In Schleswig-Holstein ist etwa ein Fünftel der Landesfläche als Niederung definiert; 80 % davon werden landwirtschaftlich genutzt. 85.000 ha sind Moorböden.
Die Niederungen sind somit Existenzgrundlage für viele landwirtschaftliche Betriebe und ein wichtiger Baustein für den Klima- und Artenschutz. Gleichzeitig stehen diese Regionen durch Klimawandel und Extremwetter vor einem erheblichen Anpassungsbedarf, weiß das Agrarministerium in Kiel.
Dort wollte man nun wissen, was das genau für die landwirtschaftlichen Betriebe bedeutet, wie groß die Treibhausgaseinsparpotentiale sind und wie es um die Wirtschaftlichkeit alternativer Flächennutzungen steht.
Gutachten liefert Antworten
Eine erste Datengrundlage, um zukunftsfähige Nutzungskonzepte zu entwickeln, gibt das Gutachten "Ökonomische Betroffenheit eines angepassten Niederungsmanagements für die Landwirtschaft in Schleswig-Holstein", das das Agrarministerium am Mittwoch in Rendsburg vorgestellt hat.
Das rund 70 Seiten umfassende Gutachten stammt vom Kieler Institut für Europäische Landwirtschaftsstudien GmbH. Institutsleiter Professor Dr. Uwe Latacz-Lohmann erläuterte, dass sich bei einer Anhebung der Wasserstände um 20 cm jährlich gut 1,5 Mio. t CO2-Äquivalente in den Moorregionen der Niederungen Schleswig-Holsteins einsparen. Das seien immerhin 17,5 t CO2-Äquivalente pro Hektar – vorausgesetzt, dass dies wasserbaulich machbar ist. In diesem Fall wäre die Nutzbarkeit in Teilen der Region noch gegeben – und somit der Verlust an landwirtschaftlicher Wertschöpfung deutlich geringer als bei ganzjähriger Anstauung des Wassers nahe der Geländeoberfläche."
Milchviehhaltung auf Flächen mit erhöhten Wasserständen werde allerdings schwieriger, aber kann möglich bleiben, so der Professor bei der Vorstellung weiter. "Im Winter anstauen und im Sommer den Wasserstand wieder etwas absenken. Das bringt schon eine Menge fürs Klima, und das gerade in der Milchviehfütterung eingesetzte Grünland kann weiter genutzt werden", ergänzte Prof. Dr. Torben Tiedemann, Mitautor der Studie. Allerdings werde dies voraussichtlich mit deutlichem Mehraufwand und geringeren Milchleistungen verbunden sein.
Gute Noten für Moor-Photovoltaik
Es wurden zudem unterschiedliche Folgenutzungen wiedervernässter Flächen betriebswirtschaftlich untersucht. "Moor-Photovoltaik-Anlagen schneiden dabei aus ökonomischer Sicht theoretisch am besten ab. Sie erzielen sogar eine deutlich bessere Wertschöpfung als die intensive Milchwirtschaft auf trockengelegten Moorstandorten. Theoretisch wohlgemerkt. Leider fehlt es in der Eider-Treene-Niederung an geeigneten Einspeisepunkten, an vielen Stellen ist die Torfauflage zu mächtig, und außerdem schließen die ausgewiesenen Schutzgebiete in der Region die Installation von Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen aus", so Latacz-Lohmann.
Er wies zudem darauf hin, dass von der Förderung von Moor-Photovoltaik-Anlagen nur Flächeneigentümer als potenzielle Verpächter profitieren. Pächter würden durch die pachtpreistreibende Wirkung infolge der höheren Flächenkonkurrenz vermutlich schlechter gestellt werden.
Gesamtgesellschaftlich weiter in den Dialog kommen
Landwirtschaftsminister Werner Schwarz betonte, dass die Studie ein weiterer wichtiger Baustein sei, um gemeinsam mit den Betroffenen vor Ort im Dialog freiwillige Lösungen zu entwickeln. Sie liefere erstmals konkrete Zahlen aus agrarökonomischer Sicht.
Politik müsse nun Verantwortung übernehmen und in den betroffenen Regionen für eine dauerhafte wirtschaftliche Perspektive und Planungssicherheit sorgen. Die Weiterentwicklung von Förderinstrumenten, die Honorierung von Gemeinwohlleistungen unter anderem mit EU-Mitteln und das erfolgreiche Instrument der Flurbereinigung müssen hierbei laut Schwarz mitgedacht werden.
Bauern fordern Zusage, dass Moorvernässung freiwillig bleibt
Der Bauernverband Schleswig-Holstein begrüßt, dass das Gutachten die massive Betroffenheit der Landwirtschaft durch die Moorvernässsungspläne der Landesregierung deutlich macht. „Die Aussagen der Wissenschaftler verdeutlichen, wie dramatisch die Auswirkungen auf die Agrarstruktur sind“, so Bauernpräsident Klaus-Peter Lucht.
Er hat jedoch auch einen massiven Kritikpunkt: Denn bei Planung, Auswahl und Umsetzung von geeigneten Flächen des Moorvernässungsprogramms der Stiftung Naturschutz hat das Ministerium bisher keine Einbindung der Land- und Wasserwirtschaft vorgesehen – trotz entsprechender Angebote und Bereitschaft. "Das werten wir als Affront gegen die betroffenen Landwirte“, so Lucht. Er fordert, dsas die geplanten Maßnahmen bei der Moorvernässung nur freiwillig mit der Landwirtschaft vor Ort umgesetzt werden dürften.
Angesichts der Unsicherheiten der Finanzen im Landeshaushalt verlange der Berufsstand verlässliche Zusagen zur Finanzierung der Moorvernässung und zur kooperativen Umsetzung. Oberste Priorität müsse es sein, den Erhalt betroffener Betriebe durch die Ermöglichung eines Flächentauschs für vernässte Flächen und besser ausgestattete moorspezifische Vertragsnaturschutzangebote zu gewährleisten.
Nur dort, wo ein Betrieb es als Chance sieht, könne im Einzelfall im Einvernehmen mit dem Landwirt auch das Raustauschen eines gesamten Betriebes eine gangbare Lösung sein.