In ihrem Sondierungspapier haben sich SPD, FDP und Grüne auf den Umbau der Tierhaltung mit finanzieller Unterstützung geeinigt. Bei der konkreten Ausgestaltung hakt es derzeit aber noch. Der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) ist es nach eigener Aussage gelungen, mit ihrem Bericht erste Leitlinien für eine Politik des Agrar- und Ernährungssystems zu beschreiben und sich auf Empfehlungen zu einigen.
Welche Bedeutung dem Bericht nun aber in den Koalitionsverhandlungen und unter Zeitdruck zukommt, ist offen. Über den Ansatz und die vielschichtigen Folgerungen diskutierten die Mitglieder der ZKL im Dialog mit Fachpolitikern.Offen ließen Vertreter der möglichen Koalitionsparteien aber, welche Vorschläge aus dem Bericht sie aufgreifen wollen und wie diese umgesetzt werden sollen. Dr. Ludger Schulze Pals und Dr. Tanja Busse moderierten die Veranstaltung.
„Keine Neuerfindung der Agrarpolitik“
„Die Zukunftskommission Landwirtschaft hat die Agrar-Umwelt-Politik nicht neu erfunden“, räumte Prof. Dr. Peter Strohschneider, Vorsitzender der ZKL, in seinem Impulsvortrag ein. Dennoch habe sie Kompromisse gefunden, die in einen Rahmen eingeordnet seien, in dem sie sich stützen und der Rosinenpickerei erschwere.
„Ob die ZKL tatsächlich die viel apostrophierte ‚Quadratur des Kreises‘ hinbekommen hat, mögen andere entscheiden“, so der Vorsitzende weiter. Jetzt sei aber die Politik am Zuge, auf Basis der Empfehlungen mit ein wenig Umsetzungsfantasie zu agieren.
Die Transformation wird teuer
Die ZKL geht davon aus, dass die Maßnahmen für eine Transformation des Agrar- und Ernährungssystems mehr kosten werden, als derzeit in den öffentlichen Haushalten zur Verfügung steht. „Allerdings wird sie weniger kosten als der hohe zweistellige Milliardenbetrag, auf den sich die Gesundheits- und Umweltkosten einer Weiterführung des gegenwärtigen Systems belaufen würden“, so Strohschneider.
Ob die ZKL tatsächlich die viel apostrophierte ‚Quadratur des Kreises‘ hinbekommen hat, mögen andere entscheiden." - Prof. Dr. Strohschneider
Das bedeutet für ihn nicht, dass nationale und internationale Märkte für Lebensmittel, Futtermittel oder Bioenergie, die bisher ‚frei‘ gewesen wären, künftig reguliert würden. Es heiße vielmehr, dass gegenwärtige Marktregime so weiterentwickelt werden müssen, dass sie auch in ökologischer Hinsicht begründungsfähig sind.
Appell der jungen Generation
Eine hohe Messlatte an die neue Bundesregierung setzten Myriam Rapior, Bundesvorsitzende für Jugend im Bund für Umwelt und Naturschutz und Kathrin Muus, Bundesvorsitzende Bund der Deutschen Landjugend. „Sie als Politiker beeinflussen die Dynamik der jungen Generation. Bitte ignorieren Sie unsere Ergebnisse in den Koalitionsverhandlungen nicht“, so Rapior.
Die für sie wichtigsten Aspekte des Abschlussberichts stellten sie in Auszügen vor:
Berufsstand und Betriebe: „Landwirte brauchen ein faires Einkommen und Planungssicherheit, genau wie gesellschaftliche Anerkennung“, so Muus. Ebenfalls betonte sie die Bedeutung alternativer Betriebszweige und von Diversifizierungsmöglichkeiten. Zudem sollten Hofübergaben begleitet werden.
Umwelt, Klima und Naturschutz: Landwirtschaft solle und müsse ihren Beitrag zur Klimaneutralität leisten. Sofort implementierbare Maßnahmen könnten etwa lauten: Rinderbestände anpassen, ein reduzierter Fleischkonsum und eine höhere Wertschöpfung pro Tier, Erhöhung der nichtproduktiven Flächen auf 10 %.
Regionalität:Den Ausbau regionaler Strukturen fördern (Vor-Ort-Schlachtungen, Fleisch in Kantinen), Ausbau der regionalen Obst- und Gemüseproduktion, ein erleichterter Zugang zu Böden besonders für Junglandwirte (ggf. mit Vorkaufsrecht).
Ernährung und Verbraucher:u.a. pflanzliche Ernährung stärken, finanzielle Anreize (Abgabe auf Zucker, Salz, Fett) für eine nachhaltigere Ernährung liefern.
Wie kann die Umsetzung gelingen?
„Der Abschlussbericht der ZKL ist nicht für die Schlepperkabine geschrieben, sondern für die Abgeordneten des Bundestags“, so Werner Schwarz, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes, der auf dem Podium mitdiskutierte. Agrar- und Umweltseite haben ihm zufolge bereits die „Gräben zugeschüttet“ und zueinander gefunden. Das gleiche forderte er von den Koalitionspartnern.
Knackpunkt Umbau der Nutztierhaltung
Uneinigkeit herrschte vor allen Dingen bei der Frage nach der Finanzierung des Umbaus der Nutztierhaltung. „Der Konsens, dass zusätzliche Leistungen in der Landwirtschaft etabliert, auch honoriert werden müssen, hat beide Seiten zusammengebracht“, so Olaf Bandt, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Eine Honorierung werde aber nicht rein über marktwirtschaftliche Instrumente funktionieren.
Wer den Abschlussbericht liest und glaubt, es soll nur mehr Geld ins System fließen, der hat ihn nicht verstanden." - Hubertus Paetow
Nach Ansicht von Dr. Matthias Mirsch, Mitglied des Bundestags und stellvertretendem Vorsitzenden der SPD-Fraktion, genügt mehr Geld allein nicht. „Bei Fehlanreizen und Milliarden im System landet das Geld an den falschen Stellen in der Tierhaltung.“ Konkrete Formulierungen im Koalitionsvertrag seien nötig und auch Borchert bleibe an einigen Stellen noch zu unkonkret. Dem entgegnete Hubertus Paetow, Präsident der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG): „Wer den Bericht liest und glaubt, es soll nur mehr Geld ins System fließen, der hat ihn nicht verstanden. Diejenigen, die sich einbringen und kreativ sind, sollen profitieren, damit sich diese Gesellschaft ökologisch vernünftig ernährt.“
Europäische Lösungen gefordert
Der klare Anspruch muss laut Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Naturschutzbundes Deutschlands, eine europäische Mehrheit für eine wirkliche Reform der GAP sein. „Wenn das nicht sofort passiert, wird es keine Lösung geben, die nationale Sonderwege ermöglicht, aber auch die Unterschiede der Länder gerecht einbezieht.“
Lösungen auf europäischer Ebene forderte auch Gero Hocker, Mitglied des Bundestags der FDP und Gast im Podium. „Die Koalitionspartner haben sich darauf geeinigt, dass es keine Steuererhöhungen gibt.“ Eine Tierwohlsteuer ist für ihn kein tragfähiges Konzept. Es müsse möglichst eine Lösung mit europäischen Standards geben, die die Verbraucher beim Konsum in die Pflicht nehmen.
Zu Wort aus dem Publikum meldete sich Dirk Andresen, ehemaliger Sprecher von Land schafft Verbindung Deutschland. Die Ergebnisse der Kommission müssten politisch anerkannt werden, inklusive einer nachhaltigen Finanzierung. „Wenn regionale Schlachthöfe bleiben sollen und die Schweine nicht aus Spanien kommen sollen, dann muss die Politik zeitnah Ergebnisse liefern.“
Wandel in der Ernährung nötig?
Renate Künast, Mitglied des Bundestags von Bündnis 90/Die Grünen und Diskutantin auf dem Podium, rechnete damit, dass die Nutztierbestände schon bis 2035 halbiert werden müssten, um die Transformation umzusetzen. Ein reduzierter Fleischkonsum sei in diesem Kontext dringend notwendig. Dieser Aspekt sei ihr zufolge im Abschlussbericht viel zu wenig berücksichtigt worden. Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale des Bundesverbandes, plädierte für eine neue und nachhaltigere Ernährungsinfrastruktur, die bereits in Kitas und Schulen beginnen müsse.
„Die Zukunftskommission Landwirtschaft zeichnet ein ziemlich ideales Bild der künftigen Landwirtschaft“, fasste Schulze Pals die Diskussionen zusammen. Gleichzeitig sei ein echter Teamspirit entstanden und Politikern sei es nicht gelungen, Risse zwischen den Mitgliedern aufzuzeigen. Dennoch müssten nun politisch verdammt viele Räder ineinandergreifen, um den Bericht mit Leben zu füllen.
Die Veranstaltung zum Ansehen
Stimmen zur Dialogveranstaltung
Zur Dialogveranstaltung der Zukunftskommission erklärt Friedrich Ostendorff, scheidender Sprecher für Agrarpolitik der Fraktion B90/Grüne: „Die Vertreterinnen der jungen Generation, Myriam Rapior und Kathrin Muus haben es sehr deutlich gemacht: Landwirtschaft und Gesellschaft endlich zusammen zu bringen und dringende Probleme lösen, ein weiter so kann es nicht geben.“
Konkret heiße das für ihn den Umbau der Tierhaltung auf der Basis von Borchert, mehr Wertschöpfung auf den Betrieben durch regionale Erzeugung und Qualität, landwirtschaftliche Betriebe mitnehmen und zukunftsfähig machen und den Transformationsprozess der Landwirtschaft mit den notwendigen Mitteln unterstützen.