Wie gelingt es, „frischen Wind“ in bestehende Gebäude, aber auch in die eigene Arbeitsmotivation zu bringen? Diese Fragen beantwortet Andreas Pelzer im Interview.
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Frischer Wind bezieht sich nicht ausschließlich auf Belüftungstechnik. Es geht auch darum, neue Ideen zu generieren.
Mit Motivation und Disziplin lassen sich auf vielen Betrieben noch Dinge verbessern, die ohne großen monetären Aufwand mehr Milchgeld bringen.
Eine Herausforderung sind Jungviehställe. Die Zeit der Vollspaltenböden ist vorbei!
Herr Pelzer, das Motto der Düsser Milchviehtage lautet: „Frischer Wind im Stall“. Geht es dieses Mal schwerpunktmäßig um Belüftungstechnik?
Pelzer: Nein, aber auch. Das Thema Lüftung und Klimatisierung hat in den vergangenen 25 Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen. Die Klimatisierung, bzw. die Luftgeschwindigkeit im Sommer, spielt inzwischen eine fast größere Rolle als der Luftaustausch im Winter. Dennoch geht es bei den Düsser Milchviehtagen um mehr als das.
Was ist der Hintergrund des Mottos?
Pelzer: Wir erleben gerade Zeiten, in denen wir in den Diskussionen über Landwirtschaft deutlich spüren, dass es Veränderungen gibt. Politik und Gesellschaft fordern viel von uns und wir müssen uns darauf einstellen, unsere Produktion an die gewünschten Rahmenbedingungen anzupassen. Sinnbildlich gesprochen: Es wird sich vieles ändern, was wie ein Windzug durch den Stall rauscht. Wir möchten auf der Düsse alle Bereiche abdecken: Von der Zucht über die Haltung, Fütterung, dem Management, digitale Technologien und Automatisierung. Jeder Aussteller hat die Möglichkeit, das Motto auf seine eigene Weise darzustellen.
Ein neuer Kuhstall kommt bei den aktuellen Auflagen, Baukosten und Zinsen wohl für die wenigsten Betriebe infrage. Wie kann es gelingen, frischen Wind in Bestandsgebäude zu bringen?
Pelzer: Das gelingt, in dem die vorhandene Substanz optimiert und Produktionsabläufe verbessert werden. Ich bin sicher, dass noch nicht alle Potenziale und Ressourcen in der Produktionstechnik ausgeschöpft sind. In Zucht und Fütterung läuft es in vielen Betrieben, aber in der Haltungstechnik und auch im Stallmanagement haben wir noch Reserven.
Können Sie ein Beispiel geben?
Pelzer: Mein Lieblingsbeispiel ist das falsch positionierte Nackenrohr. Wenn ich darauf hinweise, kommt meistens die Antwort ‚Ich weiß‘. Ich bin sicher, dass es alleine mit dieser recht einfachen und vor allem kostengünstigen Korrektur mit einem 17er- oder 19er-Schlüssel auf vielen Betrieben möglich ist, mehr Milch zu melken.
Beim Optimieren der Haltung kommen Kälberställe häufig zu kurz. Was müsste sich da ändern? Welche Tipps haben Sie für Kälberställe?
Pelzer: Auch in der Kälberhaltung haben wir Reserven. Häufig geht es schon darum, ausreichend saubere Boxen für die Kälber in den ersten Lebenstagen zu haben. Aber auch für die ersten Wochen gibt es interessante Ansätze, die Kälberhaltung tiergerechter und auch effektiver zu gestalten. Bei den Bullenkälbern sollten wir uns Gedanken machen, welche Tiere wir für die Mast produzieren wollen. Diese Diskussion ist beim Gesamtbetrieblichen Haltungskonzept aufgekommen. Das Ziel ist, die Wertschöpfung für Holsteinkälber zu verbessern. Eine Lösung könnte sein, Kälber nach Kilogramm-Lebendgewicht und nicht nach Stückzahl zu bezahlen.
Generell ist anders denken, auch frischer Wind im Stall. Es ist wichtig, dass wir bei der Vermarktung der Kälber Verantwortung entlang der gesamten Wertschöpfungskette übernehmen. Wir sind auch gefordert, Politik und Gesellschaft zu informieren und zu sensibilisieren, was möglich ist und was nicht. Die muttergebundene Kälberaufzucht ist beispielsweise bislang noch kein Thema, das die Mehrheit in der Praxis umsetzen kann. Es ist aber wichtig, dass Versuchseinrichtungen wie Haus Düsse und Haus Riswick sich mit dem Thema beschäftigen.
Wie lässt sich kostengünstig frischer Wind in den Jungviehbereich bringen?
Pelzer: In der Jungviehaufzucht ist die Zeit des Vollspaltenbodens definitiv vorbei. Es ist aber nicht ganz einfach, das passende System zu finden: Auf Stroh besteht die Gefahr, dass die Klauengesundheit leidet und es keinen Abrieb gibt. Bei Liegeboxen ist es wiederum schwierig, die richtigen Maße zu finden. In der Praxis setzen sich Liegeboxen aber durch. Grundsätzlich gilt, dass diese lieber zu groß als zu klein sein sollten.
Auch die Weide ist eine gute, wenn auch anspruchsvolle Möglichkeit, das Jungvieh aufzuziehen. Landwirte müssen auch dort auf Hygiene achten und vor allem die parasitäre Situation im Blick behalten. Auch auf der Weide gilt: Die Futter- und Wasserversorgung sowie deren Qualität ist das A und O – insbesondere bei tragenden Rindern. Bei Weidegang ist zu bedenken, dass aufgrund des Futterangebots die Zielvorgaben in Bezug auf das Erstkalbealter überdacht werden müssen.
Was raten Sie Betrieben, die ihr Jungvieh noch auf Vollspaltenböden halten?
Pelzer: Ohne deutliche bauliche Veränderungen wird sich das nicht lösen lassen. Dazu müssen Betriebe natürlich erst mal Geld in die Hand nehmen. Aber eine gesunde Jungrinderaufzucht, die gesunde Kühe und damit eine geringere Remontierung zur Folge hat, wird sich auszahlen.
In Haltung und Management schlummern Reserven, die wir mit Motivation, Disziplin und Konsequenz nutzen sollten.“ - Andreas Pelzer
Bringt die Digitalisierung frischen Wind auf die Betriebe?
Pelzer: Definitiv. Digitalisierte und automatisierte Prozesse auf dem Milchkuhbetrieb bergen das Potenzial, dass wir die Arbeit anders erledigen als bisher. Oftmals sind digitale, bzw. automatische Innovationen tier- und umweltgerechter. Ich bin sicher, dass uns in dem Bereich noch viele spannende Lösungen erwarten.
Die Herausforderungen für Milchkuhbetriebe sind groß. Was braucht es, um frischen Wind für die eigene Motivation zu bekommen?
Pelzer: Es braucht ein Ziel und es braucht Passion! Landwirtinnen und Landwirte haben viele Möglichkeiten, ihre Betriebe zu gestalten. Auf vielen Höfen schlummern noch Reserven, wie bspw. falsch eingestellte Nackenrohre oder unkomfortable Liegematten. Das sind Dinge, deren Änderungen mehr Motivation als Geld kosten. Wenn Betriebe lieben, was sie tun und die Dinge, die sie gut können, gut machen, dann wirkt sich das auch positiv auf andere Faktoren aus.