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BMEL-Konferenz zur zukünftigen Milcherzeugung: Rückzug aufs Grünland?

Viele Wissenschaftler räumen der aktuellen Milchproduktion keine Zukunft ein. In Berlin diskutierten sie Alternativen. Das BMEL kündigte an Artikel 148 GMO umzusetzen - mit Ausnahmen.

Lesezeit: 6 Minuten

Deutschland ist Europameister bei der Milchproduktion: Allein im ersten Halbjahr 2023 nahm das Rohmilchaufkommen in Deutschland erneut um 2,3 % zu. Ein Spitzenwert, der aber mit einem Makel behaftet ist. Denn mit einer weiteren Intensivierung des Produktionsverfahrens lassen sich weder die Klimaziele noch die wichtigsten Nachhaltigkeits-Kriterien und schon gar nicht die gesellschaftlichen Erwartungen erfüllen, mahnen mittlerweile viele Stimmen aus Wissenschaft und Politik.

Weniger Holsteinkühe…

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Ist die Milchbranche in Deutschland also auf dem falschen Weg? Ja! Davon ist zumindest der Kieler Agrarwissenschaftler Prof. Friedhelm Taube überzeugt. Mit dem kontinental europäischen/amerikanischen Milchproduktionssystem (hohe Milchleistungen, Futterbau auf ackerfähigen Standorten) werden sich die Klimaziele nicht erreichen lassen. Um Wasser-, Klima- und Tierschutz zusammenbringen, brauche es einen Wechsel hin zum weidebasierten System, den Rückzug der Milchproduktion auf reine Grünlandstandorte, weniger Holsteinkühe (stattdessen mehr Zweinutzungsrinder) und vor allem weniger Kühe. So lautete seine Aussage auf der Konferenz zur Milchkuhhaltung von Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung (BMEL).

Dieses auf der Konferenz vorgestellte Zukunftsszenario dürfte ganz der Denke der Verantwortlichen im Landwirtschaftsministerium (BMEL) in Berlin entsprechen. Dort wünscht man sich eine nachhaltigere, klimaschonendere und tiergerechte Milcherzeugung, so Staatssekretärin Dr. Ophelia Nick. In den Augen der grünen Politikerin führt deshalb an der Weidehaltung bzw. einer grünlandbasierten Milchproduktion mit Weidehaltung kein Weg vorbei. „Weidehaltung verbindet Tierschutzaspekte mit dem Erhalt wertvoller Kulturlandschaft und dem Biodiversitätsschutz.“

Kühe runter vom Acker, zurück aufs Grünland

Klar scheint zu sein, dass man im BMEL in Berlin gewillt ist, die Kühe runter vom Acker und zurück aufs Grünland zu verfrachten. Zudem sollen die Kühe auch die Moorgebiete verlassen (diese Flächen sollten vorrangig als PV-Flächen genutzt werden). „Im Jahr 2050 werden dort keine Milchkühe mehr anzutreffen sein“, prognostizierte Agrarwissenschaftler Taube. Eine derartige Transformation wird unweigerlich einen Verlust erheblicher Milchmengen nach sich ziehen. Das sei aber gar nicht so schlimm, erläuterte Taube, denn eigentlich liege der Selbstversorgungsgrad bei Milch bei über 200 % (SVE-DGE Milch). Um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, sei in Europa jedoch eine Reduktion des Nahrungsmittelkonsums tierischer Herkunft von 40 bis 75 % geboten. Eine Aussage, die auf große Zustimmung bei den beiden anwesenden grünen Staatssekretärinnen, Dr. Ophelia Nick und Silvia Bender, gestoßen sein dürfte.

Grünlandmilch: Verzicht auf Zukauf von Dünger und Kraftfutter

Um die Milcherzeuger vor allzu großen wirtschaftlichen Verwerfungen zu schützen, plädiert Taube für die Einführung eines Labels „Grünlandmilch“. Ausgezeichnet mit dem Label soll Milch, sofern die Energie- und Proteinversorgung der Kühe zu mindestens 75 % kommen aus dem Gras kommt. Derart produzierte Milch könnte (sollte) vom LEH mit einem Zuschlag vergütet werden. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Milcherzeuger langfristig zu verbessern, schlägt Taube vor, im Rahmen der neuen GAP (ab 2027) eine Gemeinwohlprämie einzuführen. Deren Höhe sollte u.a. von gesellschaftlich gewünschten Leistungen (Klimaschutz, Biodiversität, Landschaftspflege,etc.) abhängen. So könnten die Grünland-Milcherzeuger profitieren, da sie zwangsläufig viele dieser Leistungen fürs Gemeinwohl erbringen würden. Je mehr Punkte ein Milcherzeuger hier erreicht, desto höher sollte die Prämie ausfallen.

Aber auch noch aus einem weiteren Grund sieht der Wissenschaftler die Wettbewerbsfähigkeit der Grünlandmilch gegeben. So ist nach Berechnungen der Universität Kiel ein Milchkuhbetrieb, der auf Weidegang setzt, auf mineralische Stickstoffdünger verzichtet und nur max. 25 % der Energiedichte aus externen Futtermitteln zukauft, heute schon wettbewerbsfähig – trotz geringerer Milchleistungen der Kühe. Das zeigt das Beispiel des Lindhofs. Dort beträgt die Direktkosten freie Leistung 33 Cent – in vergleichbaren konventionellen Milchkuhbetrieben liegt diese bei nur neun Cent (BZA Schleswig-Holstein). In Zukunft dürfte der Wettbewerbsvorteil der Grünlandmilch noch höher ausfallen, durch vermiedene CO2-Kosten (10 Cent) sowie durch vermiedene N- und P-Überschusskosten (20 Cent).

Der Zeitpunkt aus der Milchkuhhaltung auszusteigen war noch nie so günstig wie jetzt.“

All denjenigen, die sich nicht mit der Transformation in Richtung Grünlandmilch anfreunden können, legte Taube nahe, aus der Milchproduktion auszusteigen. „Der Zeitpunkt war noch nie so günstig wie jetzt.“ Arbeitskräfte würden derzeit überall gesucht, weshalb die Chancen für junge Milcherzeuger, einen gut dotierten Job zu ergattern, gut seien.

Artikel 148: Kommen jetzt Lieferverträge?

Den Umbau der Milchproduktion in Richtung Grünlandmilch will man im BMEL aber nicht als eine Absage an die Milchproduktion in Deutschland verstanden wissen. Man wolle eine vielfältige Erzeugerstruktur erhalten, erklärte Ophelia Nick. Deshalb setze man sich auch dafür ein, die Kräfteverhältnisse in der Wertschöpfungskette auszubalancieren und die Stellung der Milcherzeuger zu stärken.

Die Gestaltung der Lieferbeziehungen zwischen Milcherzeugern und Molkereien werden dabei ein Schwerpunkt sein. Silvia Bender kündigte an, den Artikel 148 GMO schnellstmöglich in Kraft setzen zu wollen. Die Gemeinsame Marktorganisation (GMO) ermöglicht es den EU-Mitgliedstaaten, verbindlich vorzuschreiben, dass Rohmilchlieferungen nur und ausschließlich aufgrund schriftlicher Verträge erfolgen dürfen.

Die Verträge müssen insbesondere Regelungen zum Preis, zur Menge und zur Laufzeit aufweisen. Allerdings sollen laut Bender Molkereigenossenschaften davon auch künftig ausgeschlossen bleiben.

Kommentar von Gregor Veauthier

Höchste Zeit, unvoreingenommen zu diskutieren!

Mal wieder eine Konferenz zum Thema „Zukunft der Milchviehhaltung in Deutschland“, … mal wieder haben sich die Vertreter der verschiedenen Berufs- und Fachverbände, der Molkereien und der Politik gegenseitig ihre Positionen zugerufen. Antworten auf die drängenden Fragen vieler Milcherzeuger, wie sich z.B. die Wertschöpfung langfristig stärken lässt – Fehlanzeige, mal wieder! Seit dem Rücktritt der Bochert-Kommission ist klar, dass aus Berlin so schnell keine Vision mehr zu erwarten ist, wie sich die Milchproduktion in Deutschland nachhaltig sichern lässt.

Wie schon so oft zuvor wurden die Milcherzeuger mal wieder ratlos auf den Heimweg gesandt! Solche Konferenzen braucht es nicht! Viel wichtiger und zielführender wäre es, einige Fragen schonungslos zu diskutieren, u.a .:

- Soll die Milch künftig nur noch auf Grünlandstandorten produziert werden? Ist das aus gesellschaftlicher Sicht und aus Gründen des Klimaschutzes wirklich unumgänglich?

- Wie lässt sich langfristig die gesellschaftliche Akzeptanz der Milchproduktion sicherstellen? Welche Produktions-Standards sind anzustreben?

- Welche Rolle kommt dem Export zu? Soll Deutschland als wichtiger Player im globalen Wettbewerb mitmischen oder sich auf eine regionale Wertschöpfung beschränken?

Höchste Zeit, dass alle Akteure der Milchbranche gemeinsam diese Fragen unvoreingenommen diskutieren und am Ende zu Lösungen kommen, die es den Milcherzeugern ermöglichen, auch in Zukunft auf den unterschiedlichen Standorten wirtschaftlich zu melken.

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