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Wer haftet bei Sturmschäden durch umgestürzte Bäume?

Wenn der Baum bei Sturm auf ein Auto oder das Nachbarhaus kracht, sagt der Baumbesitzer leicht: Das war höhere Gewalt und ich bin raus. Doch so einfach ist es nicht.

Lesezeit: 4 Minuten

Windwurfschäden an Gebäuden oder anderen Dingen sind seit dem Orkan Friederike 2018 und den Borkenkäferschäden wieder stärker in den Fokus gerückt. Denn haben geworfene Fichten, Buchen und Co. erst mal Schäden an Nachbars Eigentum verursacht, wird dieser sich bald mit einer Schadenersatzforderung melden. Aber wann sind Waldbesitzer tatsächlich haftbar und was ist „höhere Gewalt“?

Verkehrssicherungspflicht?

Für Laien ist der Fall oft eindeutig: Schäden durch umgestürzte Bäume oder abgebrochene Äste zahlt deren Eigentümer. Doch so einfach ist die Rechtslage nicht, weiß Yuri Kranz, Justiziar bei Wald und Holz NRW. Immer wieder beschäftigt sich der Jurist mit dieser Thematik. Zuerst stellt sich die Frage, ob der Waldbesitzer ver­kehrs­­sicherungspflichtig ist, erklärt der 46-Jährige.

Entlang von Straßen und Bebauungen ist das der Fall. Auch bei einzeln wachsenden Bäumen im Innenbereich. Hier ist der Wald- bzw. Baumeigentümer schadenersatzpflichtig – sofern ein Schaden erkennbar war. Erkennbare Gefahren sind beispielsweise Pilze am Stamm oder trockene Kronen. Brechen zum Beispiel regelmäßig bei Gewitterstürmen Äste aus der Hofeiche, haftet deren Eigentümer, wenn der Postbote oder der darunter geparkte Lieferwagen zu Schaden kommt.

Bei gesunden Bäumen sieht es anders aus

Sind die Bäume aber augenscheinlich gesund, trifft den Eigentümer keine Schuld, sagt Kranz. In dem Fall handelt es sich „um höhere Gewalt“. Stürzen bei einem Sommersturm gesunde Bäume auf Nachbars Garage, haftet der Eigentümer des Baumes nicht. Im Prinzip müsste der Baumbesitzer den Windwurf nicht einmal beseitigen – er könnte sein Eigentum auch aufgeben, erklärt Kranz.

Für den Schaden kommt die Gebäudeversicherung des Garageneigentümers auf – sofern sie diese Art Schäden umfasst. Die Wohngebäudeversicherung greift dann, wenn der Baum gesund war und regelmäßig in Augenschein genommen wurde. Zusätzlich muss am Schadenort mindestens Windstärke 8 geherrscht haben, teilt die LVM Versicherung in Münster auf unsere Nachfrage hin mit. ­

Unter den genannten Voraussetzungen erstattet beispielsweise die LVM ihren Kunden im Rahmen der Wohngebäudeversicherungsbedingungen das Aufräumen, den Abtransport und die Entsorgung des Baumes von dessen Grundstück bis zu einer Kostenhöhe von 10.000 €.

Bäume kontrollieren

Ob Bäume krank oder gesund sind, sollten Eigentümer regelmäßig kontrollieren und auch dokumentieren. Sinnvoll sind Kontrollen in einem Intervall von 18 Monaten – somit sind Sichtkontrollen mit belaubter und unbelaubter Krone sichergestellt.

Zur Dokumentation reicht ein Eintrag in den Kalender aus: „Baum kontrolliert, keine Schäden erkennbar.“ Diese Baumkontrollen kann grundsätzlich jeder selbst durchführen, sagt Yuri Kranz. Denn rechtlich ist nicht festgelegt, ­welche Fachkenntnis ein Baumkontrolleur haben muss.

Waldtypische Gefahren

Trockene Buchen und Fichtendürrständer sorgen aber vor allem im Wald für Gefahr – weil sie eben dort häufiger vorkommen. Tote Fichten sind noch durchschnittlich eineinhalb Jahre lang stabil und brechen danach meist in sich zusammen. Buchen sind jedoch oft bereits ohne äußerliche Merkmale abgestorben. Dies kann bei der jahre­langen Trockenheit auch in kürzeren Zeiträumen passieren.

Kurzum: Die Gefahren sind in der Praxis nicht sofort erkennbar. Auch aus diesem Grund hat der Bundesgerichtshof entschieden: Innerhalb des Waldes gibt es keine Verkehrssicherungspflicht.

Vielmehr handelt es sich bei trockenen Ästen und Dürrständern um so­genannte waldtypische Gefahren, erklärt der Jurist. Dies gilt auch an zertifizierten Hauptwanderwegen. Baumkontrollen an Schutzhütten, Wanderparkplätzen, Waldlehrpfaden usw. sind hingegen erforderlich. Auch entlang von Reitwegen im Wald besteht keine Verkehrs­sicherungspflicht, sie sind rein rechtlich Waldwege und damit Teil des Waldes. Insgesamt hat ­bisher kein Gericht einen Wald­besitzer wegen Schäden durch waldtypische Gefahren verurteilt. Durch die anhaltende Kalamität sind die Wälder potenziell gefährlicher geworden. Im Schadenfall würde dies sogar zugunsten der Waldbesitzer sprechen.

Guter Wille gefragt

In der Praxis heißt das: Kippen Dürrständer in die frisch gepflanzte Kultur des Waldnachbarn und beschädigen die abgestorbenen Bäume zudem den neu gesetzten Wildzaun, besteht keine Schadenersatzpflicht. Es gibt auch keine Pflicht, die Bäume zu beseitigen. Der geschädigte Waldeigentümer müsste seine Kosten selbst tragen. Hier kann allein der Wille zur gütlichen Einigung helfen, fasst Kranz zusammen.

Würden die Bäume hingegen auf einen Haupt- und Rettungsweg ­fallen, sollte der Waldbesitzer sie im Sinne des Allgemeinwohls beseitigen. Jedoch gibt es auch für diese Fälle keine abschließenden Urteile. Im Einzelfall entscheidet aber immer das Gericht, gibt Yuri Kranz zu bedenken.

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