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Tierhaltung in der Krise

Herkunfts- und Haltungskennzeichen: Ausweg für die Nutztierhalter?

Der Strukturbruch in der Schweinehaltung setzt sich fort. Ob die Haltungs- und Herkunftskennzeichnungen die Trendwende bringen, bleibt abzuwarten. Beim 1. HaltungsDialog überwog aber der Optimismus.

Lesezeit: 4 Minuten

Die deutsche Nutztierbranche steckt in der Krise. Am deutlichsten sieht man das in der Schweinehaltung, wo jedes Jahr viele Landwirte wegen überbordender Anforderungen und fehlender wirtschaftlicher Aussichten den Stall zum letzten Mal leeren und endgültig aus der Produktion aussteigen. Strukturwandel war gestern, inzwischen muss von einem regelrechten Strukturbruch gesprochen werden.

Nutztierhaltung unverzichtbar

Lässt sich das Ruder noch herumreißen oder müssen wir uns auf immer weiter wegbrechende Betriebs- und Tierzahlen und steigende Importe einstellen? Laut Prof. Markus Schick, Abteilungsleiter für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit im Bundeslandwirtschaftsministerium, darf das keine Option sein, denn Deutschland ist nach seiner Überzeugung auf eine stabile Nutztierhaltung angewiesen – nicht nur zur Lebensmittelerzeugung, sondern auch wegen ihres unverzichtbaren Beitrags zur Kreislaufwirtschaft.

Beim 1. HaltungsDialog von Forum Moderne Landwirtschaft und MSD Tiergesundheit gab Schick gestern in Berlin zu bedenken, dass der Erhalt der landwirtschaftlichen Tierhaltung nicht ohne den Verbraucher geht. Und dem werden Aspekte wie Tierwohl und Regionalität immer wichtiger. Laut einer aktuellen Studie einer Betriebskrankenkasse hätten 82 % der 14 – bis 34-Jährigen angegeben, dass Fragen der Regionalität, Transparenz und des Tierwohls bei der Ernährung sehr wichtig seien. Nachhaltigkeit sei daher kein Trend mehr, sondern ein Lebensbestandteil der jungen Verbraucher, so Schick.

Nach seiner Überzeugung bieten deshalb die vom BMEL entwickelten staatlichen Haltungs- und Herkunftskennzeichen eine echte Chance, die Bürger mitzunehmen und den Tierhaltungsbetrieben eine wirtschaftliche Perspektive aufzuzeigen. Zuerst mit der Haltungskennzeichnung für frisches Schweinefleisch. Die soll aber bereits im nächsten Jahr auf Außer-Haus-Verpflegung, Verarbeitungsprodukte und anschließend auf den gesamten Lebenszyklus des Schweins sowie weitere Tierarten ausgeweitet werden.

Regional genauso wichtig wie Haltungsbedingungen

Der niedersächsische Schweinehalter Jan-Hendrik Hohls hat darauf nicht gewartet, sondern ist vor einigen Jahren mit intaktem Ringelschwanz und Strohhaltung voll auf Tierwohl gegangen. Und das mit Erfolg, was ihm zufolge viel mit dem gewählten Vermarktungskonzept zu tun hat. Er schlachtet wöchentlich rund 120 Tiere und setzt sie – Head to Tail – über drei Familienmetzgereien im Absatzgebiet zwischen Hamburg und Hannover ab.

Wichtig ist Hohls dabei, einen hohen Tierwohlstandard mit „Regional“ zu verknüpfen. Das verspricht nach seiner Erfahrung den größten Erfolg beim Verbraucher. Der Schweinehalter sagt deshalb ungeachtet seiner persönlichen Unternehmensentwicklung: „Wir brauchen die Haltungs- und Herkunftskennzeichnung.“

Dosch: Kennzeichnung schnell auf Sauen und Ferkel ausweiten

Das meint auch der Leiter des Hauptstadtbüros der Tönnies-Unternehmensgruppe, Thomas Dosch. Er wirbt unter anderem für eine rasche Ausweitung der Labels auf Sauen und Ferkel wirbt, nicht zuletzt um 5xD richtig umsetzen zu können. Darüber hinaus brauche es ein gutes Baurecht und schnelle Genehmigungen, um die Pläne für mehr Tierwohl in der Schweinehaltung auch umsetzen zu können.

Dr. Veronika Drexl von der Schweinespezialberatung Schleswig-Holstein gab zu bedenken, dass die Ferkelerzeugung in Deutschland längst zu schwach aufgestellt ist, um den heimischen Bedarf zu decken. Die Mäster mit beispielsweise dänischen Ferkeln seien daher skeptisch gegenüber 5xD oder der Herkunftskennzeichnung. Mehr Ferkel aus eigener Produktion müssen also her. Dem stehen nach Darstellung von Drexl aber die anhaltenden Unsicherheiten zu den künftigen Haltungsbedingungen und die ausufernde Bürokratie im weg. Sie wünscht sich deshalb klare Regeln und mehr Tempo bei der Umsetzung von der Politik.

Für foodwatch sind die Labels kein Durchbruch

Der Geschäftsführer von foodwatch Deutschland, Dr. Chris Methmann, kann die „Euphorie“ um die staatliche Haltungs- und Herkunftskennzeichnung nicht nachvollziehen. Nach seiner Auffassung sagen die fünf Haltungsstufen noch nichts über dadurch erreichte Tiergesundheit aus. Er sagt: „Viele Kühe leiden an Euterentzündungen. Denen ist nicht geholfen, wenn sie aus dem Fenster gucken können.“ Das Label lade außerdem die Verantwortung auf die Verbraucher ab und schüre den indirekten Verdacht, dass Tiere im Ausland grundsätzlich schlechter gehalten werden.

Hohls: Tierwohl ist nicht nur Tiergesundheit

Das wollte Hohls so nicht stehen lassen. Er stellte klar, dass sich Tierwohl nicht allein auf Tiergesundheit beschränken lässt. Für ihn bemisst sich Tierwohl auch an der Summe der Entscheidungen, die ein Nutztier in seinem Leben beispielsweise bei Fütterung, Orientierung, Beschäftigung oder Lagerung treffen kann. „Käfighaltung hatte die gesündesten Hühner und lieferte die salmonellenfreisten Eier“, dennoch habe man sich aus Tierwohlgründen bewusst dagegen entschieden, so der Landwirt aus Bergen.

In dieselbe Richtung zielen ihm zufolge die die Haltungs- und Herkunftskennzeichnung. Dabei sei auch nicht trivial, dass den Schweinen in Haltungsstufe 2 „nur“ 12,5 % mehr Platz zur Verfügung stehe als in Stufe 1, betonte Hohls. Denn auch das sei ein Beitrag für mehr Tierwohl, für den der Verbraucher einen Beitrag leiste – solange der Handel mitmache.

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