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topplus Strommarkt

Ist die Energiekrise wirklich vorbei?

Der Strommarkt hat sich beruhigt. Die Sorge vor Engpässen ist verflogen. Experten warnen aber: Im nächsten Winter könnte es noch einmal eng werden.

Lesezeit: 5 Minuten

Es ist gerade mal ein halbes Jahr her, dass Deutschland über Blackout, Zwangsabschaltung und Strom­rationierung diskutierte. Doch dank des mildem Winters war Strom auch im Januar/Februar 2023 bezahlbar und die Preise fielen im weiteren Verlauf weiter. Ist die Energiekrise wirklich vorbei?

Aktuell ist die Lage jedenfalls entspannt: Seit Dezember 2022 sind die Preise um etwa die Hälfte auf 130 – 140 €/MWh Strom gesunken. Dafür gibt es zwei wesentliche Gründe:

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  • Durch neue Bezugsquellen für Erdgas sind die Gaslager in Deutschland gut gefüllt. Anfang August 2023 lag der Gasspeicherstand Europas bei über 85 % und damit viel höher als zum ­gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. Auch Deutschland hat seine Zielmarke von 85 %, die zum 1. Oktober 2023 erreicht sein soll, schon längst geknackt.
  • Haushalte und Industrie verbrauchen weniger Strom. Im Schnitt liegt der Bedarf 6 bis 7 % unter dem Niveau der Vorjahre. Bei Gas sind es sogar 10 bis 12 % weniger.

Regen dämpft Preise

Neben den vollen Gasspeichern und dem reduzierten Verbrauch dämpfen aber auch die üppigen Niederschläge im Juli/August das Preisniveau. Die Ausgangslage für die Stromerzeugung aus Wasserkraft hat sich verbessert, weil Flusspegel gestiegen und die Stauseen gefüllt sind. Das ergänzt das Stromangebot bei uns, aber auch in Südeuropa.

Die entspanntere Lage gegenüber dem Sommer 2022 spiegelt sich auch am Terminmarkt wider. Für das letzte Quartal 2023 werden derzeit 115 €/MWh notiert. Dies ist weit entfernt von den Preisen des letzten Jahres, die zeitweise über 300 €/MWh lagen.

Eine Garantie für eine ausreichende Energieversorgung im nächsten Winter ist das aber nicht. Denn eine große Rolle spielt das Wetter. Bei einem sehr kalten Winter würden Gasverbrauch und wohl auch Gaspreise sprunghaft ansteigen. Da Gas in Deutschland und Europa noch immer einen erheblich Anteil des Strombedarfs deckt, könnten dann die Strompreise schnell wieder steigen.

Ein weiterer Faktor sind die französischen Kernkraftwerke. Sollten sie wie im Vorjahr weniger Strom erzeugen als im langjährigen Mittel, würde dies die deutschen Preise im Winter ebenfalls treiben, da dann deutsche Kohle- und Gaskraftwerke einspringen müssten, um den Strom nach Frankreich zu exportieren.

Winter wird volatiler

Unterm Strich ist das Risiko einer Energiemangellage im kommenden Winter deutlich kleiner als vor einem Jahr. Dennoch dürfte der Strom- und Gasmarkt im Winter wohl wieder volatiler werden. Zudem bleibt das Preisniveau gegenüber 2020/2021 erhöht.

Weitere Kriegshandlungen und deren Auswirkungen auf Lieferketten und die Wirtschaft können sich sowohl preissteigernd als auch dämpfend auswirken. Klar ist aber: Den „Energiekrieg“ hat Russland weitgehend verloren.

Für den individuellen Strombezug sollten Landwirte versuchen, die eventuell in 2022 abgeschlossenen Verträge mit sehr hohen Preisen zu verdrängen. Der Terminmarkt zeigt für die Kalenderjahre 2024, 2025 und 2026 jeweils niedrigere Preise als für das Vorjahr. Langfristig geht es also preislich weiter nach unten auf die 100 €/MWh zu (siehe Übersicht).

Grünstromanteil bei 70 %

Der höhere Anteil Erneuerbarer Energien (EE) wirkt sich derzeit vor allem auf dem Spotmarkt aus, da dort die Echtzeiterzeugung gehandelt wird. Im Juni und Juli 2023 lag die Erzeugung von grünem Strom in Deutschland zwischen 66 und 72 % – das sind Rekordwerte. Gleichzeitig führt das aber auch häufiger zu Extremlagen wie im Juli 2023, als über Stunden die Preise auf Null oder sogar in den ne­gativen Bereich rutschten. Insgesamt betrifft das bisher aber nur wenige Stunden, sodass der Strommarkt die höheren Erzeugungsmengen aus Erneuerbaren Energien weitgehend aufnehmen kann.

Das könnte sich ändern, wenn in den kommenden Jahren PV und Windkraft stark ausgebaut werden. Dann kommt es darauf an, Flexibilitäten zu heben. Das gilt sowohl in der Erzeugung von beispielsweise Biogas als auch beim Verbrauch (z. B. Pumpen, E-Mobilität, Industrie, Batteriespeicher). Wer also künftig seinen Verbrauch über flexible Verträge mit stundengenauer Abrechnung auf die günstige Zeit des Tages legen kann, senkt seine Energiekosten. Landwirte könnten in Phasen hoher EE-Einspeisung beispielsweise das Getreide mahlen oder die Gülle umpumpen, um zu sparen.

Trotz steigender Strommengen aus Wind und Sonne hat Deutschland aber insgesamt im Frühjahr und Sommer 2023 mehr Strom als in den vergangenen Jahren importiert. Vor allem Strom aus Frankreich, Dänemark und den Niederlanden ist im Sommer oft günstiger, als die Erzeugung in deutschen Gas- und Steinkohlekraftwerken. Im Winter wird sich dies voraussichtlich wieder umkehren, so dass Deutschland am Ende des Jahres wohl mit einer ausgeglichenen Strombilanz dasteht.

Politik behält Energiemarkt im Auge

Da sich die Strommärkte entspannt ­haben, wurde die Abschöpfung von ­Zufallsgewinnen bei Stromerzeugern nicht neu aufgelegt und lief am 30. Juni 2023 aus. Anders sieht es bei der angedachten Subventionierung des Industriestroms aus. Aktuell ist der Strom in Deutschland immer noch doppelt so teuer wie vor dem Ukrainekrieg. Die Bundesregierung steckt in einem Dilemma: Sie will die industrielle Wertschöpfung mit niedrigeren Energiepreisen in Deutschland halten und gleichzeitig die begünstigten Branchen dazu drängen, effizienter und sparsamer mit Energie umzugehen. Die staatliche Steuerung dazu soll dann noch kosteneffizient und der Kreis der Begünstigten begrenzt sein. Keine leichte Aufgabe für das Wirtschaftsministerium.

Raushalten wird sich die Politik ­jedenfalls nicht. Denn der Umbau zu 80 % Erneuerbaren Energien sowie die Entwicklung von Anreizen zur Flexibilisierung und Elektrifizierung von Verbrauchern oder auch der Erhalt der industriellen Wertschöpfung benötigt staatliche Flankierung.

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