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Gasversorgung

Gaskrise: Alarmstufe des Notfallplans Gas in Kraft

Die Alarmstufe ist die zweite im Notfallplan Gas. Die Bundesregierung will jetzt Kohlekraftwerke als Alternative wieder hochfahren. Massive Kritik kommt aus der Erneuerbaren-Branche.

Lesezeit: 7 Minuten

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat am 23. Juni die zweite Stufe des Notfallplans Gas, die sogenannte Alarmstufe, ausgerufen. Aktuell sei die Versorgungssicherheit gewährleistet, die Lage aber angespannt, teilt das Ministerium mit. Der Notfallplan Gas hat drei Stufen, die dritte ist die Notfallstufe.

Grund für die Alarmstufe ist die seit dem 14. Juni 2022 bestehende Kürzung der Gaslieferungen aus Russland und das weiterhin hohe Preisniveau am Gasmarkt. Zwar sind die Gasspeicher mit 58 % stärker gefüllt als im Vorjahr. Doch sollten die russischen Gaslieferungen über die Nord Stream 1-Leitung weiterhin auf dem niedrigen Niveau von 40 % verharren, ist ein Speicherstand von 90 % bis Dezember kaum mehr ohne zusätzliche Maßnahmen erreichbar. Dies zeigen Berechnungen der Bundesnetzagentur.

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Der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck, erklärte hierzu: „Auch wenn man es noch nicht so spürt: Wir sind in einer Gaskrise. Gas ist von nun an ein knappes Gut. Die Preise sind jetzt schon hoch, und wir müssen uns auf weitere Anstiege gefasst machen. Das wird sich auf die industrielle Produktion auswirken und für viele Verbraucher eine große Last werden.“

Kohlekraftwerke als Alternative

Um den Gasverbrauch in der Stromerzeugung zu senken, wird die Bundesregierung, wie am 19. Juni angekündigt, zusätzliche Kohlekraftwerke aus der Bereitschaft abrufen. Dazu hat das BMWK bereits die Kraftwerksbetreiber angeschrieben und gebeten, die nötigen Schritte zu veranlassen. Das entsprechende Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz, das den Abruf der Gasersatz-Reserve ermöglicht, ist derzeit im parlamentarischen Verfahren. Das Bundeskabinett hat das sogenannte Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz am 8. Juni 2022 im Kabinett verabschiedet. Eine Verabschiedung im parlamentarischen Verfahren ist für den 8. Juli 2022 geplant. Parallel arbeitet das BMWK an der notwendigen Rechtsverordnung, um die Gasersatzreserve gleich nach Inkrafttreten in Gang setzen zu können. Sie soll befristet bis zum 31. März 2024 gelten.

Gas trug 2021 zu ca. 15 % zur öffentlichen Stromerzeugung bei, der Anteil dürfte in den ersten Monaten 2022 aber schon geringer sein. Durch die Maßnahmen zur Reduktion des Gasverbrauchs kann das Stromerzeugungsangebot in einer kritischen Gasversorgungslage um bis zu 10 GW ausgeweitet werden, wodurch der Gasverbrauch zur Stromerzeugung substantiell reduziert wird.

Außerdem wird Minister Habeck in den nächsten Tagen den Austausch mit der Wirtschaft, seinen Amtskolleginnen und Kollegen in den Ländern und der Europäischen Union, aber auch mit Verbraucherschützern, Gewerkschaften und Umweltverbänden noch einmal intensivieren.

Lies: „Schritt ist richtig“

„Das Aufrufen der Alarmstufe ist richtig und notwendig. Das macht die extrem angespannte Lage deutlich“, kommentierte Olaf Lies, Niedersächsischer Energieminister und in diesem Jahr Vorsitzender der Runde der Energieminister der Länder, die Entscheidung. Die Alarmstufe sei die Grundlage dafür, dass die Bundesregierung Anfang Juli die aus der Gasverstromung kurzfristig aussteigen könne. „Der Preis, den wir dafür bezahlen, ist jedoch schmerzhaft. Denn wir werden die Kohlekraftwerke nun intensiver nutzen müssen. Das können wir nur verantworten, wenn wir beim Ausbau der Erneuerbaren und der Stromnetze jetzt jede Bremse lösen“, sagte der Minister.

Lies kündigte ein Optionsmodell an, das die Unternehmen dabei unterstützt, auf Gas zu verzichten, Alternativen zu nutzen oder auch die Produktion zu reduzieren. Zudem soll es Informationskampagnen gemeinsam mit dem Bund geben, die zeigen, wie sich der Gas- und Wärmeverbrauch und damit auch die entstehenden Kosten insgesamt reduzieren lassen. „Wenn jede Heizung in Deutschland optimal eingestellt ist, ist das bei über 40 Mio. Haushalten bereits ein riesiger Hebel. Hier ist das Handwerk der zentrale Partner, der hilft, unser Land widerstandsfähiger zu machen gegen den russischen Würgegriff beim Gas.“

Bayern mahnt Notfallstufe an

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger kommentiert die Entscheidung der Bundesregierung: „Die Ausrufung der Alarmstufe Gas ist längst überfällig. Wir brauchen aber zeitnah die Notfallstufe und gezielte Maßnahmen zum Einsparen von Gas gegen Entschädigung, unbürokratisches Umsteuern auf andere Energiequellen und weniger Vorschriften für erneuerbare Energien. Das gilt auch für langwierige Verfahren zum Artenschutz, beispielsweise bei Wasserkraft und Wind.“ Gleichzeitig fordert Aiwanger auch eine begrenzte Verlängerung der AKW-Laufzeiten und ein schnelleres Hochfahren der Wasserstoffwirtschaft.

Scheer schlägt Energiesparbonus vor

Dr. Nina Scheer, Energie- und klimapolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, schlägt als Maßnahme zum Einsparen von Gas einen Energiesparbonus vor. Dieser könnte Anreize schaffen, damit Endkunden im Verhältnis zu ihren Einsparungen entlastet werden. Die Idee: Jede individuelle prozentuale Einsparung im Jahresverbrauch wird als verhältnismäßiger Nachlass in den Preisanstiegen ausgezahlt. „Eine solche Entlastung wäre gerecht und ein zielgenauer Anreiz: Er würde nur die begünstigen, die wirklich Einspareffekte erzielen“, sagt die Bundestagsabgeordnete.

Scheer fordert aber auch, so schnell es geht auf erneuerbare Energien umzusteigen, um der fossilen Energiepreisfalle zu entkommen: „Deswegen brauchen wir eine verstärkte Erneuerbare-Energien-Ausbauoffensive.“

Solaranlage als Alternative

Vor dem Hintergrund der „Alarmstufe Gas“ und explodierender Energiepreise appelliert die Solarwirtschaft an die Bevölkerung, die Bundesregierung und an Energieversorger, Solarenergie auch im Wärmesektor künftig noch deutlich stärker zu nutzen. Als Schutz vor explodierenden Heizkosten wird häufig ein Tausch bestehender Gas- oder Ölkessel gegen Wärmepumpen oder Pelletheizungen empfohlen. „Wirklich effizient sind diese jedoch nur in Kombination mit einer Solaranlage“, erklärt Carsten Körnig, Geschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW). Solaranlagen könnten den Bedarf an Pumpenstrom oder Holzpellets deutlich reduzieren. Deren Kosten waren in den letzten Monaten ebenfalls deutlich gestiegen.

Sollte ein kompletter Tausch der Heizung vorerst nicht infrage kommen, so biete sich zumindest die Nachrüstung bestehender Gas- und Ölheizungen mit thermischen Solarkollektoren an, die die Sonnenwärme direkt in den Pufferspeicher der bestehenden Heizung einspeisen und diese so deutlich entlasten würden. Der Brennstoffverbrauch könne so – je nach baulicher Beschaffenheit - zumindest um 25–50 Prozent gesenkt werden. Das Bundesamt für Wirtschaft fördert die solar-thermische Nachrüstung bestehender Heizungen mit 30 % der Anschaffungs- und Installationskosten.

Von der Bundesregierung erhoffe sich die Solarwirtschaft eine noch deutlich stärkere, technologieoffene Aufklärung der Bevölkerung zur Nutzung erneuerbarer Energien. Unverständnis äußert er darüber, dass eine wiederholt angekündigte Förderung großer Solarwärme-Kraftwerke für den Anschluss an die Nah- und Fernwärmenetze [BEW] ohne nachvollziehbaren Grund seit nunmehr über einem Jahr auf Eis liege. Mit gezielten Auktionen für große Solarthermieanlagen sollten Anreize geschaffen werden, wie sie im Bereich der Solarstromerzeugung seit vielen Jahren erfolgreich etabliert wurden.

Wasserkraftbranche: „Himmelschreiender Dissens“

„Bei allem Respekt und Verständnis dafür, dass viele Optionen in Betracht gezogen werden müssen, um eine mögliche Gaslücke im Winter zu vermeiden, ist es absolut nicht verständlich, dass die Bundesregierung wieder zur klimaschädlichsten Stromerzeugung zurückkehren will, während sie gleichzeitig die klimafreundliche Energieerzeugung aus kleinen Wasserkraftanlagen mit dem EEG 2023 vernichtet“, sagt Hans-Peter Lang, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Wasserkraftwerke (BDW). Denn die Bundesregierung will im neuen EEG die Einspeisevergütung für Anlagen bis 500 Kilowatt Leistung streichen. Damit wäre laut BDW kein wirtschaftlicher Betrieb mehr möglich.

„Der Krieg in Europa hat uns alle in eine neue Lage versetzt und er führt uns die seit langem bekannten Gefahren durch die große Abhängigkeit von ausländischen Energielieferanten drastisch vor Augen“, so Hans-Peter Lang. „Aber sollen dafür jetzt Unternehmer bestraft werden, die seit Jahrzehnten aktiven Klimaschutz betreiben und die Abhängigkeit von Energieimporten verringern? Das ist ein himmelschreiender Dissens!“

Rund 6.500 Betreiber von kleinen Wasserkraftanlagen in Deutschland fürchten seit diesem Frühjahr um die Existenz ihrer Anlagen, die durch die geplante Streichung der Einspeisevergütung im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2023 gefährdet ist. Laut BDW produzieren sie etwa drei Milliarden Kilowattstunden schadstofffreien Strom jedes Jahr. „Sie versorgen damit deutschlandweit rund eine Million Haushalte sowie ihre kleinen und mittelständischen Betriebe mit dezentral erzeugter, regenerativer und CO2-freier Energie“, rechnet Lang vor. Sie reduzieren den Bedarf an klimaschädlichen Treibhausgasemissionen um jährlich rund 3 Mio. t CO2 und verringern den Bedarf an fossil erzeugten Stromimporten.

Anstatt der Änderungen im EEG sollten die Konditionen für die kleine Wasserkraft gerade in der heutigen Zeit verbessert werden, um Modernisierungen und daraus resultierende Effizienzsteigerungen zu bewirken, appelliert Lang.

Auch die Biogasbranche hatte wiederholt dafür geworben, heimisches Gas als Alternative zu fossilem LNG aus fragwürdigen Lieferländern wie Katar zu verwenden.

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