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topplus Genetik im großen Stil

Wie es einem amerikanischen Landwirt gelingt, wertvolle Milchkühe zu züchten

top agrar war zu Besuch bei der Oakfield Corners Dairy-Farm. Milchproduktion und Rinderzucht sind die Standbeine des Elite-Betriebes. Ihre Genetik schafft es auch auf den deutschen Markt.

Lesezeit: 8 Minuten

Ich stehe vor dem Melkkarussell und bin überwältigt. 72 Kühe auf der Plattform und jedes einzelne Melkzeug bedient ein Roboter. Nur ein einziger Mitarbeiter überwacht das Melken der insgesamt 2.900 Kühe. Eine Person treibt die Kühe und ein dritter Mitarbeiter pflegt währenddessen die mit separierter Gülle gefüllten Liegeboxen. Die Kühe sind entspannt und auch den Menschen ist kein Stress anzusehen.

Schnell gelesen

Ein Roboter-Karussell mit 72 Plätzen melkt die Kühe dreimal täglich. Die Milch wird in Trucks gesammelt und zu einer Genossenschaftsmolkerei transportiert.

14.000 kg Milch gibt eine Kuh durchschnittlich pro Jahr. Der Milchpreis liegt aktuell bei umgerechnet 40 ct/kg.

Auch die Zucht gehört zu den Stand­beinen der Farm. Mehrere Tausend Em­bryonen übertragen Mitarbeiter jährlich auf betriebseigene Trägertiere.

Schaukühe haben einen eigenen Stall. Auch Jungrinder mit Schaupotenzial sind separat untergebracht.

Über 100 Bullen stehen mittlerweile bei Besamungsstationen in den USA und Kanada – aber auch in Deutschland.

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Rund um die Uhr Melken

Die Farm namens Oakfield Corners Dairy liegt zwischen Buffalo und Rochester im Bundesstaat New York im Nordosten der USA. Ihr Kürzel OCD ist begeisterten Züchtern auch in Deutschland ein Begriff. Aber dazu später mehr.

Nach ein paar Minuten des Staunens begrüßt mich der Betriebsleiter Jonathan Lamb. Er erklärt mir, dass das automatische Melkkarussell von Gea seit drei Jahren in Betrieb ist. Zuvor wurden die Kühe in einem Doppel-20er-Fischgrätenmelkstand gemolken. „Wir wollten das Melken automatisieren. Trotzdem war es uns wichtig, die Liegeboxen dreimal täglich zu pflegen. Mit Roboterboxen auf einem Karussell lässt sich das kombinieren – besser, als mit einzelnen Robotern im Stall“, sagt er.

Auf einem Bildschirm lässt sich der Melkprozess überwachen. Rot bedeutet beispielsweise, dass ein Tier nicht erkannt wurde. Ist das Feld dunkeltürkis, ist die Kuh fertig gemolken. Vor und nach dem Melken werden die Zitzen im Melkbecher gedippt. Das Karussell läuft rund um die Uhr und melkt die Kühe dreimal täglich. Zwischendurch gibt es nur kurze Pausen für eine Reinigung von etwa einer Stunde und 15 Minuten. Die Kühe sind in Gruppen mit je 350 Tieren eingeteilt. Eine Gruppe besteht aus Schwermelkern, bei denen sich die Plattform langsamer dreht.

Komfortables Zuhause

Links und rechts neben dem Gebäude, in dem sich das Melkkarussell befindet, stehen zwei baugleiche Kuhställe. Einer ist zwei, der andere drei Jahre alt.

Jonathan Lamb öffnet ein großes Rolltor an der Stirnseite und wir gehen hinein. Hinter uns schließt er das Tor wieder. Im Stall ist die Luft angenehm – fast schon kühl im Vergleich zu 23 °C draußen. Das ist auch kein Wunder: Denn rundherum befinden sich automatisch gesteuerte Ventilatoren. Bei den vier Außenwänden sind sie in die Wand verbaut und bringen Frischluft in den Stall. Zusätzlich hängen über den Liegeboxen und über dem Fressbereich weitere Lüfter.

Über dem Fressgitter ist eine Wasservernebelungsanlage installiert, um die Tiere zusätzlich zu kühlen. Hitzestress im Sommer wird hier wohl nicht zum Problem, so mein Eindruck. „Im Stall ist es mindestens 5 °C kühler als draußen“, erklärt der Farmer.

Zweimal täglich legt ein Futtermischwagen mit drei vertikalen Schnecken den Tieren eine Ration aus zwei Dritteln Maissilage und einem Drittel Luzerneheu vor. Zudem sind Mais- und Sojaschrot und Mineralien enthalten.

Damit sich die Tiere gerne zum Fressen und zum Melken bewegen, steht regelmäßig Klauenpflege auf dem Programm. Und zwar montags, donnerstags und sonntags. Das übernehmen die Angestellten selbst. Insgesamt schneiden sie jede Kuh zweimal jährlich aus.

Nicht Tank, sondern Truck

Das Management der Farm zahlt sich aus: Jede Kuh gibt täglich 43 kg Milch. Damit erreichen die Tiere eine durchschnittliche Herdenleistung von 14.000 kg je Kuh und Jahr. Die Milch enthält etwa 4,3 % Fett und 3,25 % Eiweiß. Der Zellgehalt liegt bei 100.000 je ml. „Für die Milch bekommen wir aktuell 20 $ je 100 lbs“, sagt Jonathan Lamb. Umgerechnet sind das 40 ct/kg.

Die OCD-Farm liefert ihre Milch an die Upstate Niagara Cooperative, eine Genossenschaftsmolkerei mit 250 Mitgliedsbetrieben. Als wir auf die Milchtrucks blicken, wird mir die Dimension dieser Farm noch einmal mehr bewusst. Die Milch der Kühe wird nicht in einem klassischen Tank gesammelt, sondern direkt in Trucks gefüllt und zur Molkerei gefahren. Ganze 127.000 kg. Jeden Tag.

7.500 Embryonen pro Jahr

Doch die Milchproduktion ist nicht das einzige Standbein von Oakfield Corners Dairy. Jonathan und sein Team stecken viel Herzblut in die Zucht. Sie nehmen an unzähligen Schauen teil, verkaufen exterieurstarke Tiere und haben Rinder mit hohen genomischen Zuchtwerten in der Herde. Die Spitze lag bislang bei 3.371 Punkten im Total Performance Index (TPI), dem amerikanischem Gesamtzuchtwert. Mehr als 100 Bullen hat die Farm an Besamungsstationen verkauft. In den Top-Listen der Zuchtwertschätzung ist das OCD-Kürzel keine Seltenheit. Auch die Siegerin der World Dairy Expo 2023, die Kuh Oakfield Solomon Footloose, findet ihren Ursprung auf dieser Farm.

Die Herde besteht zu 37 % aus Erstkalbskühen und zu rund 30 % aus Zweitkalbskühen. „Eigentlich wären mir 32 % Färsen lieber“, erklärt Lamb. „Aktuell ist die Herde jünger, als ich es bevorzuge.“ Für die Zucht nutzt er insbesondere Tiere, die einen hohen genomischen TPI haben oder exterieurstark sind. Manche Kälber sind sogar auf deutscher Basis getestet, um Embryonen attraktiver für den Verkauf zu machen. Von den besten Jungtieren im Alter von sechs Monaten gewinnt ein Tierarzt Eizellen, um sie später per ­In-vitro-Fertilisation zu befruchten. Daraus entstehen Embryonen, die die Farm-Mitarbeiter später selbst übertragen.

Wir übertragen etwa 7.500 Embryonen pro Jahr. Die meisten davon tragen unserer Tiere aus." - Jonathan Lamb

Als Jonathan mir sagt, wie viele Embryonen das im Jahr sind, setze ich den Stift beim Mitschreiben ab und frage verblüfft nach: „Sind es wirklich 7.500?“ Seine Antwort: „Ja. Und die meisten tragen wir mit unseren Tieren selbst aus.“ Das klappt, weil der Betrieb noch zwei weitere Standorte mit Kühen hat, wie er mir später erzählt. Etwa 120 Embryonen verkauft die Farm jährlich, den Großteil an deutsche und japanische Zuchtorganisationen.

Reproduktion im Griff

Lamb erklärt mir aber auch, dass er im Mittel 15 Kälber typisieren lassen muss, um eines mit einem besonders hohen TPI zu finden. Die besten männlichen Tiere verkauft er an Besamungsstationen – voranging in den USA und Kanada. Gesextes Sperma setzt er kaum ein. Circa 40 % der Kühe werden mit Fleischrassesperma besamt. Von ihnen möchte der Farmbesitzer keine Nachzucht haben.

Um brünstige Tiere zu finden, unterstützt das System Heattime mit Ohrmarkensensoren. Zeigt eine Kuh nach dem ersten Zyklus keine Brunst mehr, geht sie in ein Ov-Synch-Programm über und wird nach Termin besamt. Die Zwischenkalbezeit liegt bei durchschnittlich 13 Monaten.

Die Trockensteher befinden sich in einem separaten Stall und haben dort Zugang zur Weide.

Verwöhnte Topmodels

Mit dem Auto fahren Jonathan und ich über die Farm. Am anderen Ende halten wir an einem kleinen Stall an. „Hier stehen unsere Schaukühe“, sagt er. In dem 2014 gebauten Stall sind 28 Kühe. Sie befinden sich in großzügigen Buchten in Sechser-Gruppen, die mit Sägemehl eingestreut sind. Nachts und manchmal auch morgens haben die Kleingruppen Zugang zur Weide. Zwei Mitarbeiter sind für den Schaustall verantwortlich. Sie füttern die Tiere täglich mit Heu, Mais- und Grassilage. Allerdings nicht als gemischte Ration, sondern als einzelne Komponenten. Dadurch sollen sie eine tiefere Rippe bekommen und nicht zu viel Fleisch ansetzen. Zudem gibt es Lecksteine und dreimal täglich Kraftfutter on top.

Die Mitarbeiter melken jede Kuh morgens und abends in einem Anbinde-Melkstand, wo zwei Tiere gleichzeitig Platz haben. Das dauert etwa 75 Minuten. Alle zwei Wochen wird jede Kuh geduscht. Vor einer Schau werden die Kühe fünfmal wöchentlich gewaschen.

Big, bigger, USA

Wir gehen rüber zum Jungtierstall, in dem junge Potenzialträger stehen. Wieder in großzügigen Sägemehl-Ställen in kleinen Gruppen. „Die Schaukälber bleiben hier auf der Farm. Alle anderen Tiere reisen im Alter von zwölf Wochen auf einen Aufzuchtbetrieb in New York State. Bis dahin waren sie in Einzeliglus und haben bis zur achten Lebenswoche Milch bekommen. Kreuzungskälber verlassen den Betrieb mit drei Tagen.

Auch wenn diese Farm deutlich größere Dimensionen hat, als die meisten deutschen Betriebe, ist das noch nicht das Ende der Fahnenstange: Jonathan bewirtschaftet gemeinsam mit seinem Bruder noch zwei weitere Standorte, einen in Ohio und einen ebenfalls in New York. Auf den drei Standorten halten sie insgesamt 10.500 Kühe und bewirtschaften knapp 5.700 ha mit der Hilfe von insgesamt 150 Mitarbeitern.

Als ich mich auf den Heimweg mache, bin ich beeindruckt von den rahmigen Kühen, dem klaren Management und von der Zucht, dessen jahrelange Arbeit Früchte trägt. Wenn ich das nächste Mal das OCD-Kürzel in einer Top-Liste entdecke, schaue ich genauer hin.

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