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topplus Peter Wesjohann im Interview

Wiesen­hof-Hähnchen: Sukzessive Umstellung auf höhere Haltungs­stufen

Die Marke „Wiesenhof“ ist das Aushängeschild der PHW-Gruppe in Rechterfeld. Peter Wesjohann spricht mit uns über mehr Tierwohl für Hähnchen und die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens.​

Lesezeit: 11 Minuten

Das Interview erschien zuerst im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.

Herr Wesjohann, Schweinefleisch sinkt in der Gunst des Verbrauchers, Geflügelfleisch ist aber weiterhin beliebt. Sie müssten doch Grund zur Freude haben …?

Peter Wesjohann: Der Verbrauch an Hähnchenfleisch betrug im Jahr 2021 15,9 kg pro Kopf, der Trend ist in der Tat intakt. Außerdem ist Geflügelfleisch ein leichtes Fleisch und reich an Nährstoffen. Geflügelfleisch bietet außerdem die Möglichkeit für viele Produktinnovationen. Insofern bin ich zufrieden, dass ich in dieser Branche tätig bin. Auf der anderen Seite ist Fleisch generell keine leichte Branche und man muss sich über die Jahre durchkämpfen.

In vielen Bereichen sind deutliche Preissteigerungen zu erwarten. Bei gleichbleibenden Kraftfutterpreisen müssten die Erzeugererlöse daher wieder steigen, wenn die Hähnchenmast rentabel bleiben soll. Wie stehen die Chanchen dafür?

Peter Wesjohann: Über Jahrzehnte sind die Landwirte mit der Hähnchenmast gut gefahren und das ist heute noch so. Die Auszahlungspreise sind aber nicht so gesunken wie die Futterpreise, das heißt ein Teil ist beim Landwirt geblieben. Kostenerhöhungen sind auf allen Stufen da, leider auch bei uns. Wir haben beispielsweise noch immer bis zu viermal höhere Energiekosten wie vor der Krise. Die Mautgebühren sind gestiegen, was die Transportkosten auch noch mal um 10% erhöht. Wie sich der Auszahlungspreis entwickelt, hängt vom Angebot und der Nachfrage am Markt ab. Wenn das Angebot knapp ist, werden wir die Kostenerhöhungen vielleicht abfedern können, aber das ist natürlich schwer. Die Gespräche mit dem Lebensmittel­einzelhandel sind herausfordernd und nicht immer kann man Kostenerhöhungen weitergeben.

Der Wunsch nach mehr Tierwohl hat insgesamt weniger aufgezogene Tiere zur Folge. Beunruhigt Sie das?

Peter Wesjohann: Wir haben zurzeit noch einen Selbstversorgungsgrad von rund 95% bei Hähnchen, das ist einigermaßen akzeptabel. Wenn es aber keine Um- und vor allem Neubauten gibt, dann wird die Selbstversorgung in Deutschland sinken. In der Folge wird mehr Fleisch aus dem Ausland hereinkommen, das mit weniger Tierwohl und Umweltschutz erzeugt wurde. Außerdem würden wir unsere Versorgungssicherheit infrage stellen.

Wir haben zurzeit noch einen Selbstversorgungsgrad von rund 95% bei Hähnchen.
Peter Wesjohann

Wie viele der Wiesenhof-Hähnchen werden konventionell, nach ITW-Richtlinien und für das ­Label „Privathof“ aufgezogen?

97% unserer deutschen Produktion erfolgt unter irgendeinem Tierwohlkonzept, beginnend mit der ITW Haltungsstufe 2. Die Haltungsstufen 3 und 4 umfassen bei uns etwa 10%. Unser Label Privathof fällt unter die Haltungsstufe 3, jede Woche schlachten wir in ­dieser Haltungsstufe etwa 350.000 Tiere. Die Aufzucht unter den Kriterien mehr Platz, langsamer wachsende Rassen, Sitzstangen und Beschäftigungsmaterial wird aber auch unter Handelsmarken angeboten.

Die Aufzucht für „Privat­hof“ war lange vor allem im Süden zu finden. Wird diese Haltungsform jetzt ausgebaut?

Peter Wesjohann: Wir haben jetzt 63 Landwirte, die für Privathof aufziehen. Diese sind nun auch im Norden und Osten von Deutschland ansässig. Produkte höherer Haltungsstufen laufen dort besser, wo es mehr Kaufkraft gibt. Das trifft vor allem für Bayern und Baden-Württemberg zu. In Teilbereichen auch für Nord- und Ostdeutschland.

Sie haben angekündigt, bis 2040 nur noch frische Wiesen­hof-Hähnchen aus den Haltungs­stufen 3 oder 4 anzubieten. Nicht jeder kann einen 40% höheren Preis dafür zahlen. Wird das Wiesenhof-Hähnchen dann seltener gekauft?

Peter Wesjohann: Das ist nicht ganz richtig. Wir ­wollen das so durchziehen, sofern es dafür die Nachfrage und auskömmliche Preise gibt. Es ist die Frage, wie weit das bis dahin realisiert ist. Und in wieweit das Baurecht so geändert wurde, dass auch der Um- und Neubau von Ställen möglich ist. Das sind die Voraussetzungen dafür, dass die Umstellung gelingt. Wir haben das Konzept ausgebaut, aber es ist aktuell immer noch eine Nische, wenn auch eine größere.

Glauben Sie, dass diese Umstellung gelingt?

Peter Wesjohann: Wenn der Verbraucher das möchte, wird uns die Umstellung gelingen, sonst nicht. Die Frage ist dann noch, ob das auskömmlich ist. Ich glaube schon, dass wir einen sukzessiven Ausbau in dieser Haltungsform sehen werden. In Deutschland halten wir mehr als 90% der Hähnchen in Haltungsstufe 2, diese bietet schon weit mehr Tierwohl als der Standard in der EU.

Ich glaube schon, dass wir einen sukzessiven Ausbau in dieser Haltungsform sehen werden.
Peter Wesjohann

Wie viel Geflügelfleisch erzeugen Sie denn jetzt schon im Ausland? Gibt es Überlegungen, dort stärker zu investieren?

Peter Wesjohann: Wir sind in unseren 93 Jahren immer Deutschland treu geblieben. Das wollen wir auch weiterhin, soweit die Rahmenbedingungen das ermöglichen. Darüber hinaus sind wir auch in den Niederlanden, in Polen und Bulgarien aktiv, aber mehr um die heimischen Märkte dort zu bedienen. In diesen Ländern haben wir wie in Deutschland Integrationsketten aufgebaut. Das ist aber mehr eine Diversifizierung des Risikos.

Wiesenhof ist als Sponsor besonders beim Fußball präsent. Planen sie für höhere Haltungsstufen weitere Marketingstrategien?

Peter Wesjohann: Wir machen mit Wiesenhof über alle Haltungsstufen hinweg Werbung und haben schon bei der Haltungsstufe 2 ein hohes Niveau. In unserer Produktion gibt es fast kein Food-Waste, alle Schlacht­nebenprodukte werden verwertet. Wir sind also mehr als höhere Haltungsstufen. In der Gesamtheit werden wir unsere Werbung jedenfalls nicht auf höhere Haltungsstufen abstimmen.

Landwirte, die ihre Ställe tiergerecht umbauen wollen, stehen im Baurecht vor einigen Hürden. Was erwarten Sie von der Politik?

Peter Wesjohann: Ich erwarte dringend entsprechende Anpassungen des Bau- und Umweltrechtes, damit Um- und vor allem Neubauten ohne Probleme möglich sind. Und, dass Landwirte mit einem Bauantrag nicht ihre Ursprungsgenehmigung verlieren und damit die ganze Existenz ihres Betriebes gefährden.

Sie plädieren für eine Tierwohl­abgabe nach dem Vorbild der ITW. Muss die Politik viel mehr von der Wirtschaft lernen?

Peter Wesjohann: Wir brauchen kein staatliches Tierwohllabel, wir können das auf privatwirtschaftlicher Ebene schrittweise nach vorne entwickeln. Und dann entscheidet der Verbraucher. Nicht alle haben das Geld, die höheren Haltungsformen zu kaufen und manche haben auch andere Prioritäten. Der Verbraucher ist mündig genug, das selbst zu entscheiden. Wenn die Politik aber unbedingt ein staatliches Tierwohl­label auflegen will, dann muss das auf EU-Ebene erfolgen. Wenn deutsche Politiker dann zusätzlich noch ein nationales Tierwohllabel einführen wollen, kann die Finanzierung nur über eine Abgabe pro Kilogramm Fleisch gewährleistet werden. Und wir brauchen eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für den Einzelhandel und die Gastronomie. Ein sukzessiver Anpassungsprozess ist nötig. Und das muss auch fürs Ausland gelten, sonst gerät der Markt komplett durcheinander. Es wird ausländische Ware reinkommen und wir haben am Ende des Tages weniger Tierwohl, weniger Tierschutz und die Versorgungssicherheit ist auch nicht gewährleistet.

Was ärgert Sie mehr – steigende Kosten, immer neue politische Vorgaben oder dass Sie Tierschützer ins Visier nehmen?

Peter Wesjohann: Das größte Problem ist die steigende Bürokratie. Wir werden zugeschüttet mit Auflagen. Wenn man das Lieferkettensorgfaltsgesetz sieht in seiner Dimension ist das vielleicht gut gemeint aber Aufwand und Ertrag stehen in keinem Verhältnis. Die unternehmerische Freiheit wird einem nach und nach genommen und das ist ja auch das, was die Landwirte mit ihren Demos zum Ausdruck bringen. Der Einbruch in Ställe ist nicht rechtens und ich wünschte mir, dass da auch mal ein Aufschrei erfolgte. Wir sind einer der meist kontrolliertesten Betriebe in Europa und im Verhältnis zur aufgezogenen Tierzahl gibt es relativ wenig Fehler. Wo Menschen arbeiten, passieren aber auch Fehler. Wir tolerieren kein Quälen von Tieren und wenn Missstände bekannt werden, ziehen wir umgehend Konsequenzen. Wenn notwendig, auch personelle Konsequenzen. Aber das rechtfertigt trotzdem nicht den Stalleinbruch.

Über das Fangen der Hähnchen tauchen immer wieder unschöne Bilder auf. Welchen Einfluss haben Sie an dieser Stelle?

Peter Wesjohann: Das Fangen muss ordentlich gemacht werden. Uns ist wichtig, dass die Landwirte beim Fangen immer dabei sind. Unsere Partnerlandwirte können aus einem Pool aus akkreditierten Fangkolonnen auswählen. Die Vorarbeiter der Fangkolonnen müssen ordentlich geschult werden. Wenn diese ihr Wissen dann in den jeweiligen Landessprachen an die Fänger weitergeben, sie anweisen und anleiten, dann hat man eine große Chance, dass das Fangen ordentlich abläuft. Aber man muss dran bleiben und immer wieder nachschärfen. Auch wenn es eine anstrengende Arbeit ist, darf dabei keine Verrohung auftreten. Ich glaube, dass diese Bilder die Ausnahme sind. Aber solche Bilder will man trotzdem nicht sehen.

Zurzeit gelangt günstiges Hähnchenfleisch aus der ­Ukraine, das unter niedrigeren ­Standards erzeugt wurde, zollfrei auf den europäischen Markt. Geraten Sie dadurch unter Druck?

Peter Wesjohann: In diesem Fall handelt es sich vor allem um Hähnchenfilet, weitestgehend von nur einem Unter­nehmen. Das führt im Bereich der Weiterverarbeitung schon zu einem Preisdruck, weil zu viel Menge auf dem Markt ist. Das kann im europäischen Markt insgesamt den ein oder anderen Betrieb verdrängen und auch einen Arbeitsplatz kosten. Der Ukraine ist damit nicht geholfen. Die Bevölkerung profitiert jedenfalls nicht davon.

60 % des Geflügelfleisches gelangt über die Gastronomie an den Endkunden. Über die Herkunft des Fleisches erfährt der Restaurantbesucher aber nichts …

Peter Wesjohann: Mit der verpflichtenden Herkunftskennzeichnung geht es mir nicht schnell ­genug. Wir hätten da schon viel weiter sein können, wenn die betreffenden Akteure das forciert hätten. Frankreich ist uns da schon voraus. Wie ich höre, will die ­Politik die Kennzeichnung aber in Kürze einführen. Das ist auch zwingend notwendig.

Die Erzeugung von Geflügelfleisch hinterlässt im Vergleich zu Rind und Schwein einen geringeren CO2-Fußabdruck. Zudem wollen Sie ihre Produktion bis 2040 klimaneutral gestalten. Inwieweit könnte das wichtiger werden als eine extensivere Tierhaltung?

Peter Wesjohann: Das Futter hat den größten Anteil an den CO2-Emissionen bei der Erzeugung des Produktes. Wir haben bereits sechsmal schon unseren CO2-Fußabdruck für Geflügel über die gesamte Integrationskette hinweg erhoben und der Wert liegt bei 2,2 kg CO2 pro einem kg Hähnchenfleisch, gemeint ist dabei das Netto-Schlachtgewicht. Wir arbeiten stetig daran, unseren CO2-Fußabdruck zu optimieren. Mit der Aufzucht in höhere Haltungsstufen geraten wir aber in einen Zielkonflikt. Weil die Tiere mehr Futter und Zeit benötigen, um zu wachsen, gibt es dort eine höhere CO2-Belastung, die aber immer noch niedriger ist als bei Rind und Schwein. Mehr Tierwohl geht mit einer negativen Umweltwirkung einher. Diesen Interessenskonflikt können wir als Unternehmensgruppe nicht auflösen. Die Gesellschaft muss sagen, was ihr wichtiger ist. Wir können nur Angebote schaffen. Bei der Produktion von allen Nahrungsmitteln, auch Fleisch, fallen allein schon durch den Einsatz von Rohstoffen CO2-Emissionen an und kein Produkt kann aus sich heraus klimaneutral hergestellt werden.

Wollen Sie mit der klimaneu­tralen Produktion werben?

Peter Wesjohann: Jedes Jahr investieren wir über die gesamte Integrationskette 120 Mio €. Auch dieses Jahr werden wir allein in erneuerbare Energien wie Solar- und Biomethan­anlagen 65 Mio. € investieren. Ich hoffe, dass wir in diesem Bereich bis 2040 noch einige Innovationsschritte sehen, damit unser Plan gelingt. Wir kommunizieren, was wir tun, aber letztendlich haben wir erst dann etwas erreicht, wenn wir am Ziel sind.

Sie haben Ihr Geschäftsfeld auf alternative Proteinquellen ausgeweitet. Welchen Anteil wird Geflügel im Jahr 2040 noch haben?

Peter Wesjohann: Geflügel ist unser Kerngeschäft. Das wird es auch noch lange bleiben. Wir haben uns zu einem Anbieter hochwertiger Proteinprodukte entwickelt. Seit 2015 sind wir im Bereich pflanzlicher Prote­ine aktiv und erzielen jetzt einen Umsatz von rund 50 Mio. €. Das ist schon eine größere Nische. Sie wird sich entwickeln, aber sie wird lange eine größere Nische bleiben. Wenn wir in der Welt irgendwann 10 Mrd. Einwohner haben, dann müssen wir nicht nur über tierische Proteine, sondern auch über pflanzliche Ernährung und über In-vitro-Fleisch reden. Die Tierhaltung wird deshalb nicht untergehen, es wird eine Ergänzung sein. Welche Anteile das haben wird, werden wir sehen. Mit diesem Segment stabilisiere ich das andere Geschäftsfeld mit. Das hat Vorteile in der ganzen Integrationskette, auch für die Landwirte.

Wenn wir in der Welt irgendwann 10 Mrd. Einwohner haben, dann müssen wir nicht nur über tierische Proteine, sondern auch über pflanzliche Ernährung und über In-vitro-Fleisch reden. Die Tierhaltung wird deshalb nicht untergehen, es wird eine Ergänzung sein.
Peter Wesjohann

Mit der Gründung der VTEC Ingredients GmbH können Sie nun Roh- und Hilfsstoffe für die Produktion pflanzenbasierter Wurst-, Fleisch- und Fischwaren herstellen. Ist das auch eine Chance für Landwirte?

Peter Wesjohann: Wir besitzen das Know-how für die Herstellung von Convenience-Produkten aus tierischem Eiweiß. Auch die Produktion von pflanzlichen Produkten haben wir im Griff. Für die Entwicklung der Eiweißkomponenten, die man dafür braucht, haben wir uns mit VTEC sozusagen rückwärts inte­griert. Über unsere Beteiligung an „Live Kindly“ können wir auch auf Extrudate zugreifen, um vegane Produkte herzustellen. Es kann durchaus eine Option sein, dass Landwirte über Zulieferverträge, beispielsweise für Erbsen, eingebunden werden.

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