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topplus Fachwissen Pflanzenbau

Wirkstoffverteilung in der Pflanze

Oben drauf oder tief hinein – die Wirkstoffe der Pflanzenschutzmittel verteilen sich nach dem Aufbringen ganz unterschiedlich.

Lesezeit: 10 Minuten

Unser Autor: Prof. (i. R.) Dr. Klaus Schlüter, vormals FH Kiel/FB Agrarwirtschaft

Damit Pflanzenschutzmittel gut wirken können, muss man sie optimal ausbringen. Dabei sind die Pflanzen entgegen der weit verbreiteten Vorstellung nach dem Spritzen nicht von einem „Wirkstofffilm“ bedeckt. Das ist gar nicht möglich: Spritzbrühe benetzt die Pflanzenoberfläche nicht gleichmäßig, sondern lagert sich immer nur tropfenförmig an. Somit verteilen sich die Wirkstoffdepots zwangsläufig unregelmäßig.

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Wichtig ist vielmehr die ausgebrachte Wassermenge pro Hektar. Wird die empfohlene Menge unterschritten, ist die Tropfenzahl kleiner als bei normalen Aufwandmengen. Dadurch liegen die Wirkstoffdepots weiter voneinander entfernt. Auch bei höherer Fahrgeschwindigkeit nimmt die Benetzung der Pflanzen ab – und damit auch die Wirkung.

Wirkstoffverhalten

Nach dem Antrocknen der Spritzbrühetropfen verhalten sich Wirkstoffe abhängig von ihren chemischen Eigenschaften.

Einige verbleiben auf der Blattoberfläche und haben eine reine Kontaktwirkung. Andere dringen tief in die Kutikula ein und verbleiben dort, wieder andere wandern vollständig in das Blatt oder sogar bis in die Leitbündel. Früher wurden nur Kontaktmittel und systemische Mittel unterschieden. Vor allem bei Fungiziden hat sich das Spektrum inzwischen erweitert. Wie sich die Mittel im Gewebe verteilen, lesen Sie nachfolgend.

Die Serie

Die Autoren der Serie „Fachwissen Pflanzenbau“ stellen Zusammenhänge im Pflanzenbau kurz und knackig (wieder) her. Der aktuelle Themenblock heißt „Pflanzenschutz und Wachstumsregler“. Schon erschienen sind „Boden“, „Bodeneingriff“, „Pflanzenphysiologie“ sowie „Fruchtfolge, Zwischenfrüchte und Kulturen“. Alle Beiträge sammeln wir online unter www.topagrar.com/wissen-pflanzenbau

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Hilfsmittel

So setzen sich die ­Präparate zusammen

Pflanzenschutzmittel bestehen nie zu 100 % aus Wirkstoffen. Diese sind flüssig oder fest und nur selten wasserlöslich. Um sie dennoch durch Spritz- oder Sprühgeräte mit Wasser auszubringen, sind weitere Komponenten erforderlich, die meist als Additive, Beistoffe oder  Formulierungshilfsstoffe  bezeichnet werden.

Sie gleichen ungünstige Eigenschaften der Pflanzenoberfläche, der Umwelt, der Applikationstechnik und der Wirkstoffe aus und optimieren deren Bioverfügbarkeit (wie schnell der Wirkstoff am Wirkort ankommt). Auf Schadorganismen wirken sie nicht direkt. Hier die wichtigsten Additive im Überblick:

  • Dispergiermittel stabilisieren feste, meist kristalline Wirkstoffe im Wasser. So bilden sie eine Dispersion, vergleichbar mit einer wasserbasierten Wandfarbe. Oft wird diese Verbindung auch synonym als Suspension bezeichnet.
  • Emulgatoren halten flüssige Wirkstoffe in Form feinster Tropfen in der Schwebe, sodass eine milchig aus­sehende Emulsion entsteht.
  • Tenside sind Löslichkeitsvermittler für wasserunlösliche Stoffe. Sie verringern auch die Oberflächenspannung des Wassers und fördern die Benetzung der Blätter.
  • Haftmittel verbessern das Anhaften (Retention) von Spritzbrühetropfen, kristallinen Wirkstoffen oder Mikro­organismen an der Pflanzenoberfläche.
  • Durch Netzmittel breiten sich die Tropfen auf dem Blatt kontrolliert aus. Sie verbessern zudem die Spreitung (Begriff aus der Oberflächenphysik für das Auseinanderfließen) sowie die Anhaftung der Wirkstoffe.
  • UV-Stabilisatoren schützen Wirkstoffe vor dem zerstörenden UV-Licht.
  • pH-Puffer stabilisieren den Säuregrad der Spritzbrühe.
  • Frostschutzmittel senken den Gefrierpunkt des Handelsproduktes ab.
  • Entschäumer verhindern die Schaumbildung im Spritzbrühetank.
  • Biozide unterdrücken Bakterien im Handelsprodukt.
  • Safener schützen bei bestimmten Herbiziden bzw. Graminiziden die Kulturpflanze vor dem Wirkstoff.

Weiterhin sind  Trägerstoffe  notwendig, um flüssige Präparate, Granulate oder Pulver herzustellen. Bei Pulvern und Granulaten kommen meist Gesteins- oder Kieselalgenmehle und Silikate zum Einsatz. Flüssige Präparate aus Wasser, Ölen und Lösungsmitteln liegen entweder als Dispersion oder Emulsionen vor.

Die Kombination aus Wirkstoffen + Additiven + Trägerstoffen wird als  Formulierung  bezeichnet. Jedes Handelspräparat hat seine spezielle Rezeptur. Alle Präparate lassen sich mit Wasser zu einer gebrauchsfertigen Spritzbrühe anmischen.

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Kontaktwirkstoffe

Wie lange wirken ­belagsbildende Stoffe?

Viele Fungizide und Insektizide enthalten belagsbildende Wirkstoffe. Diese unterscheiden sich in der Nachverteilung.

Ohne Nachverteilung …

Die Kontaktstoffe lagern sich nach dem Antrocknen in die Kutikula ein (siehe Teil 19 in Ausgabe 2/2023). Entsteht auf dem Blatt ein Wirkstoffdepot, das sich nicht weiter verteilt, wirkt das Präparat rein vorbeugend (präventiv, protektiv).

Es wirkt erst dann, wenn z. B. Sporen des Schadpilzes oder tierische Schädlinge Kontakt mit der behandelten Pflanze aufnehmen. Schadpilze, die sich bereits im Blatt befinden, kann der Wirkstoff hingegen nicht stoppen. Verschont bleiben auch versteckt sitzende Schadinsekten.

Pilzsporen oder tierische Schädlinge können mit Kontaktwirkstoffen behandelte Blätter dennoch infizieren. Denn Regen oder Beregnung waschen die Wirkstoffe im Laufe der Zeit ab. Sie verlieren zudem an Wirkung. Wie regenstabil die Präparate sind, hängt von der Formulierung ab und ist sehr unterschiedlich. Zudem ist die Blattunterseite ungeschützt, weil die vergleichsweise großen Spritzbrühetropfen dort nicht angelagert werden.

Ein Problem ergibt sich auch, wenn junge Blätter behandelt wurden – denn durch das Blattwachstum vergrößern sich die Abstände zwischen den Wirkstoffdepots.

Der Raum dazwischen verliert damit seinen Schutz. Das neu zugewachsene Gewebe zwischen den Depots ist somit ungeschützt.

… und mit Nachverteilung

Kontaktmittel mit Nachverteilung geben ihren Wirkstoff hingegen über einen längeren Zeitraum ab – vor allem bei Blattnässe. So verteilt sich dieser im Blattgewebe und auf der Oberfläche. Da die Wirkstoffkristalle sehr gut in den Strukturen der Kutikula haften und somit regenbeständiger sind als klassische Kontaktwirkstoffe, hält die Wirkung länger – das ist vorteilhaft. In ihren Eigenschaften unterscheiden sich diese Mittel deutlich von reinen Kontaktwirkstoffen und von den systemischen Wirkstoffen.

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Systemische Wirkstoffe

Von Zelle zu Zelle und darüber hinaus

Aufgrund der Nachteile von Kontaktwirkstoffen wurden schon vor Jahrzehnten Wirkstoffe entwickelt, die in das Blatt eindringen können. Sie werden entweder von Zelle zu Zelle, zwischen den Zellen oder sogar über die Leitbündel transportiert. Wegen des Weges durch das pflanzliche Leitbündelsystem werden sie als systemische Wirkstoffe bezeichnet.

Schadorganismen wie Pilze oder Insekten nehmen aus dem behandelten Gewebe einen Wirkstoff auf und gehen daran zugrunde. Unkräuter sterben ab, nachdem sie systemische Herbizide aufgenommen haben, Ungräser ereilt das gleiche Schicksal bei systemischen Graminiziden.

Eine Besonderheit weisen systemische Fungizide auf: Sie wirken kurativ (heilend) gegen bereits bestehende Pilzinfektionen im frühen Stadium. Voraussetzung dafür ist, dass das Gewebe noch nicht abgestorben ist. Nur so kann der Wirkstoff den Schadpilz auch sicher erfassen.

Teil- oder vollsystemisch?

Es gibt erhebliche Unterschiede im Wirkstofftransport nach der Applikation der Spritzbrühe auf die Pflanze. Dabei unterscheidet man die teilsystemische (lokalsystemische) von der vollsystemischen Wirkung.

Die  teilsystemischen Wirkstoffe  dringen in das Gewebe unterhalb des Spritzbrühetropfens ein und verteilen sich von Zelle zu Zelle sowie über die Zellwände. Sie gelangen aber nicht in die Leitbündel.

Daraus ergibt sich eine vergleichsweise hohe Konzentration im Gewebe mit entsprechend guter Wirkung. Das ist z. B. bei der Behandlung der Halmbasen des Getreides gegen Krankheitserreger vorteilhaft.

Die  vollsystemischen Wirkstoffe  gelangen darüber hinaus in die Leitbündel und wandern mit dem Wasserstrom durch die Pflanze (akropetaler Transport). Aus den wasserleitenden Gefäßen gehen sie in die umliegenden Zellen über und verteilen sich somit im ganzen Blatt. Durch diese Eigenschaft wirken vollsystemische Wirkstoffe sicherer.

Triazole verlagern sich ­anders

Besondere (herausragende) Eigenschaften haben  Triazolfungizide . Sie verteilen sich von Zelle zu Zelle unter dem Spritzbrühetropfen und mit dem Tran­spirationsstrom durch die Leitbündel in Richtung der Verdunstung zu den Blatträndern. Über die parallel verlaufenden Leitbündel im Getreideblatt wandert ein Wirkstoff somit besonders schnell zur Blattspitze, aber auch in die umliegenden Zellen. Nach wenigen Tagen ist der Wirkstoff im gesamten Blatt verteilt.

Ein Transport gegen den Wasserstrom – also im Blatt nach unten – kommt aber nicht zustande. Möglich ist jedoch, dass der Wirkstoff in der Nähe der Applikationsstelle geringfügig nach unten verlagert wird. Daraus folgt, dass für eine gute Wirkung alle Blätter bei der Spritzung gleichmäßig benetzt werden müssen.

Die ersten vollsystemischen Triazole Anfang der 1980er-Jahre wanderten sehr schnell in den Bereich der Blattspitze (Getreide) und Blattränder (zweikeimblättrige Pflanzen). Das lässt sich per Autoradiografie nachweisen, wie die Fotos 1 und 2 zeigen: Radioaktiv markierte Wirkstoffe werden als Paste auf den Blattstiel appliziert. Nach einigen Tagen ist die Wirkstoffverteilung anhand der dunklen Bereiche nachweisbar. Triadimenol verdünnte sich in der Blattmitte stark und die Wirkung ließ dort schnell nach.

Deshalb wurden bessere Triazole entwickelt. Mitte der 1980er Jahre setzte Tebuconazol als erster Wirkstoff einen neuen Maßstab aufgrund seiner sehr gleichmäßigen Verteilung im Blatt. Alle neueren Triazole zeigen eine außerordentlich gute und gleichmäßige Verteilung über das ganze Blatt bei langer Wirkungsdauer.

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Fungizide

Lässt sich die gesamte Pflanze schützen?

Werden bei der Applikation vollsystemischer Fungizide junge Blätter erfasst, wandert der Wirkstoff von Zelle zu Zelle und verteilt sich über die Leitbündel, bis die Blätter die endgültige Größe erreicht haben. Diese Eigenschaft wird als  „Schutz des Neuzuwachses“  bezeichnet.

Diese Bezeichnung führt in der Praxis immer wieder zu Missverständnissen. Denn: Blätter, die sich erst nach der Spritzung entwickeln, werden von den bislang verfügbaren systemischen Fungiziden nicht erreicht.

Dazu müssten sie nach der Aufnahme erst einmal abwärts bis in den Spross wandern und von dort über die Wasserleitungsbahnen zurück in die jungen Blätter.

Eine Verlagerung von den Blättern bis in die Wurzel findet bei systemischen Fungiziden ebenfalls nicht statt. So kann z. B. eine Blattbehandlung im Raps keinen direkten Effekt auf Krankheiten in der Wurzel entwickeln. Lediglich bei einigen Herbiziden gibt es eine Verlagerung der Wirkstoffe nach unten (basipetal) auch bis in die ­Wurzel oder Rhizome (z. B. Quecke) hinein.

Systemische Beizung ­verteilt sich

Hoch systemische Fungizide und Insektizide eignen sich besonders gut, um Saatgut zu schützen. Samenbürtige Krankheitserreger befinden sich nämlich im Keimling, im Mehlkörper oder außen in den Randschichten. Bodenbürtige Schadpilze befallen Samen von außen (z. B. Fusarien, Rhizoctonia, Pythium). Etliche tierische Schädlinge wandern vom Boden zum Keimling und schädigen ihn. So ist die Saatgutbehandlung seit über 100 Jahren eine äußerst wirksame Methode, um Keimlinge zu schützen und den Auflauf zu sichern.

Die nach der Beizung anhaftenden Wirkstoffe diffundieren und bilden im Boden um den Samen herum einen „Beizhof“ (hellrote Zone in folgender Übersicht). Vor allem über die Wurzelhaare wandern systemische Wirkstoffe nach oben und durchsetzen den gesamten Keimling. Damit werden Insekten und Schadpilze erfasst.

Von besonderer Bedeutung ist die Wirkung gegen Flugbrand von Gerste, Weizen und Hafer. Dieser Pilz befällt den Embryo im Samen und kann mit physikalischen Verfahren (Hitze, Elektronenstrahlung) nicht erfasst werden. Hier bietet die chemische Saatgutbehandlung eine zuverlässige Wirkung.

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Herbizide

Transport nach unten und oben möglich

Einige Herbizide gegen Unkräuter sowie verschiedene Graminizide gegen Ungräser sind vollsystemisch und werden – im Gegensatz zu systemischen Fungiziden – vom Phloem im Leitbündel basipetal (nach unten) transportiert. Auf diese Weise gelangen manche Wirkstoffe sogar in Wurzel oder Rhizome (bei Quecke) und kommen dort zur Wirkung. Das gilt für Ungräser wie auch für Getreidepflanzen.

Die Autoradiografie verdeutlicht an Weizen, wie sich ein systemischer ALS-Hemmstoff (hier Iodosulfuron) in Gräsern und Getreide verhält. Weizen wurde beispielhaft verwendet, da man den Wirkstofftransport aufgrund der größeren Blätter besser nachvollziehen kann als bei Ungräsern.

Das behandelte Blatt ist rot gefärbt. Von dort aus wandert der Wirkstoff zunächst basipetal und dann bis in das jüngste Blatt wieder akropetal (nach oben). Die Weizenpflanze erleidet keinen Schaden, da sich im Präparat Safener befinden. Diese bewirken eine Wirkstoffentgiftung durch die Pflanze.

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