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Funktioniert die Kostendeckung bei den Milchpreisen per Verordnung?

Spanien, Frankreich und Italien wollen ihre Erzeugerpreise für Milch an den Herstellungskosten ausrichten. Das Thünen-Institut hat untersucht, ob das auch in Deutschland möglich wäre.

Lesezeit: 4 Minuten

Unser Autor: Dipl. Ing. agr. Bernhard Forstner, Thünen-Institut für Betriebswirtschaft, Braunschweig, berichtet:

Viele Landwirte beklagen nicht auskömmliche Erzeugerpreise. Der Ruf nach kostendeckenden Preisen ist deshalb laut. Die Forderung: Die Erzeugerpreise sollen die Vollkosten decken. Die Länder Spanien, Frankreich und Italien versuchen bereits auf unterschiedliche Weise, die Stellung der Erzeuger in den Wertschöpfungsketten zu verbessern. Beispielsweise sollen Molkereien einen Milchpreis zahlen, der mindestens die Herstellungskosten deckt. Die Umsetzung der verabschiedeten Gesetze gilt nicht nur für Milch, sondern ist allgemein gültig. Sie steht allerdings noch am Anfang.

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Schnell gelesen
- Spanien, Italien und Frankreich haben gesetzliche Regelungen zur ­Orientierung der Erzeugerpreise an den Herstellungskosten eingeführt.
- AbL und BDM fordern ein Kaufverbot unter Herstellungskosten auch für Deutschland.
- Das Thünen-Institut hat verschie­dene Experten über die Systeme in diesen Ländern befragt. Das Ergebnis: In der Praxis zeigen die Gesetze bisher kaum Wirkung.
- Die Referenzkosten festzustellen, wäre problematisch, weil die Produktionskosten der Betriebe sehr unterschiedlich sind. Staatliche Regelungen zu kosten­deckenden Preisen sind laut Experten in Deutschland derzeit kaum realistisch.

Auch in Deutschland haben sich zahlreiche Verbände in der „Initiative Faire Preise in der Lieferkette“ zusammengeschlossen. Seit Jahren kommt hierzulande der größte politische Druck hin zu mehr Marktregulierung von einer Gruppe der Milcherzeuger, darunter sind der Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM) und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Sie schlagen vor allem ein aktives Mengen- und Vermarktungsmanagement vor, um durch höhere Erzeugerpreise bessere Einkommen zu erzielen und möglichst viele Höfe zu erhalten.

Zuletzt sorgte auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) für erneute Diskussionen um Milchlieferverträge: Silvia Bender (Grüne), Staatssekretärin im BMEL, kündigte Ende August bei einer Konferenz zur Zukunft der Milchviehhaltung an, den Artikel 148 GMO (Gemeinsame Marktorganisation) schnellstmöglich in Kraft setzen zu wollen. Laut ihrer Aussage ermögliche die GMO es den EU-Mitgliedstaaten, verbindlich vorzuschreiben, dass Rohmilchlieferungen ausschließlich aufgrund schriftlicher Verträge erfolgen dürfen, in denen insbesondere Menge, Qualität und Preise zu definieren sind. Wie gut funktionieren solche Regelungen? Das Thünen-Institut hat einen Blick in die Nachbarländer geworfen.

Klappt das bei den Nachbarn?

Die Gesetze in Spanien, Frankreich und Italien sollen die Preisbildung von Agrarerzeugnissen so verändern, dass diese auf Basis der Herstellungskosten der landwirtschaftlichen Betriebe beruht. Der bestehende obligatorische Abschluss von Kaufverträgen soll dazu führen, dass Landwirte aktiver vermarkten. Trotz dieser Gemeinsamkeit weisen die Regelungen in den drei Ländern große Unterschiede auf: Während Spanien und Italien in ihren Gesetzen ein striktes Kaufverbot unter Herstellungskosten vorschreiben, sieht Frankreich lediglich eine Berücksichtigung der Produktionskosten vor. Andererseits ist Frankreich in Hinblick auf die Kostentransparenz und die Werterhaltung in der Wertschöpfunsgskette besonders ambitioniert (siehe Übersicht).

In der Befragung des Thünen-Instituts von Verbänden und Unternehmen in den drei Ländern äußerten Vertreter der Erzeugerebene hohe Erwartungen an die Gesetze. Die Verarbeitungs- und Handelsebene bewertet die Regelungen dagegen eher kritisch: Sie weist auf die treibende Wirkung der Verbraucherpreise hin sowie auf die Belastung im Exportgeschäft und die Bürokratiekosten. Die befragten Experten sehen bisher nirgends Auswirkungen der neuen Regelungen auf die Erzeugerpreise. Ihrer Einschätzung nach bilden sich die Preise weiter frei am Markt.

Die Einführung eines Kaufverbots unter Herstellungskosten hätte in Deutschland vermutlich ähnliche Konsequenzen: Mit höheren Erzeugerpreisen würden die Preise für Agrarrohstoffe und Lebensmittel steigen, was bei der Nachfrage wiederum zu Verlagerungs- und Substitutionseffekten führen dürfte. Exportorientierte Unternehmen hätten mit einer eingeschränkten Wettbewerbsfähigkeit zu kämpfen. Höhere Erzeugerpreise dürften außerdem für zusätzliche Produktionsanreize bei den Landwirten sorgen. Um Überschüsse am Markt zu vermeiden, könnte eine möglichst EU-weite Mengensteuerung erforderlich werden. Ein hoher Regelungs- und Administrationsaufwand wäre dann unvermeidlich.

Welche Produktionskosten?

Ein weiterer Knackpunkt einer Verordnung für kostendeckende Preise wäre das Erfassen und Festlegen der relevanten Produktionskosten. Diese sind, je nach Region, Produktionssystem oder Betriebsstruktur höchst unterschiedlich. Unabhängig vom Kostenniveau gäbe es weiterhin den Wettbewerb zwischen den Höfen: Die kostengünstigsten Betriebe würden die höchsten Margen generieren und könnten ihre Wettbewerbsvorteile über die Faktormärkte realisieren, weil sie z. B. höhere Pachtpreise zahlen könnten. Den Strukturwandel würde eine kostenorientierte Preissetzung daher nicht verhindern, sondern ggf. sogar beschleunigen.

Frankreich, Spanien und Italien zeigen, dass viele Ausnahmen, unklare Bestimmungen hinsichtlich der zu ermittelnden Produktionskosten sowie der hohe bürokratische Aufwand die Zielerreichung der Gesetze einschränken. Es gibt dort de facto kein Kaufverbot unter Herstellungskosten. In Deutschland sollte genau beobachtet werden, wie die Regelungen in den drei EU-Staaten in Zukunft wirken, bevor national entsprechende Gesetze auf den Weg gebracht werden.

Lesen Sie weitere Ergebnisse der Studie hier im Workingpaper.

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