Unser Experte: Dr. Nikos Förster, Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen
Kein Anbau ohne Vermarktung! Was wie eine Binsenweisheit klingt, ist bei Nischenkulturen, wie Leguminosen oder Hafer, leider immer noch eine der größten Herausforderungen. Dabei sind weite Fruchtfolgen politisch gewollt und ihre ackerbaulichen Vorteile liegen auf der Hand: weniger Resistenzen, weniger Problemgräser, weniger Krankheitsdruck und in vielen Fällen eine bessere N-Bilanz.
Die Gefahr: Betriebe lassen sich zum Nischenanbau verleiten, ohne zuvor die Vermarktungsfrage geklärt zu haben. Finden sich für das Urgetreide oder die Leguminosen nicht die richtigen Abnehmer, ist die Enttäuschung groß. Denn das verschlechtert die Wirtschaftlichkeit der gesamten Fruchtfolge.
Bei Nischenprodukten besteht ein Hauptproblem darin, dass der lokale Markt sehr begrenzt ist und starke Preisschwankungen auftreten können. Im Hinblick auf die wechselnden Marktbedingungen ist es deshalb ratsam, keinen Absatzweg kategorisch auszuschließen. Seien Sie flexibel: Zum Beispiel können Sie Roggen je nach Qualität und Preisrelation zu Triticale und Futterweizen entweder als Backroggen vermarkten, als Futtermittel nutzen oder als Ganzpflanzensilage in Biogasanlagen verwerten. Welche Vermarktung ideal ist, lässt sich mit der direkt- und arbeitskostenfreien Leistung vergleichen (siehe Beitrag Fruchtfolgen). Wir zeigen, wie Sie die Vermarktung am besten angehen.
Checkliste - Richtig vermarkten
- Abnehmer suchen und Bedingungen verhandeln
- Die Sortenfrage im Vorfeld klären
- Marktpotenziale realistisch beurteilen
- Fördermittel beantragen
- Probeanbau durchführen
- Flexibilität bei der Verwertung und Vermarktung
Wer sind die Abnehmer?
Potenzielle Abnehmer für Nischenprodukte sind z. B. Landhändler, Mühlen, Mälzereien, Bäckereien oder Tierhalter. Kooperationen zwischen Erzeugern, Händlern und Verarbeitern sind häufig der Königsweg bei der Vermarktung. Stabile Absatzmengen und Preise sind dabei die tragenden Säulen. Bei Kulturen wie Dinkel oder Braugerste ist noch keine börsenbasierte Preisfindung möglich. Daher sollten Handelspartner nach vertraglichen Lösungen suchen, die eine gerechte Risiko- und Margenverteilung ermöglichen.
Landwirt und Abnehmer nutzen im Vertragsanbau häufig sogenannte Erzeugerpreis-Modelle. Dabei gibt es mehrere Optionen: Entweder vereinbaren die Marktpartner einen garantierten Mindestpreis (Basis) und eine variable Preiskomponente (Preis = Basis ± variable Börsenprämie). Oder die Basis ist börsenabhängig und variabel. Dann ist der Aufschlag fix. Die variable Preiskomponente ist häufig an die Matif-Notierung für Mahlweizen gekoppelt, um den allgemeinen Marktentwicklungen Rechnung zu tragen.
Im Sinne einer Risikominimierung sollten Landwirte Fragen zum Absatz und den Preisen im Vorfeld klären. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Projekt „Norddeutscher Dinkel“, an dem eine Gruppe von Landwirten, ein Landhändler und eine Mühle beteiligt sind. Da zu Beginn keiner der Kooperationspartner über Erfahrungen im Anbau, der Lagerung und der Verarbeitung verfügte, wurde mit einem Probeanbau begonnen. Dieser war so erfolgreich, dass die Landwirte ihre Anbaufläche rund um den Harz immer weiter ausdehnen konnten. Inzwischen garantiert der Vertragsanbau allen Beteiligten neue Absatzwege, ein gutes Einkommen und stabile Rahmenbedingungen.
Ähnliche Initiativen existieren seit Jahren im Braugerstenanbau (Reportage "Regional vermarkten"). Im Leguminosenanbau kann es unter bestimmten Bedingungen sinnvoll sein, die Ernte als Nahrungsmittel aufzubereiten (Reportage "Ackerbohne") oder als gentechnikfreies Futtermittel im Schweinemaststall zu veredeln.
Das fordern die Abnehmer
Liegt noch kein Erfahrungswissen für bestimmte Kulturen vor, ist das Gespräch mit potenziellen Vermarktungspartnern wie Mühlen und Landhändlern unverzichtbar. Wirtschaftlich wird der Anbau nur dann sein, wenn die Partner in der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten.
Steht der Vermarktungsweg für eine neue Kultur fest, sollten Landwirte die Anforderungen des Abnehmers klären. So lässt sich z. B. Schälhafer für die Industrie nur dann zu attraktiven Preisen vermarkten, wenn die Qualitätsparameter stimmen. Zwar führen geringe Hektolitergewichte bei den Schälmühlen nicht automatisch zum Ausschluss; in der Regel wird aber ein Hektolitergewicht von mindestens 53 kg sowie ein Spelzanteil von weniger als 26 % gefordert. Die Schälbarkeit und Korngrößensortierung sind weitere wesentliche Kriterien. Entspricht die Qualität der Partien nicht den Anforderungen von Schälhafer, muss die Ernte als Futterhafer vermarktet werden.
Bei einem Marktpreis von aktuell ca. 200 €/t drohen in diesem Fall Abzüge von etwa 10 €/t. Eine Bonitierung bei der Mühle oder dem Landhändler kann im Vorfeld Aufschluss darüber geben, ob die Partien die Mindestanforderungen erfüllen.
Dies gilt auch für den Roggen. Hier beansprucht der Futterroggen mit ca. 70 % das größte Marktsegment in Deutschland. Aufgrund der positiven ernährungsphysiologischen Eigenschaften ist die Nachfrage nach Roggenmehlprodukten in den vergangenen Jahren jedoch stetig gestiegen. Infolgedessen lassen sich für Backroggen in der Regel ebenfalls Qualitätsprämien durchsetzen.
Lohnt sich der Anbau unter Wirtschaftlichkeitsaspekten nur bei einer Vermarktung als Brotroggen, ist auch hier die Standort- und Sortenfrage frühzeitig zu klären. Zumal neue ertragsstarke Hybridsorten inzwischen nicht nur auf klassischen leichten Böden, sondern auch auf besseren Böden eine Option sind. Während Brotroggen derzeit mit ca. 230 €/t in die Bücher geht, drohen bei Futterroggen je nach Standort ebenfalls Abzüge von 10 €/t und mehr.
Noch größer ist das Anbaurisiko im Sommergerstenanbau. Gemäß Verarbeitungsempfehlung des sog. Berliner-Programms kommen für Braugerste nur ganz bestimmte Sorten in Betracht. Aber selbst bei optimaler Sorten- und Standortwahl können Wetterkapriolen dazu führen, dass die Qualitätsanforderungen hinsichtlich Proteingehalt, Vollgerstenanteil und Keimfähigkeit nicht erreicht werden.
In einer typischen Saison muss etwa ein Viertel der Sommergerste als Futtergerste vermarktet werden. Bei den aktuell sehr hohen Preisen von mehr als 330 €/t müssen Bauern teils Einbußen von bis zu 90 €/t in Kauf nehmen.
Marktchancen einschätzen
Besetzen Landwirte eine Nische und wählen neue Kulturen, müssen sie Marktpotenziale richtig einschätzen. Suchen Sie das Gespräch mit potenziellen Abnehmern und holen Sie im Internet Marktinformationen ein! Typischerweise sind die Erlösmöglichkeiten und die Preisschwankungen im Nischenmarkt größer als im Massenmarkt.
Dinkelprodukte erfreuen sich einer immer größeren Beliebtheit. Er gilt als ausgesprochen gesund und bekömmlicher als Weichweizen. Doch die Dinkelpreise schwanken immer noch stark, da Angebot und Nachfrage am Dinkelmarkt nicht immer zusammenpassen. Die Preise für Biodinkel lagen im Zeitraum 2010 bis 2021 zwischen 276 €/t und 865 €/t: eine Spanne von fast 600 €/t. Seit 2017 ist jedoch eine trendmäßige Aufwärtsbewegung zu beobachten.
Auch der Markt für Haferprodukte boomt wie selten zuvor. Verarbeiter erweitern ihr Sortiment stetig um neue Porridge-Mischungen, Hafer-Protein-Riegel und vegane Haferdrinks. Der Bedarf an Schälhafer ist seit 2008 daher um etwa 70 % gestiegen. Gleichzeitig hat sich die heimische Haferproduktion innerhalb der letzten 20 Jahre nahezu halbiert. Fehlmengen kommen momentan insbesondere aus Finnland, Polen und Schweden. Die Preise spiegeln diese Knappheit bislang noch nicht angemessen wider. Bei anhaltend starker Nachfrage durch veränderte Ernährungstrends könnte sich dies in Zukunft jedoch ändern.
Weite Fruchtfolge? Förderung nicht vergessen.
In vielen Fällen erwirtschaften Nischenkulturen noch einen geringeren Deckungsbeitrag als Weizen und Co. Nehmen Anbauer staatliche Fördermittel aus Kulturlandschaftsprogrammen in Anspruch, kann sich der Anbau bereits lohnen. Je nach Bundesland können Landwirte zwischen 65 und 120 €/ha erhalten.
Voraussetzung ist fast immer der Anbau von mindestens fünf verschiedenen Hauptkulturen in Kombination mit Leguminosen auf der gesamten Ackerfläche. Ab 2023 können Landwirte mit einer ähnlichen Förderung im Rahmen der Eco-Schemes (Öko-Regelungen) in der ersten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik rechnen. Bislang steht dafür jedoch ein Förderbetrag von nur 30 € pro ha im Raum. Unklar ist aktuell, ob die Bundesländer noch attraktivere Angebote auflegen werden.
Die genannten Preisinformationen beziehen sich auf Mitte Dezember 2021.