Oppositionskritik an der Agrarpolitik der Bundesregierung ist nichts Ungewöhnliches. Wenn aber auch altgediente SPD-Agrarpolitiker ihre Stimme gegen die Ampel erheben, sollten die Verantwortlichen aber womöglich hellhörig werden.
Grüne wollen "unterm Radar" Tierbestände abbauen
Mecklenburg-Vorpommerns „ewiger“ Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus will seinen Ärger über die Agrarpolitik der Bundesregierung jedenfalls nicht mehr zurückhalten. Im Interview mit Agra-Europe hält der SPD-Politiker der Regierungskoalition „eine ziemlich bescheidene Bilanz“ vor. Weder werde die Ampel den Belangen der Tierhalter gerecht, noch trage sie der ostdeutschen Landwirtschaft Rechnung.
Den Grünen wirft Backhaus vor, sie betrieben „unter dem Radar“ einen massiven Abbau der Tierbestände und stünden den größeren Betrieben in den neuen Ländern ablehnend gegenüber.
Özdemir ist orientierungslos
Hart ins Gericht geht der langjährige Ressortchef mit seinem Berliner Amtskollegen Cem Özdemir, dem er „Orientierungslosigkeit“ attestiert. Die sei mitverantwortlich für die Verunsicherung und Investitionszurückhaltung insbesondere in der Tierhaltung. Für unzureichend hält Backhaus die Kommunikation zwischen Bund und Ländern. Diese sei in der GroKo besser gewesen. Keine Lösung biete die Marktgläubigkeit der FDP.
SPD ohne agrarpolitisches Profil
Auch seine eigenen Genossen in Berlin schont das SPD-Urgestein nicht. Seine Partei müsse „auch mal klare Kante zeigen, was mit uns geht und was nicht.“ Keinesfalls dürfe man die Agrar- und Ernährungspolitik allein den Grünen überlassen. Backhaus räumt mangelndes agrarpolitisches Profil der SPD im Bund ein. Die Partei steht nach den Worten des Ministers zum einen für mehr Tierwohl in der Landwirtschaft. Zum anderen wolle man eine umweltverträgliche Landwirtschaft, „die den Menschen, die in dem Sektor beschäftigt sind, eine Perspektive bietet“.
Große Strukturen im Osten erfolgreiches Modell
Der seit annähernd einem Vierteljahrhundert amtierende Ressortchef erinnert an den Einsatz der SPD nach der Wiedervereinigung, um eine Zerschlagung der großstrukturierten Landwirtschaftsbetriebe zu verhindern. Dies sei ein wesentlicher Grund, dass die Land- und Ernährungswirtschaft in Ostdeutschland heute so gut dastehe.
Ein neuerlicher Rückgang der Tierhaltung im Osten wäre Backhaus zufolge ein Schlag für die ländlichen Räume und auch deshalb schmerzhaft, „weil wir seit 1990 bereits einen enormen Abbau unserer Tierbestände zu verzeichnen hatten“. Eine von Teilen der Grünen angestrebte Zerlegung der Betriebe im Osten bezeichnet der Minister als irrational.