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ASP-Bekämpfung: Das muss sich dringend ändern

Die Seuchenbekämpfung im Emsland lief wie im Lehrbuch. Bei der Vermarktung der Schweine aus den Restriktionsgebieten hakte es jedoch gewaltig. Zeit für eine kritische Bestandsaufnahme.

Lesezeit: 7 Minuten

Die gute Nachricht vorweg: Nach dem Auslaufen der durch die Afrikanische Schweinepest (ASP) ausgelösten Handelsrestriktionen entspannte sich die Lage in der ehemaligen Überwachungszone ab dem 5. Oktober vergleichsweise flott. Dank guter Vorplanung der örtlichen Erzeugergemeinschaften und Vermarkter konnten die 60.000 in den Mastställen angestauten, überschweren Schweine innerhalb von drei Wochen verkauft werden.

Die schwersten Tiere wurden lebend nach Polen und Italien exportiert – hier vor allem zur Schinkenproduktion. Bis etwa 160 kg Lebendgewicht konnten die Tiere größtenteils normal geschlachtet werden. Schwerere Tiere gingen an spezielle Sauenschlachthöfe. Allerdings gab es wegen der Übergewichte erhebliche Preisabzüge von etwa 30 ct/kg SG.

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Fest steht, dass der ASP-Ausbruch bei Hausschweinen im Emsland unerwartet kam, die Akteure vor Ort aber nicht unvorbereitet traf. Denn seit Jahren hatten sich Veterinärbehörden, landwirtschaftliche Organisationen und Schlachthöfe auf den „Tag X“ vorbereitet. Es gab ausgearbeitete Notfallhandbücher, und es hatten mehrere Krisenübungen stattgefunden.

Perfekte Seuchenbekämpfung

Das zahlte sich aus, als der Seuchenfall tatsächlich eintrat. Die ASP-Bekämpfung vor Ort lief ab wie im Lehrbuch. Die Vertreter der Landwirtschaft, der Veterinärbehörden vor Ort und des Landwirtschaftsministeriums in Hannover arbeiteten Hand in Hand.

Innerhalb kürzester Zeit wurde der Ausbruchbetrieb tierschutzgerecht gekeult, mögliche Kontaktbetriebe wurden ermittelt und alle Schweine hal­tenden Betriebe im 10 km-Radius der Überwachungszone klinisch sowie stichprobenartig über Blutproben auf das Vorhandensein des ASP-Virus untersucht. Dabei ergab sich kein Hinweis auf eine Virusverschleppung.

Ziel der umfangreichen Untersuchungen war, die in der EU-Verordnung 2020/687 definierte 90-tägige Sperrfrist in der Überwachungszone möglichst auf 60 Tage zu verkürzen. Doch daraus wurde nichts. Brüssel beharrte auf der 90 Tage-Frist, wodurch sich die Probleme in den Ställen von Tag zu Tag vergrößerten.

Denn im Gegensatz zur perfekt durchorganisierten Seuchenbekämpfung erwies sich die Schlachtung und Vermarktung der täglich schwerer wer­denden Mastschweine während der Handelssperre als Katastrophe.

Rein theoretisch dürfen schlachtreife Schweine aus ASP-Überwachungszonen zwar mit Ausnahmegenehmigung und nach vorheriger Untersuchung transportiert, geschlachtet und verarbeitet werden. Aber es erklärten sich trotz intensiver Bemühungen des Landwirtschaftsministeriums in Hannover weder Schlachter noch Verarbeiter oder Lebensmittelhändler bereit, diese Tiere bzw. deren Fleisch abzunehmen.

Einige Schlachtunternehmen fürchteten, für den jeweiligen Schlachthof die begehrten Exportlizenzen für Schweinefleisch in Drittländer zu verlieren. Anderen war der Aufwand für die gesonderte Erfassung, Schlachtung und Verarbeitung zu groß.

Für Schweine aus der Überwachungszone gab es keinen Cent.

Es zeigte sich aber auch, dass es für die Weiterverarbeitung des Fleisches kaum Interessenten gab. Denn die Schlachthälften müssen mit einem Kreuzinnenstempel gekennzeichnet und das Fleisch vor dem Inverkehrbringen bei 80 °C hitzebehandelt werden. Für dieses Dosenfleisch gibt es aber so gut wie keine Nachfrage. Und Kochschinken würde bei 80 °C zerkocht.

Fleischverarbeiter und Lebensmittelketten fürchteten zudem um ihr Image, wenn herauskäme, dass sie Fleisch aus ASP-Restriktionsgebieten verarbeiten bzw. verkaufen. Selbst die Bundeswehr und öffentliche Tafeln winkten dankend ab, als die damalige niedersächsische Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast verzweifelt nach Abnehmern für das Fleisch suchte.

Unter dem Strich konnten während der 90-tägigen Sperrfrist daher gerade mal rund 17.000 Schweine aus der Überwachungszone geschlachtet werden, die meisten davon bei Manten in Geldern. Von Vermarktung kann jedoch keine Rede sein, denn die Mäster erhielten für ihre Tiere keinen Cent! Im Gegenteil, sie mussten sogar noch den Transport zum Schlachthof bezahlen!

Nicht zu Ende gedacht

Das ASP-Geschehen im Emsland hat einmal mehr vor Augen geführt, dass man in Brüssel die Bekämpfungsmaßnahmen nicht zu Ende gedacht hat. Niemand hat überlegt, was mit den völlig gesunden, doppelt untersuchten und garantiert ASP-freien Schweinen aus Überwachungs- bzw. Sperrzonen  III passieren soll. Auch in sämtlichen Krisenhandbüchern gibt es keine verbindlichen Abnahmeregelungen, nur mündliche Zusagen – an die sich später aber kaum jemand gehalten hat.

Damit sich das beim nächsten ASP-Ausbruch nicht wiederholt, hat die Agrarministekonferenz im September den Bund aufgefordert, er möge prüfen, ob man künftig in Absprache mit der Wirtschaft bereits im Vorfeld Schlachtunternehmen und Verarbeiter verbindlich verpflichten kann, Schweine aus ASP-Restriktionszonen abzunehmen. Branchenkenner zweifeln allerdings, dass sich die Wirtschaft darauf einlässt.

Über 15 Mio. € Schaden

Ausbaden müssen es am Ende die Schweinehalter in den ASP-Restriktions­gebieten. Der einzelbetriebliche Schaden beträgt nach Schätzungen des ­Emsländischen Landvolks je nach Betriebsgröße bis zu 500 000 €! Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) geht von einem Gesamtschaden von 15 Mio. € aus.

EU-Vorgaben überarbeiten!

Damit sich ein derartiges Vermarktungsdesaster nicht wiederholt, haben die Interessenverbände der fleischerzeugenden Kette einen Forderungskatalog aufgestellt, der vor allem an die Adresse des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) gerichtet ist:

Vermarktung ermöglichen: Für die Produkte von Schweinen aus Überwachungs- und Sperrzonen  III müssen dringend Vermarktungsmöglichkeiten geschaffen werden. Die Verbände fordern das BMEL auf, eine gesonderte Kennzeichnung für Schweinehälften aus diesen Restriktionsgebieten einzuführen. Denn der derzeit vorgeschriebene Kreuzinnenstempel und die damit verbundene Hitzebehandlung bei 80 °C lassen kaum Vermarktungsmöglichkeiten für dieses Fleisch zu.

Sperrfristen verkürzen: Das BMEL wird zudem aufgefordert, sich mit der EU-Kommission über Kriterien zur Verkürzung der Sperrfristen zu verständigen. Wenn in einer Schutz- oder Überwachungszone innerhalb der ersten 30 Tage keine weiteren ASP-Ausbrüche bei Hausschweinen registriert werden, sollten die Fristen verkürzt oder die Restriktionsgebiete verkleinert werden.

Nur auf 70 °C erhitzen: Das BMEL müsse die EU-Kommission auffordern, die Verordnung (EU) 2020/687 zu überarbeiten. Denn nach Aussage des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) reicht es aus, das Fleisch 30 Minuten lang bei 67 bis 70 °C zu behandeln. Das würde die Verarbeitungs- und Vermarktungschancen deutlich vergrößern.

Staatliches Aufkaufprogramm: Sollte sich die Vermarktung kurzfristig nicht verbessern lassen, müssten Bund und Länder über ein staatliches Aufkaufprogramm dafür sorgen, dass die Schweine aus Überwachungszonen oder Sperrzonen III geschlachtet und dann auf Kosten des Bundes bzw. der Länder eingelagert werden.

Schweinehalter entschädigen: Die durch die ASP-Sperren ohne eigenes Verschulden in finanzielle Not geratenen Schweinehalter müssen für die Mehrkosten (Futter, Transport) und Mindererlöse bei der Vermarktung ihrer Tiere entschädigt werden. Hier sei der Staat in der Pflicht.

Hilfe aus Hannover?

Finanzielle Hilfe zugesagt hat bisher nur die bisherige Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast. Ob die von ihr geplante Beihilfe von der am 9. Oktober neu gewählten, vermutlich rot-grünen Landesregierung tatsächlich gewährt wird, bleibt aber abzuwarten.

Vom Bund jedenfalls scheinen die Schweinehalter wenig erwarten zu ­dürfen. Die ISN hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zwar wiederholt aufgefordert, dem Beispiel Italiens zu folgen, wo für die pestgebeutelten Schweinehalter ein 25 Mio. €- schwerer Entschädigungsfonds eingerichtet wurde.

Minister Özdemir hat sich bei diesem Thema aber – ebenso wie seine Amtsvorgängerin Julia Klöckner – bisher immer weggeduckt. Alle Anfragen wurden mit dem Hinweis abgebügelt, dass für die Auflagen in den ASP-Sperrgebieten die EU zuständig sei und für die ASP-Bekämpfung vor Ort einzig und allein die Bundesländer.

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KOMMENTAR

Strukturpolitik durch die Hintertür?

Diesmal hatte die Branche noch Glück, denn es handelte sich bei dem ASP-Ausbruch im Emsland „nur“ um einen einzelnen Punkteintrag. Außerdem klappte die Zusammenarbeit zwischen landwirtschaftlichen Organisationen und Veterinärbehörden vor Ort vorbildlich.

Dennoch liegt der finanzielle Schaden, den die betroffenen Schweinehalter sowie die vor- und nachgelagerte Branche ausbaden müssen, im zweistelligen Millionenbereich! Viele Betriebe stehen wirtschaftlich vor dem Aus. Nicht auszudenken, was passiert, wenn das Virus in mehreren Betrieben gefunden, eine Kernzone  III ausgewiesen würde und sich die Vermarktungssperren über zwölf Monate hinziehen könnten!

Das Kernproblem ist die Vermarktung der Schweine aus den Restriktionszonen. Hier ist der Bund in der Pflicht, ­gemeinsam mit der EU verbindliche ­Lösungen zu erarbeiten und die unverschuldet in finanzielle Not geratenen Schweinehalter in den Restriktionszonen angemessen zu entschädigen. Denn die Marktbeteiligten allein können oder wollen es nicht regeln.

Es ist schwer zu ertragen, wie sich Landwirtschaftsminister Özdemir mit dem Verweis, nicht zuständig zu sein, hier immer wieder aus der Verantwortung stiehlt. Oder unternimmt er bewusst nichts, weil sich durch sein Nichtstun das politische Kernanliegen der Grünen, den Schweinebestand zu reduzieren, ganz von allein erfüllt?

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