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Ihr Hof, sein Job: Wenn der Nachfolger einheiratet

Wird nicht die Tochter, sondern der Schwiegersohn Betriebsleiter, bringt das neue Konstellationen in Familienbeziehungen und Hofübergabe. Rolf Brauch gibt Impulse für ein gutes Miteinander.

Lesezeit: 8 Minuten

Er ist mit Leib und Seele Landwirt, hat nach der Ausbildung studiert, war einige Jahre im Ausland oder hat schon Erfahrung als angestellter Betriebsleiter gesammelt. Doch als weichender Erbe war der Wunsch, einen Familienbetrieb zu leiten, bislang nur Träumerei. Irgendwann kam die Liebe und wie es das Schicksal so wollte, traf Amors Pfeil eine Hoferbin, die nicht übernehmen möchte. Nach reichlichen Gesprächen mit den „Alten“ fällt schließlich die Entscheidung: sie soll erben, er soll leiten.

Ein seltenes oder besonders neues Szenario ist das nicht. Auch in älteren Generationen gibt es Männer, die den Hof ihrer Ehefrauen bewirtschaften. Man muss nur ein Wochenblatt aus den 80er-Jahren aufblättern: „Landwirt, 30 J., katholisch, sucht Partnerin m. v. Selbstbewusstsein, d. Einheirat bietet.“ Es gibt zahlreiche Höfe, auf denen das erfolgreich funktioniert (hat).

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Männer, fangt an zu reden!

Doch die Emotionen hinter diesem Konstrukt darf man nicht unterschätzen. Auf der einen Seite steht im besten Fall ein motivierter Junior, der viele Ideen hat und viel Wertschätzung dafür mitbringt, auf dem Hof der Familie seine Träume verwirklichen zu können. Auch wenn er für den Hof bereichernd sein kann, ist der Schwiegersohn erst einmal ein Fremder, der an einem anderen Ort und mit anderen Werten und Traditionen aufgewachsen ist. Für den Senior gibt es einen emotionalen Unterschied zwischen den eigenen Kindern und ihren Partnern. Zudem geht die Position des Schwiegersohns als Betriebsleiter im Familienbetrieb tiefer als die der Schwiegertochter, die neben einem Job oder der Kindererziehung noch auf dem Hof mitarbeitet und z. B. die Kühe melkt. Er trifft irgendwann Entscheidungen für den Betrieb, die auf einem Werteverständnis basieren, das nicht von der Kernfamilie geprägt wurde.

Kein Wunder also, dass all diese Gefühle erst einmal zusammenfinden müssen. Ohne Reibungspunkte und Kompromisse ist das nicht möglich. Gerade zwischen den Männern ist gute Kommunikation deshalb unerlässlich. Als Sprachökonomen weichen sie Konflikten gerne so lange aus, bis das Fass überläuft. Und was lange gärt, wird nicht nur Biogas, sondern in der Familie irgendwann zu Frustration und Wut.

Neben den unausgesprochenen Erwartungen an Senior und Junior definiert jede Familie und damit auch jedes Familienunternehmen sehr genau, wie das Leben und Arbeiten auf dem Betrieb zu funktionieren hat. Wie tritt die Landwirtsfamilie im Dorf und in den Vereinen auf? Welche Feste sind wie zu feiern? Welche Geschenke zu wählen? Für Außenstehende ist das nicht immer eindeutig verständlich. Führen diese Gepflogenheiten zu Konflikten, löst das oft starke Reaktionen aus. Beide Seiten fühlen sich unverstanden, wünschen sich Wertschätzung – gerade für ihre Unterschiede. Dieser Mix aus Erwartung, Wahrnehmung und mangelnder Kommunikation entlädt sich dann schnell in Machtkonflikten.

„Entweder ihr wollt wie ich oder ich gehe“

Gibt es offene Konfrontation zwischen den Männern, eskaliert das im schlimmsten Fall so richtig. Ein Landwirt sagte mir mal: „Jeder Bauernhof hat genau einen Misthaufen und darauf kräht genau ein Gockel und das bin ich.“ Wer spätestens an diesem Punkt keinen Frieden sucht, kämpft solange, bis es genau noch einen Sieger gibt. Doch selbst das ist nicht das Ende der Kampfhandlungen. Denn der Verlierer schmiedet längst Rachepläne.

Solche Konflikte müssen nicht sein! Die Beratung auf den Höfen zeigt mir immer wieder, dass sich alle Hofbewohner ein harmonisches Miteinander wünschen.

Feuer austreten, wenn sie noch klein sind

Konflikte, die man nicht löst, beschleunigen nur die Spirale an Problemen. Sobald einem dann der Kragen platzt, geht es rund. Denn über Wochen und Monate haben beide Seiten vermeintliche Kleinigkeiten wie Rabattmarken gesammelt, um sie dem anderen jetzt in aller Ausführlichkeit auf den Tisch zu knallen.

Üben Sie lieber, die kleinen Konflikte wahrzunehmen und auch zeitnah zu formulieren: „Ich hab da ein Thema, das ich gerne ansprechen würde. Können wir uns am Samstag mit einem Kaffee zusammensetzen?“ Ein solches Gespräch zu suchen, kostet vor allem zu Beginn Überwindung.

Gerade in emotional aufgeladenen Situationen ist das Modell der gewaltfreien Kommunikation ein gutes Gerüst, um im Gespräch wieder zueinanderzufinden. Es folgt dem Prinzip der Ich-Botschaften: Sprich nur von Dir, sag, was Dich am anderen stört. Was das mit Dir macht, was Du brauchst und vom anderen erwartest. Sich so zu öffnen, ist ein anstrengender Prozess. Doch nur wer die Gefühle des Gegenübers kennt, kann auch Rücksicht auf sie nehmen und eine wertschätzende Zukunft aufbauen.

Respekt und Sympathie

„Das ist ein guter Junge“, oder „Deine Eltern waren mir richtig sympathisch“: Zwei Sätze, die nach dem ersten Zusammentreffen künftiger Schwieger­eltern und -söhne sicher häufig ausgesprochen werden. Sich sympathisch zu sein, ist gut. Wer als Familie auf einem Hof leben und arbeiten möchte, sollte aber so früh wie möglich Respekt füreinander entwickeln. Denn Respekt spielt in einer deutlich höheren Liga. Er geht über das Gefühl, jemanden einfach klasse zu finden oder Gemeinsamkeiten wie die Liebe zur Landwirtschaft zu sehen, hinaus. Respektiert man jemanden, nimmt man ihn als Menschen, als Person wahr. Mit allen Charakterzügen und mit Akzeptanz für seine eigenen Erfahrungen, Ideen und Vorstellungen. Menschen blühen auf, wenn sie Respekt und damit Wertschätzung erfahren.

Das fängt schon damit an, jemandem im Gespräch aufmerksam in die Augen zu sehen. Unsere Haltung gegenüber anderen beginnt mit der Körperhaltung. Es macht einen Unterschied, ob ich offen bin oder verschränkt, gelangweilt bzw. desinteressiert dasitze und die Situation nur über mich ergehen lasse. Kommunikation ist der fruchtbare Boden, auf dem der Familienbetrieb wächst. Denken Sie dabei immer wieder zurück: Vorwürfe fachen neue Konflikte an, Ich-Botschaften sind dagegen Türöffner für Kompromisse und gegenseitiges Verständnis.

Empathie machts leichter

Und wer viel redet, der sollte auch viel zuhören. Versetzen Sie sich in die Lage des anderen. Wie fühlt sich die Aufregung und Neugierde an, in eine Hoffamilie einzuheiraten? Welche Gefühle bringt die Hoffnung, auf dem Betrieb ein Lebenswerk aufzubauen, das man dann irgendwann selbst vererben kann, mit sich? Welche Sorgen sind damit verbunden? Welche Ansprüche stellt der Schwiegersohn an sich selbst?

Auf der anderen Seite: Welche Gefühlsachterbahn hat die Frage, ob der Hof überhaupt weiter besteht und in der Familie vererbt werden kann, beim Schwiegervater ausgelöst? Auf welche Bereiche seiner Arbeit legt er besonderen Wert und wieso ist ihm das so wichtig? Welche Ängste und Sorgen plagen ihn? Hören Sie zu, fragen Sie nach, selbst wenn Sie glauben, die Antwort zu wissen.

Wenn man die Stärken und Schwächen des anderen nicht kennt, schafft das neue Probleme und führt schnell zurück zum stoischen Schweigen oder zu offenen Stellungskämpfen. Spüren Sie lieber den Empfindungen und Bedürfnissen nach, um Brücken zu bauen.

Reden ist Silber – Schweigen ist Sprengstoff

Gerade die Landwirte arbeiten viel und haben dann kaum noch Energie für Kommunikation. Warten Sie mit dem Reden daher nicht bis zum Abend, dann sind alle müde, gestresst, genervt ... Wählen Sie lieber eine Zeit, zu der es draußen noch hell ist.

Einigen Sie sich im ersten Schritt auf ein Spielfeld und ein Regelbuch. Dieses Regelwerk ist z. B. die gewaltfreie Kommunikation. Es kann aber auch andere Aspekte wie feste Besprechungszeiten oder externe Beratung beinhalten. Bleiben Sie am Ball und lassen Sie die Gespräche nicht abreißen. Dabei geht es nicht nur darum, Konflikte schon im Kleinen zu ersticken. Hier gilt es, die eigenen Erwartungen zu thematisieren. Dinge, die man nicht formuliert, können letztlich gar nicht geklärt werden.

Sich von der Pelle rücken

Doch damit echte Nähe entstehen und wachsen kann, braucht es ein gesundes Maß an Distanz und Abgrenzung. ­Gerade zwischen den Generationen und den Paaren. Die Jungen müssen sich in der neuen Konstellation erst selbst finden und viele Situationen für sich ausloten. Das bezieht sich nicht nur auf den respektvollen Umgang mit den Alten.

Meine Erfahrungen als Berater zeigen, dass dazu auch Dinge wie der Ehevertrag oder (private) Vermögensbildung gehören. Beim Thema Wünsche und Ansprüche zur Hofübergabe müssen die Jungen ebenfalls erst eine gemeinsame Linie und Zukunftsvision entwickeln. Dafür gibt es kein Patent­rezept. Solche Prozesse sind herausfordernd und nicht immer einfach. Deshalb lohnt es sich, Hilfe durch Beratung anzunehmen, genau hinzuschauen und das Leben und Arbeiten miteinander zu einem wichtigen Gesprächsthema zu machen. Denn leider gibt es ein „zu spät“: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans eben oft nicht mehr!

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