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topplus Stallbau nach US-Vorbild

Wie Familie Köhler die Jungviehaufzucht optimiert hat

Familie Köhler hat ihre Kälber- und Jungviehaufzucht auf den Kopf gestellt. Mit neuen Ställen, frischem Tränkeplan und Konsequenz arbeiten sie an der „perfekten Nachzucht“. Das lohnt sich schon jetzt.

Lesezeit: 7 Minuten

Wenn Lisa Köhler über die Kälberaufzucht auf dem Familienbetrieb spricht, merkt man ihr Passion und Wissen über das Thema unvermittelt an. Während ihre eineinhalb-jährigen Zwillinge stetig um sie herumspringen, redet die Tierärztin konzentriert von Vor- und Nachteilen der Milchpulvertränke, Hygienekonzepten und amerikanischen Bauzeichnungen.

Sie und ihr Mann Johannes haben sich 2022 dazu entschieden, ihre Nachzucht komplett zurück auf den Familienbetrieb zu holen – und dafür in einen neuen Kälberstall für Tiere ab einem Alter von rund zehn Tagen bis zum Absetzen und einen Jungviehstall für die weitere Aufzucht zu bauen. Nach knapp einem Jahr im neuen System sagt sie: „Wir sind voll überzeugt und ich freue mich schon, die ersten Färsen daraus im Melkstand zu haben.“

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„Wir sind beide fest davon überzeugt, dass eine gute Jungviehaufzucht rentabel ist.“
Lisa Köhler

Köhlers melken 150 Holsteinkühe in Ortsrandlage von Reuters-Lauterbach (Hessen). Den Kuhstall hat die Familie aus einem alten Anbindestall umgebaut und zweimal vergrößert. Die Kuhzahl stieg, der Platz für Kälber nicht.

Die Jüngsten waren in einem alten Schweinestall untergebracht. Lisa Köhler sah dort insbesondere den hohen Tierbesatz als Problem. „Ein Stall, der vorher schon nicht optimal war, funktionierte nun immer schlechter. Ich habe irgendwann teilweise täglich bei allen Kälbern Fieber messen müssen“, sagt sie.

Drei Partnerbetriebe zogen dann die Färsen auf. „Auch wenn diese Einsatz gezeigt haben, waren wir mit dem Erstkalbealter von 26 bis 28 Monaten und der Klauengesundheit sehr unzufrieden“, sagt Köhler. Zudem war unsicher, wie lange die Betriebe die Aufzucht altersbedingt noch übernehmen können.

Daher entschied sich das junge Betriebsleiterpaar für eine größere Investition in einen Stallneubau. „Wir sind beide fest davon überzeugt, dass eine gute Jungviehaufzucht rentabel ist“, erklärt Lisa Köhler den Schritt.

Kälberstall nach US-Vorbild

Auf der Suche nach dem passenden Kälberstall für die Gruppenhaltung hat sich das Paar einige Systeme in der Praxis angeschaut. Das Fazit war ernüchternd. „Ich war erschrocken, wie schlecht die Ställe trotz guter Betriebsleiter teilweise funktioniert haben“, sagt Lisa Köhler. Knackpunkte sind für die Tierärztin ein gemeinsamer Luftraum für viele Altersgruppen, zu wenig Platz pro Kalb, fehlende Hygiene­konzepte und kein Rein-Raus-System.

Einen Stall, der genau diese Punkte vereint, fand sie bei einem Vortrag eines US-Milchviehhalters aus Wisconsin: Pete Kappelmann hat einen Stall für die Haltung in festen Gruppen entwickelt. Diesen baute Lisa Köhler mit viel Recherchearbeit nach – bisher ist er wohl einzigartig in Deutschland.

Top Hygiene

In den Stall, der die Form eines „H“ hat, gelangt man über die Zentrale in der Mitte. Die Ordnung im Vorraum fällt direkt ins Auge, auch weil dieser dank Fenster und Lampen sehr hell ist. Hier lagert Lisa Köhler Wechselkleidung, sämtliche Artikel zur Pflege und Behandlung der Tiere und Milchpulver. Große Waschbecken erleichtern die Reinigung von Equipment, ebenso befindet sich hier der zentrale Tank des Tränkeautomaten.

Vom Eingangsbereich aus führen vier Türen auf den Futtertisch der jeweiligen Stallabteile (siehe Bauzeichnung). „Mir ist es wichtig, die Gruppen möglichst getrennt versorgen zu können“, erklärt Köhler. Das fängt schon beim eigenen Besen je Abteil an. Pro Gruppe hält der Betrieb hier, wenn möglich, maximal sieben Kälber ab einem Alter von rund zehn Tagen.

Jedes Kalb hat 6 m² Platz. „Ich glaube daran, dass jeder Quadratzentimeter mehr Platz den Tieren gut tut“, sagt sie. Zudem passt der Tierbesatz auf die Entmistungsintervalle (nach dem Ausstallen) und die Einstreufrequenz (alle zwei Wochen), ohne dass der Ammoniakgehalt über der Matratze zu hoch wird. Denn das fördert Atemwegserkrankungen. Die Tierärztin ergänzt: „Seitdem wir in den neuen Stall gezogen sind, habe ich noch kein Kalb behandeln müssen.“​

Drei Seiten eines Abteils sind mit Curtains zu öffnen. Sind im Winter alle Vorhänge geschlossen, sorgt eine Schlauchlüftung und eine mit Netzen geschlossene Öffnung am Dachfirst für Zuluft ohne Vorerwärmung. Den Luftaustausch garantiert zudem ein weiteres Netz über dem 60 cm hohen Sockel an der Bodenplatte. „Die Lüftungssteuerung wird bald automatisiert, da fehlte bisher das WLAN“, sagt Köhler. Vor Zugluft hat sie dabei keine Angst. „Meiner Meinung ist Zugluft für die Kälber kein Problem, sondern viel eher häufige Temperaturwechsel“, sagt sie.

So viel Milch, wie gefragt

Allein der Stall macht noch keine gesunde Aufzucht. Besonders die Tränke ist ein weiterer Punkt, an dem Lisa Köhler akribisch feilt. Neugeborene kommen zunächst in Kälberboxen im alten Kälberstall unter, der nun deutlich leerer ist. Zur Betriebsroutine gehört eine Spritze mit Vitaminen und Eisen am ersten Tag. Die ersten vier bis fünf Tage erhalten die Kälber muttergebundene Biestmilch, dazu impfen Köhlers in der ersten Lebenswoche intranasal gegen Grippe. Die ersten vier Liter Kolostrum müssen einen Brix-Wert von über 23 haben. Andernfalls werten sie die Milch mit einem Ergänzer auf.

„Ich hab keine guten Erfahrungen damit gemacht, den Kälbern direkt nach der Biestmilch Milchaustauscher zu geben“, sagt Lisa Köhler. Die Akzeptanz und Aufnahme sei geringer. Daher füttert sie noch bis zum circa neunten Tag angesäuerte Vollmilch und gewöhnt die Tiere noch in der Einzelbox an den Milchaustauscher. Erst dann wechselt das Kalb in die Gruppenhaltung im neuen Kälberstall.

Dort erhalten sie Milchaustauschertränke am Automaten. Der Austauscher sollte nach Erfahrungen der Tierärztin nur Proteinquellen tierischer Herkunft enthalten. „Wir füttern ab Tag 1 ad libitum. Die Kälber können den ganzen Tag und auch pro Mahlzeit so viel trinken, wie sie wollen“, erklärt sie. So saufen die Jungtiere oft rund 18 Liter am Tag. „Im Winter hatte ich ein Kalb, das bis zu 25 Liter am Tag abgerufen hat.“

Um die hohen Aufnahmen beim Abtränken nicht zu sehr zu unterbrechen, tränkt sie langsam ab der sechsten Woche herunter und setzt mit 13 bis 14 Wochen ab. Lisa Köhler würde gerne länger tränken, aber dann passt das Rein-Raus-System nicht. „Hier wollen wir uns noch verbessern. Mir gefallen die Kälber beim Übergang weg von der Tränke nicht zu 100 %“, ist sie kritisch. „Ich würde daher gern direkt im Kälberstall schon eine Kälber-TMR einsetzen, die auch im Jungviehstall weiter gefüttert wird“, sagt sie. Da hakt es aber an den Kosten für das Mischen.

Lange in der Kleingruppe

Nach dem Absetzen mit rund 14 Wochen zieht die gesamte Gruppe in den neuen Jungviehstall. Im vorderen Teil sind drei Tiefstreuställe mit je 30 m² Fläche. Im weiteren Stallverlauf folgt der Liegeboxenlaufstall erst als Drei­reiher und dann als Zweireiher. Er lässt sich mit Toren zu fünf Gruppen trennen. Am Stallende sind Trockensteher und hochtragende Färsen untergebracht.

Köhlers haben sich trotz höherer Kosten für Vollspalten mit Spaltenroboter entschieden, um die Klauengesundheit zu verbessern. Zudem gibt es Zugänge zu einem Laufhof und keine Sackgassen. Der ganze Stall ließe sich zum Kuhstall mit Melkroboter umbauen. „Da haben wir an die nächste Generation gedacht. Wir machen das ganz sicher nicht mehr“, sagt Köhler.

Für die Kälber führt sich auch hier das Prinzip von festen Gruppen fort: „Eine gute Aufzucht darf nicht nach dem Abtränken aufhören“, ist Lisa Köhler überzeugt. Die Absetzer stehen daher im Jungviehstall bis zum Alter von rund sechs Monaten in ihrer Gruppe im Strohbereich. Im siebten Lebensmonat wechseln diese in gleicher Zusammenstellung für einen weiteren Monat in den ersten kleinen Liegeboxenbereich mit acht Boxen. Erst dann werden die Gruppen größer.

Köhlers haben viel in die Aufzucht des Jungviehs investiert – das hat sich gelohnt: Sie erreichen bei den Kälbern rund 1.000 g Tageszunahmen in der Aufzucht. Insgesamt rechnen sie bei 120 kg Milchpulver pro Kalb mit Kosten von 300 € für das Tränken. „Dafür sind die Tierbehandlungskosten deutlich gesunken“, sagt Lisa Köhler.

Die hohen Zunahmen und die hochwertige Aufzucht sollen zudem ein Erstkalbe­alter von rund 24 Monaten ermöglichen und im Kuhstall für we­niger Klauenprobleme und eine längere Nutzungsdauer sorgen. „Außerdem macht die Arbeit in den Ställen einfach Spaß.“

Ihr Meinung ist gefragt!

Wie finden Sie den neuen Stallbauansatz? Haben Sie selbst gerade in die eigene Jungviehaufzucht investiert oder haben Sie die Aufzucht ausgelagert? Schreiben Sie mir ihre Meinung und Gedanken gerne an julia.hufelschulte@topagrar.com
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