probieren, die wichtigsten Fragen beantworten und dann im nächsten Jahr schauen, ob und wie man weitermacht. „Wir haben schon Süßkartoffeln, Melonen und Meerrettich angebaut“, sagt der umtriebige Unternehmer. „Man muss immer etwas in der Schublade haben, was als nächstes groß werden könnte.“
Saatgut: schwer zu kriegen
Vom Anbau im großen Stil ist das Erdnuss-Experiment noch weit entfernt. Noch bevor die eigentlich in den Subtropen beheimatete Leguminose auf nur 1 m2 wachsen konnte, ploppte schon das erste Problem auf: die Saatgutbeschaffung. „Ich hatte mich schon vor Corona um Jungpflanzen bemüht“, erinnert sich Steffen Meyer. „Aber die sind im Lieferkettenchaos irgendwo stecken geblieben und nie angekommen.“
Anfang des Jahres erhielt Meyer zumindest eine Handvoll Saatgut von einem in Nordrhein-Westfalen ansässigen Händler. Mehr Hoffnungen steckte der Landwirt in Saatgut aus dem ostafrikanischen Uganda, das er über eine Bekannte beziehen konnte. „Allerdings reicht die Vegetationszeit hierzulande nicht für eine Direktsaat aus. Also mussten wir die Pflanzen vorziehen.“
„Eine Schwarze Zahl steht da jedenfalls bei weitem nicht.“
Dies führte eine Gruppe Agrarstudierender im Gewächshaus der Hochschule Osnabrück für den Landwirt durch. Das Team aus Lena Marie Meyer, Mareike Borkowski, Thies Peter Tramsen und Rene Waden begleiten das Erdnuss-Experiment im Rahmen eines Praxisprojekts unter der Leitung von Prof. Dr. Dieter Trautz.
Begleiten, das bedeutet: Bonituren durchführen, Erträge auswerten oder die Saatgutqualitäten und Anbauweisen (ebenerdig vs. im Damm) vergleichen. Außerdem stehen die Agrarstudierenden in Kontakt mit der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), an der ebenfalls Erfahrungen im Erdnussanbau gesammelt werden.
Anbau: Bewässerung, Düngung, Pflanzenschutz
Ende März erfolgte die Aussaat des Saatguts im Gewächshaus bei 20 bis 23 °C. Nach einer 5-wochigen Keimungsphase im feucht-warmen Klima wuchsen die Keimlinge in einem Kälteraum weiter, in dem die Temperatur nie unter 8 °C sank. Anfang Mai zogen die Jungpflanzen ins Freiland zu Steffen Meyer um. Dort erwartete die Erdnuss typisch sandigen Heideboden mit rund 17 bis 18 Bodenpunkten. „Wir haben rund 800 Samen in die Erde gesetzt“, sagt Rene Waden. „Bis ins Freiland hatten wir 12 % Ausfall.“
Im Acker von Steffen Meyer pflanzte das Team die Jungpflanzen in drei Reihen im Damm ein sowie in einer Reihe ebenerdig. In beiden Fällen setzten sie die Pflanzen im Dreiecksverband mit je 35 cm Abstand zueinander ein. „Wahnsinnig aufwendig waren die ersten drei, vier Wochen“, erinnert sich Landwirt Steffen Meyer. „Da wollten wir nächtliche Absenkungstemperaturen abfedern und haben abends ausgediente Spargeltunnel über die Erdnüsse gestellt und sie morgens wieder weggenommen.“ Ob das wirklich nötig war, wissen die Anbau-Pioniere nicht. Die einjährigen Pflanzen überlebten jedenfalls den Frühling.
Bis auf eine Grunddüngung mit Biochampignondünger konnte Meyer auf weitere Düngergaben verzichten. In Sachen Pflanzenschutz ging das Team ausschließlich mechanisch gegen z. B. Melde, Franzosenkraut oder Amaranth vor. „Wir haben in vier Durchgängen mit Hand gehakt und zwischen den Reihen mit einem Schmalspurschlepper gefräst“, berichtet Steffen Meyer.
Großes Thema bei der Erdnuss ist die Bewässerung. „Ihr Wasserbedarf ist groß“, sagt Steffen Meyer. „Daher arbeiten wir überall mit Tropfschläuchen.“ Lena Marie Meyer ergänzt mit Blick in die Unterlagen: „Wir gehen von einem benötigten Jahresniederschlag zwischen 500 bis 1.200 l/m2 aus.“
Ernte in Handarbeit. Noch.
Im Oktober wurde geerntet. In Handarbeit. Wie die Helfer mit Mistgabel und Muskelkraft die üppig grün bewachsene Erdnusspflanze aus der Erde hebeln, erinnert an die Kartoffelernte im eigenen Garten: Auf der einen Seite die Forke mit etwas Abstand einstechen, hoch hebeln – und dann von der anderen Seite die an den sogenannten Karpophoren, den Fruchtträgern, gewachsenen Erdnüsse möglichst unbeschädigt in einem Ballen herauszuziehen. „Eine Pflanze hatte bis zu 41 Nüsse ausgebildet“, sagt Steffen Meyer.
Die Erträge sind zwar noch nicht abschließend ausgewertet. „Aber wir gehen von einem Hülsenertrag von 3,5 dt aus“, tippt der Spargelbauer. „Dabei konnten die an der Uni vorgezogenen Pflanzen im Damm am besten abschneiden.“ Lena Marie ergänzt: „Soweit ich weiß, lagen die Durchschnittserträge an der LfL im letzten Versuchsjahr bei 7 bis 11 dt. Da liegen wir darunter.“
Bestimmt hat die Ernte mit vielen Helfern und der Motivation, endlich das Ergebnis des Experiments sehen zu können, auch Spaß gemacht. Trotzdem treibt die Frage den erfinderischen Junglandwirt um, ob die Ernte nicht auch mechanisch laufen könnte. Der 30-Jährige sagt: „Es hieß früher auch immer, man könne Spargel nicht mechanisch ernten. Irgendwer hat es dann trotzdem gemacht.“ Noch stellt Meyer das Problem für das „zweite Testlevel“ zurück. Aber Ideen sind schon da. „Ich hab schon was für die Süßkartoffeln entwickelt. Bei der Erdnuss schwebt mir ein leicht angepasster Gemüseschwadleger vor.“
Vermarktung in Gastronomie
Nach der Ernte lagern die ungeschälten Nüsse bei etwa 42 °C in einem Heizungsraum, um den Prozess im Herkunftsland bestmöglich zu imitieren. Dort werden sie auf dem Acker am Laub getrocknet.
„Die Idee ist, die Ernte größtenteils ungeschält als lose Ware nach Hamburg in die Gastronomie zu vermarkten“, verrät Steffen Meyer. „Dort gibt es eine Bar, die regionale Nüsse anbieten möchte.“ Meyer unterzieht diese nach eigenen Angaben regelmäßig intensiver Geschmackskontrollen – heißt: er probiert öfter mal, was da langsam abtrocknet in seinem Lager. „Mittlerweile schmecken die Nüsse auch wie Nüsse. Am Anfang schmeckten sie wie Erbsen.“ Etwa ein Viertel will der Landwirt zu Speiseöl pressen und es an Sterneköche vermarkten. Auch hier geht es, typisch Testballon, lediglich um etwa 5 l Öl, abgepackt in 30 ml-Fläschchen. Pionierarbeit geht man offenbar am besten schrittweise an.
Ob zum Knabbern oder als Öl, in beiden Fällen war die Vermarktung sichergestellt, bevor die Samen in den Boden kamen. Der Spargelbauer pflegt langjährige, vertrauensvolle Kontakte in die Szene, die ihm den Preis zahlen, den er haben muss. „Welchen Preis wir genau drunterschreiben können, lässt sich noch nicht sagen“, sagt Meyer. Als Hausnummer nennt er den Preis für Bioerdnüsse im Einzelhandel von rund 59 €/kg. „Wir steuern Preise deutlich oberhalb dieser Marke an“, so Meyer weiter. „Eine Schwarze Zahl steht da jedenfalls bei weitem nicht.“ Sehr aufwendig sei das Projekt gewesen. Vor allem, wenn man alle Arbeitsstunden der Beteiligten dazu zählt.
Wie geht es weiter?
Wenn alles nach Plan läuft, kann sich Steffen Meyer im kommenden Jahr den Anbau auf 1 bis 2 ha vorstellen. Dann in einer professionelleren Dimension. Der Anfang ist jedenfalls gemacht. Erfahrungen sind gesammelt, Vertriebskanäle erschlossen. „Einer erprobt eine Nische und zwei Jahre später springen andere Landwirte auf“, sagt Meyer. Den kümmert das wenig. Er hat ja Vorsprung.