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Holz sinnvoll verwerten

Energie aus Käferholz: Welche Optionen gibt es?

In Deutschland gibt es immer noch Millionen Festmeter von Schadholz. Daraus ergeben sich interessante Optionen für Waldbesitzer oder Energieerzeuger. Wir stellen die Alternativen vor.

Lesezeit: 9 Minuten

Es ist eine noch nie dageweseneSituation auf dem Holzmarkt: Auf der einen Seite ist Schnittholz extrem knapp und teuer, weil es weltweit einen Bauboom gibt und Sägewerke seit Monaten große Mengen exportieren. Dagegen türmt sich in vielen Lagern Fichtenholz, das vomBorkenkäferbefallen ist.

Nach drei trockenen Sommern von 2018 bis 2020 hat sich der Schädling extrem stark ausgebreitet. Im vergangenen Jahr stammten nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes drei Viertel (75 %) des eingeschlagenen Holzes (80,4 Mio. m3) von geschädigten Bäumen. Im Jahr 2015 lag der Anteil noch bei 23 %. Von den insgesamt rund 60,1 Mio. m3 Schadholzeinschlag gingen knapp 43,3 Mio. m3 auf Insektenschäden zurück. Das war fast 13-Mal so viel wie im Jahr 2015. Der Anteil von Sturmholz ging dagegen stark zurück.

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99 % des durch Insektenbefall verursachten Schadholzeinschlags entfiel auf Nadelbäume wie Fichten, Tannen oder Kiefern. „Dazu gibt es weitere Schäden, z.B. durch Eschentriebsterben, den asiatischen Laubholzbock oder Schneebruch“, zählt Forstwirt Sebastian Henghuber von der MW Biomasse AG aus Irschenberg (Bayern) auf.

Unterm Strich fällt derzeit also außergewöhnlich viel Holz an, das verwertet werden muss. Da es nur bedingt als Bau- oder Schnittholz geeignet ist, bietet sich die Energieerzeugung an. Hier sind neue Absatzwege gefragt –auch längerfristig. „Neben Schadholz werden wir auch beim normalen Einschlag künftig mehr Energieholz ernten. Denn beim fortschreitenden Waldumbau in Richtung Laubholz fallen mehr Energieholzsortimente an als beim Nadelholz“, sagt Henghuber.

Bei der Energieerzeugung ist das Heizen der Klassiker. Daneben diskutieren Branchenvertreter auch die Verbrennung von Holz in Kohlekraftwerken. Zudem gibt es die Idee, Kraftstoff zu erzeugen. Im Folgenden stellen wir Beispiele für diese drei Energieformen vor.

Heizwerke als Abnehmer

Die Wärmeerzeugung ist ein wichtiger Absatzmarkt für Rest- oder Schadholz. Wenn Waldbesitzer gemeinsam ein Heizwerk betreiben und dem Kunden nicht Holz, sondern Wärme verkaufen, steigt die Wertschöpfung. Außerdem bleibt der Wärmepreis etwa gleich, während Holzpreise stark schwanken können.

Der im Jahr 2006 als „MW Biomasse AG“ gegründete Zusammenschluss von drei Maschinenringen und drei Waldbesitzervereinigungen im Südosten von München vereinigt ca. 15000 Waldbesitzer mit zusammen knapp 100.000 ha Wald. „Wir handeln Hackschnitzel nur, wenn wir zu viel haben“, sagt Henghuber. Das Hauptgeschäftsfeld ist das Wärmecontracting. Die AG betreibt mittlerweile 30 Heizwerke, die zusammen im Jahr etwa 4 Mio. l Heizöl ersetzen.

Die MW Biomasse AG macht meist auf Anfrage der Kommunen eine Grobanaylse zur Machbarkeit einer Nahwärmeversorgung. Diese ist kostenlos. Fällt diese positiv aus und will der Auftraggeber mehr wissen, folgt eine detaillierte, kostenpflichtige Studie. Dabei berücksichtigen die Planer u.a. die Wärmebelegungsdichte oder die Leitungslänge. Am Ende ermitteln sie einen Wärmepreis.

„Wir wehren uns gegen einen direkten Vergleich mit dem Ölpreis, sondern werben damit, dass wir faire Preise über 10 bis 25 Jahre mit hoher Wertschöpfung und Arbeitsplätzen vor Ort bieten“, erklärt er. Die AG betreibt nach dem Bau das Heizwerk mit dem Nahwärmenetz. Meist ist ein Landwirt Betriebsleiter vor Ort.

Dank des Zusammenschlusses können Waldbesitzervereinigungen im Sommer große Lagerplätze für Hackschnitzel vorhalten, um das Holz aus den Beständen zu holen un den Borkenkäfer unschädlich zu machen. Genauso lassen sich Hackschnitzelherstellung, Brennstofflogistik und Nahwärmevermarktung besser organisieren.

Für das Wärmecontracting ist laut Henghuber auch eine Spezialisierung wichtig. Zudem ist es kapitalintensiv, da der Zusammenschluss Eigenmittel für den Bau von Nahwärmeleitung und Heizwerk bereitstellen muss. Auch das ist mit einer größeren Anzahl von Beteiligten einfacher.

Was hat der Waldbesitzer von diesem Absatzweg? „Wir zahlen für Wipfelholz so viel, dass wenigstens das Herausrücken aus dem Wald gedeckt ist“, sagt Henghuber. Für Industrieholz zahlt die AG mehr als die holzverarbeitende Industrie, will aber konkrete Preise derzeit nicht nennen.

Der Strommarkt

Eine andere Möglichkeit bietet der Strommarkt. Einige Betreiber von Kohlekraftwerken wollen Holz als Brennstoff zur Stromerzeugung nutzen. Ein Beispiel ist das 2015 in Betrieb gegangene Steinkohlekraftwerk in Wilhelmshaven, das der amerikanische Betreiber Onyx Power im Rahmen des Kohleausstiegs auf Biomasse umrüsten will.

„Energie kann in umgerüsteten konventionellen Kraftwerken aus Schad- und Restholz, Altholz oder Klärschlamm gewonnen werden“, heißt es auf der Internetseite des Unternehmens. Die Pläne stoßen auf Zustimmung der niedersächsischen Landesregierung. So will sich Umweltminister Olaf Lies „für die intelligente und nachhaltige Nachnutzung bestehender Kraftwerksstandorte“ einsetzen.

Genauso sieht es das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi): Laut Spiegel prüft das Ministerium, wie die Umstellung bestehender Kohlekraftwerke auf „hocheffiziente und flexible Gas- oder Biomasseverstromung“ unterstützt werden könne.

Schon 2011 hatte eine Studie der Deutschen Energieagentur (dena) ergeben, dass dieser Weg sinnvoll wäre: Die direkte Substitution von Kohle durch holzartige Biomasse hätte ein hohes Treibhausgasvermeidungspotenzial.

Die Mitverbrennung holzartiger Biomasse in Kohlekraftwerken ist laut dena eine gute Möglichkeit, den Anteil erneuerbarer Energien wie Wind- und Solarenergie im Energiesystem zu erhöhen und gleichzeitig gesicherte Kraftwerksleistung und wichtige Systemdienstleistungen (u.a. Frequenz- und Spannungshaltung) bereitzustellen.

Bestehende Steinkohlekraftwerke könnten innerhalb kürzester Zeit auf Biomasseverbrennung umgerüstet und pro 1 GW mindestens 3 Mio. t CO2 gegenüber der Verbrennung fossiler Energieträger einsparen, bestätigt das Forum für Nachhaltige Holzenergie. Nach Ansicht der Freien Wähler in Bayern sei die Mitverbrennung von Schadholz dringend erforderlich, weil sich die Forstwirtschaft in einer der größten Krisen der letzten Jahrzehnte befinde, heißt es in einem Dringlichkeitsantrag der Fraktion vom Mai 2020, dem der Bayerische Landtag zugestimmt hat.

Wegen fehlender Liquidität und mangelhaftem Holzabsatzes würden mittlerweile notwendige und gesetzlich vorgeschriebene Aufarbeitungen von Schadholz und anderen Waldschutzarbeiten zum Erhalt der Wälder oftmals unterlassen.

Freie Wähler und CSU argumentieren, dass man bis zu 10 % Holz in Form von Hackschnitzeln und sogar bis zu 50 % in Form von Pellets in einem Kohlekraftwerk mit verfeuern könnte, ohne dass ein Umbau des Kraftwerks nötig sei. Erst bei Anteilen über 50 % wären Umbaukosten in Höhe von 140 Mio. € pro Kraftwerk fällig.

Kritik an den Plänen

Die Pläne stoßen vor allem bei Naturschutzverbänden auf massive Kritik „Die Regierungskoalition bedient die eigenwirtschaftlichen Interessen der Forstunternehmer und der Kohlekraftwerkslobby, die viel Holz aus dem Wald holen und in den Kohlekraftwerken verbrennen lassen wollen“, heißt es in einer Pressemitteilung vom Bund Naturschutz aus Bayern. Mit diesem „Greenwashing“ versuchten die Kohlekraftwerksbetreiber, ihren ramponierten Ruf mit dem nachwachsenden Rohstoff aufzubessern.

„Eine Verbrennung von Schadholz ist nur dann akzeptabel sein, wenn bestehende Kraftwerkskapazitäten die Abwärme nutzen“, ergänzt Harald Ebner, Sprecher für Waldpolitik bei der Bundestagsfraktion der Grünen. Zudem befürchten Kritiker, dass für den Betrieb der Kraftwerke vor allem Holz aus Übersee importiert wird.

Auch eine aktuelle Studie des Fraunhofer Instituts für Angewandte Informationstechnik (FIT) im Auftrag des Naturschutzbundes (Nabu) kommt zum Schluss: Gerade aus Klimaschutzgründen sei die Mitverbrennung abzulehnen, weil Holz wegen des geringeren Energieinhalts pro Energieeinheit sogar mehr CO2 ausstoße als Kohle.

Die Autoren haben in der Studie allerdings nicht die Verwertung von Schadholz betrachtet, sondern allgemein Waldholz: Obgleich durch die Aufforstung von neuem Baumbestand die Emissionen wieder gebunden werden könnten, führe die Holzverbrennung aufgrund der geringen Wachstumsraten von Holz zusammen mit dessen niedriger Energiedichte zu einem Anstieg atmosphärischer CO2-Konzentrationen, selbst wenn durch die Holzverfeuerung fossile Brennstoffe ersetzt würden.

Zudem würden durch die Abholzung wichtige CO2-Senken zerstört. Zur Stromerzeugung durch Holzverfeuerung müssten bereits zum heutigen Zeitpunkt große Mengen an Holz importiert werden. Allerdings könne die Nutzung der Holzverfeuerung in bestimmten Fällen sinnvoll sein. Lässt sich z.B. mit dem Holzeinsatz teurer Netzausbau reduzieren, wäre die Holzverfeuerung punktuell eine geeignete Flexibilitätsoption.

Heizkraftwerke als Chance?

Eine weniger kritische Alternative scheint die Verwertung von nicht benötigtem Schadholz in Großfeuerungsanlagen zu sein. Kommunale Biomassekraftwerke mit mehreren Megawatt Kapazität seien ausgelegt auf die Versorgung mit derartigen Holzabfällen mit hohen Wasser- und Ascheanteilen, erklärt die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW).

Die Kraftwerke liefern Ökostrom und gewinnen über moderne Anlagen Wärme aus dem Rauchgas zurück. Kleinere Biomassefeuerungsanlagen und Holzgas-Anlagen unterhalb von einem Megawatt benötigten dagegen qualitativ hochwertigere Brennstoffe, vorzugsweise zertifizierte Hackschnitzel oder Pellets.

Doch auch diese Art der Energieerzeugung ist nicht unumstritten. So kippte im Mai 2021 eine Bürgerinitiative per Bürgerentscheid den Bau eines 11 MW-Holzkraftwerks im bayerischen Kösching, welches das Audiwerk in Ingolstadt mit Wärme und Strom versorgen sollte. Die Bürger sorgten sich vor allem um die Luftqualität. „Es ist besser, Prozesswärme und Strom aus regionalem Holz zu gewinnen, als Erdgas zu importieren“, argumentierte Bayerns Energieminister Hubert Aiwanger im Gespräch mit Vertretern der Bürgerinitiative „Stoppt das Kraftwerk“. Strom und Wärme sollten dem Audi-Werk Ingolstadt helfen, bis 2025 Autos klimaneutral herzustellen. Genutzt werden sollten zum Großteil Landschaftspflegematerial sowie Straßenbegleitgrün und Abfallholz der Kategorie A1 aus dem Audi-Werk, aber auch Schadholz aus den Wäldern.

Alternative Kraftstoffmarkt

Nach Ansicht der Technischen Universität Wien sind die Wärme- und Stromerzeugung aus Biomasse künftig keine großen Wachstumsmärkte mehr, da einerseits der Wärmebedarf in künftigen Gebäuden abnehmen und andererseits Strom aus anderen erneuerbaren Quellen kostengünstiger herzustellen ist.

Als Alternative bringen die Wissenschaftler die Kraftstofferzeugung ins Gespräch. Mit 3,3 Mio. Festmeter (Fm) Holz ließe sich der gesamte Kraftstoffbedarf der österreichischen Land- und Forstwirtschaft decken, zeigt eine Machbarkeitsstudie der Technischen Universität (TU) Wien.

Als geeignetste Technologie dazu hat sich die thermochemische Gaserzeugung mit Synthese zu „Holzdiesel“ (Fischer-Tropsch-Synthese) oder synthetischem Holzgas erwiesen. „Der Kraftstoff lässt sich in bestehenden Maschinen einsetzen, was im Vergleich zu einem vorzeitigen Flottentausch 20 Mrd. € einspart“, erklärt Christoph Pfemeter vom Österreichischen Biomasse-Verband.

Anlagen mit 100 MW Leistung könnten Holzdiesel zu Kosten von 1,15 bis 1,40 €/Liter herstellen, Holzgas würde 65 bis 80 ct/kWh kosten. Zur Versorgung der österreichischen Land- und Forstwirtschaft wären neun Holzdiesel- und eine Holzgasanlage erforderlich. Als Investitionssumme wären laut Pfemeter ca. 2 Mrd. € zu stemmen. „Erste marktfähige Anlagen wären allerdings erst in fünf Jahren zu realisieren, weshalb das Thema eher langfristig zur Entlastung auf dem Holzmarkt beitragen würde“, resümiert der Experte. Der große Vorteil aus seiner Sicht wäre, dass sich die Land- und Forstwirtschaft mit eigenen Rohstoffen und bestehendem Maschinenpark unabhängig von Erdöl machen könnte.

Video: Holzvergaser Nidwalden schluckt Bauabrissholz (2/2014)

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