Unsere Autoren: Helmut Döhler und Hans Koch, DöhlerAgra. Dieser Ratgeber ist erstmals 2022 erschienen.
Nicht erst seit der Flutkatastrophe in der Region Ahr-Erft rücken Starkniederschläge mit Überflutungen von Siedlungen in die Schlagzeilen. Bereits in den letzten beiden Jahrzehnten werden in diversen Hügellandschaften Deutschlands zunehmend Überflutungen von Dörfern und Städten in bisher nicht bekanntem Ausmaß registriert.
In Süddeutschland waren z.B. besonders das niederbayerische Simbach und die mittelfränkischen Orte Braunsbach und Obernzenn betroffen. Niemand bezweifelt mehr, dass dies eine Folge des Klimawandels ist.
Die Agrarberatung Döhler betreut im Rahmen der Initiative „boden:ständig“ des bayerischen Landwirtschaftsministeriums mehrere nordbayerische Regionen mit dem Ziel, die Effekte solcher Starkregenereignisse bereits in der Agrar(-Kultur)Landschaft auszubremsen.
Wo liegen die Ursachen?
Bei der Ursachenanalyse für Überflutungen und Verschlammungen von Siedlungen spielt der Klimawandel zwar eine entscheidende, aber nicht die alles entscheidende Rolle. Zunächst sind es Starkregenereignisse, die vordergründig die Probleme verursachen: das können sehr kurze Starkregen mit hoher Intensität mit 30 bis 50 l/m2 und Stunde sein, aber auch lang anhaltende, sich über einen oder mehrere Tage hinziehende Niederschläge.
Verstärkend auf den Oberflächenabfluss wirkt sich dann eine weitere Folge des Klimawandels aus: die langen Hitze- und Trockenperioden. Diese haben sich zuerst mit Hitzeschäden an Getreide- und Futterpflanzen gezeigt. Immer mehr sind Hitzeeffekte aber auch direkt auf dem Boden wahrnehmbar. Denn nicht oder halb bewachsene Böden können an der Oberfläche bereits im Frühjahr Temperaturen von 40 bis 50°C erreichen. Das beschleunigt die Austrocknung. In der Folge kommt es zur Benetzungshemmung der Böden (siehe top agrar 11/2021) und instabilen Bodenaggregaten.
Böden mit Benetzungshemmung stoßen das Niederschlagswasser ab. So kann sich innerhalb von wenigen Sekunden ein Oberflächenabflussgerinne bilden, das kurze Zeit später zu einem Erosionsgraben mit einer Schlammlawine werden kann.
Neben den Klimawandeleffekten spielen auch die Geologie und die Bewirtschaftung eine Rolle. Die Böden in den mittelfränkischen Beratungsgebieten entstammen überwiegend der geologischen Muschelkalk- und Keuperzeit. Dabei handelt es sich häufig um kalk- und magnesiumreiche Gesteine, die zu schluffreichen, seltener zu tonreichen Böden verwittern.
Oft sind diese Böden von Lössschichten überdeckt, womit insgesamt eine hohe Erosionsanfälligkeit gegeben ist. Diese wird noch verstärkt durch die hohen Mg-Ionen-Gehalte der Böden, welche das Calzium von den Tonaustauscherplätzen verdrängen und im Gegensatz zu den Calziumionen keine stabilisierende Wirkung auf die Bodenstruktur haben, sondern im Gegenteil die Verschlämmungsneigung bei feuchten Bedingungen befördern. Aufgrund der physikalischen Ladung „täuscht“ der hohe Magnesiumgehalt bei der Bodenuntersuchung eine hohe Kalkversorgung vor.
Nicht zuletzt bewirkt natürlich auch die aktuelle Bewirtschaftung eine Verstärkung der Abfluss- und Bodenerosionsneigung. Sommerungsanteile mit 30% und mehr in der Fruchtfolge befördern den Bodenabtrag, ebenso schwere Maschinen, häufige Überfahrten, das Einpflügen bzw. Tiefmischen von Pflanzenresten und Zwischenfrüchten sowie die intensive Saatbettbereitung für Mais und Zuckerrüben (reiner Tisch). Während noch vor Jahrzehnten der reine Tisch nur vereinzelt zu Erosionshavarien geführt hat, verschärfen die Auswirkungen des Klimawandels die Erosionsproblematik derart, dass Änderungen im Bewirtschaftungsmanagement unausweichlich sind. Denn die Böden laufen uns bereits bei mäßigem Gewitterregen buchstäblich davon.
Mit Bewirtschaftungsmaßnahmen gegensteuern
Die Beratungsarbeit in diesen erosionsgefährdeten Gebieten konzentriert sich demnach auf die Verbesserung der Regenverdaulichkeit der Böden. Dazu stehen Änderungen bei der Bodenbearbeitung und der Bestellung sowie dem Nacherntemanagement durch die Etablierung von geeigneten Zwischenfrüchten im Mittelpunkt.
Weil viele Beratungsgebiete in Trockenregionen mit ungünstiger Niederschlagsverteilung (hoch im Winter-, niedrig im Sommerhalbjahr) liegen, sind Zwischenfrüchte bei den Landwirten nicht sehr beliebt, da diese aufgrund längerer Trockenheiten im Sommer schlecht auflaufen und im Ruf stehen, wertvolles Wasser aus dem Boden zu ziehen, das den Folgekulturen fehlt.
Die bisherigen Erfahrungen zeigen aber, dass der Aufgang kein Problem darstellt. Nach der Getreideernte wird in der Regel gegrubbert und Stroh eingemischt. Das holt die Restfeuchte des Bodens nach oben, die das Keimen der Zwischenfrüchte unterstützt. Wichtig ist eine präzise Saat mit Sätechnik. Es gilt der Leitspruch: Saatgut wird gesät und nicht gestreut. Präzise abgelegtes Saatgut läuft ordentlich auf und erreicht eine gute Bestandesdichte. Wenn nötig, empfiehlt es sich, die Saat mit der Walze anzudrücken.
Gesät wird so früh wie möglich nach der Ernte, da mindestens acht Wochen Wachstumszeit zur Verfügung stehen sollten, um eine ausreichende Pflanzenmasse etablieren zu können. Zur Aussaat kommen Vielartenmischungen, bestehend aus Feinsaaten und Grobsaaten mit einer Saatstärke von ca 500 Kö./m2. So erreicht man eine intensive Durchwurzelung und eine vollständige Beschattung des Bodens, die wiederum sehr wirksam vor Verdunstung des Bodenwassers (Evaporation) schützt.
Ziel ist, eine verbesserte Regenverdaulichkeit der Böden zu erreichen
Die gleichzeitige Wasserverdunstung über die Pflanzen bewirkt zusammen mit der Beschattung einen Kühlungseffekt an der Bodenoberfläche, der sich wiederum positiv auf die Befeuchtung der Bodenoberfläche, die Strukturstabilität und Infiltrationsfähigkeit auswirkt.
Der Verdrängung von Kalziumionen durch bodenbürtiges Magnesium an den Bodenaustauschern wird durch gezielte Kalkungmaßnahmen begegnet. Hierzu werden 0,5 bis 1 t gekörnter Branntkalk ausgebracht, gegebenenfalls wird diese Maßnahme mehrere Jahre hintereinander wiederholt.
Mulchauflage ist das A & O
In Verbindung mit dem konsequenten Anbau von Zwischenfrüchten gehen auch Änderungen bei der Bestellung einher. Im Einzelnen bedeutet dies weitgehender Pflugverzicht, und besonders den Verzicht auf rotierende Bodenbearbeitung. Das Ziel ist es, die durch Zwischenfrüchte und organische Masse erreichte Stabilisierung der Bodenaggregate nicht wieder zu zerstören. Nach der Ernte im Herbst werden Ernterückstände ggf. gleichmäßig verteilt und mit Tief- oder Flachgrubber eingemischt. Dann folgt die Zwischenfruchtsaat. Es ist ratsam, diese vor Winter zu walzen. Denn dies stört die Leitungsbahnen der Pflanzen und sie frieren auch bei leichten Frösten besser ab.
Vor der Maissaat im Frühjahr erfolgt in der Regel eine Bearbeitung mit einem Flachgrubber, der ein eher brockiges Saatbett und eine vollständige Mulchdecke aus der Zwischenfruchtpflanzenmasse hinterlässt. Dies bremst effizient die kinetische Energie von Starkniederschlägen, verhindert Verschlämmung und erhöht die Wasserinfiltration.
Gülle- und Gärrestdüngung erfolgt bei möglichst kühler Witterung oder mit Schlitztechnik. Die Maisaussaat wird dann mit Streifen- oder Doppelscheibensäsystemen vorgenommen.
Beispielregion Obernzenn
Das Beratungsgebiet in der mittelfränkischen Gemeinde Obernzenn befindet sich zwischen den Städten Nürnberg und Rothenburg ob der Tauber. Insgesamt handelt es sich um eine Landfläche von etwa 35 km². Die Gemeinde Obernzenn wurde nach dem lokalen Starkregen 2016 innerhalb weniger Minuten mit Wasser- und Schlammmassen überflutet. Es traten auch massive Oberflächenabflüsse im Wald und im Grünland auf.
In dem Gebiet wirtschaften etwa 50 Landwirte, wenige Vollerwerbsbetriebe mit Tierhaltung und mehrere Biogasanlagen. Die Böden sind aus Ablagerungen des Keuper entstanden und überwiegend schluffig, sandig-schluffig und schluffig-tonig – demnach sehr erosionsgefährdet.
Im Rahmen der Beratungsarbeit wurden Konzepte für Abflussbremsen und Rückhaltungen entwickelt. Der bedeutende Schwerpunkt liegt aber auf der Ackerbewirtschaftung hin zu konservierenden Bestellverfahren, Mulchwirtschaft und einer Bodenbedeckungsstrategie mithilfe von Zwischenfrüchten und Untersaaten. Hierfür arbeiten die Landwirte mit einer eigens aus 18 Arten zusammengestellten „Zenngrund-Zwischenfruchtmischung“. Leitkulturen sind Ackerbohne, Erdklee, Ölrettich, Sommerwicke, Alexandrinerklee, Perserklee, Phacelia sowie Öllein und Leindotter.
Die Mischung orientiert sich am Klima und an der vorherrschenden Bewirtschaftung. Häufig treten Frühjahrs- und Sommertrockenheiten auf. Vorherrschende Kulturen sind Mais für die Biogasnutzung sowie viel Wintergetreide. Raps wird verhältnismäßig wenig kultiviert. Gefragt sind daher Arten mit Trockenheitsverträglichkeit, geringen Nährstoffansprüchen, Mulcheffekt, N-Sammlung, ggf. P-Mobilisierung, schneller Biomassebildung im oberen Wurzelraum und Tiefgang mit Pfahlwurzeln.
Mittlerweile bestellen die Landwirte im Beratungsgebiet zwei Drittel der Hackfruchtfläche nach diesem Konzept. Die Arbeit erfolgt über Einzelberatung und zunehmend über Gruppenberatung, u.a. mit Hilfe von Demonstrationsfeldtagen.
Die Initiative boden:ständig
Die zunehmenden Starkregenereignisse in Bayern haben zur Gründung der Initiative „boden:ständig“ geführt, die vom bayerischen Staatsministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert wird. Ziel der Initiative ist der Erhalt der knappen Ressource landwirtschaftliche Nutzfläche. Im Speziellen gilt es, den Bodenabtrag und die Gewässerbelastung durch Oberflächenabflüsse zu mindern. Dazu werden einerseits Maßnahmen zur abflussbremsenden Flurgestaltung vorgenommen, zum anderen setzen die Landwirte Maßnahmen zur erosionsmindernden Bewirtschaftung um.
Unterstützt werden Kommunen und Landwirte durch die Ämter für ländliche Entwicklung und durch die jeweils beauftragten Planungs- und Beratungsbüros. Interessierte Kommunen melden den Bedarf bei den jeweiligen Ämtern an, die dann die Koordination und Beratung organisieren sowie ingenieurökologische Maßnahmen begleiten und fördern.