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Bundesregierung verabschiedet Gesetz zur Haltungskennzeichnung

Das Bundeskabinett hat heute dem Gesetz zur Einführung einer staatlichen Tierhaltungskennzeichnung zugestimmt. Das Vorhaben steht in Kritik von allen Seiten.

Lesezeit: 7 Minuten

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat heute das "Gesetz zur Kennzeichnung von Lebensmitteln mit der Haltungsform der Tiere, von denen die Lebensmittel gewonnen wurden" – kurz Tierhaltungskennzeichnungsgesetz – durchs Bundeskabinett gebracht. Die erste Lesung im Bundestag soll noch in diesem Jahr folgen.

Nach Planung des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) soll damit ab Sommer 2023 verpflichtend auf inländischem Schweinefleisch die Haltungsform gekennzeichnet werden. Ausländische Produzenten können sich dem Kennzeichnungssystem freiwillig anschließen.

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Es bleibt damit bei den bereits vorgestellten fünf Haltungsformen:

  1. Stall: Die Haltung während der Mast erfolgt entsprechend der gesetzlichen Mindestanforderungen.
  2. Stall + Platz: Den Schweinen steht mindestens 20 % mehr Platz im Vergleich zum gesetzlichen Mindeststandard zur Verfügung. Die Buchten sind durch verschiedene Maßnahmen strukturiert. Dies können z. B. Trennwände, unterschiedliche Ebenen, verschiedene Temperatur- oder Lichtbereiche sein.
  3. Frischluftstall: Den Schweinen wird innerhalb des Stalls ein dauerhafter Kontakt zum Außenklima ermöglicht. Dies wird erreicht, indem mindestens eine Seite des Stalls offen ist, so dass die Tiere Umwelteindrücke wie Sonne, Wind und Regen wahrnehmen können. Zudem steht ihnen mindestens 46 % mehr Platz im Vergleich zum gesetzlichen Mindeststandard zur Verfügung.
  4. Auslauf/Freiland: Den Schweinen steht ganztägig, mindestens jedoch acht Stunden pro Tag, ein Auslauf zur Verfügung bzw. sie werden in diesem Zeitraum im Freien ohne festes Stallgebäude gehalten. Zudem steht ihnen mindestens 86 % mehr Platz im Vergleich zum gesetzlichen Mindeststandard zur Verfügung.
  5. Bio: Die Lebensmittel wurden nach den Anforderungen der EU-Ökoverordnung (EU) 2018/848 erzeugt. Das bedeutet für die Tiere eine noch größere Auslauffläche und noch mehr Platz im Stall gegenüber den anderen Haltungsformen.

Die Kennzeichnung soll zunächst nur für verpacktes und frisches Schweinefleisch im Lebensmitteleinzelhandel (LEH), in Metzgereien und im Fachhandel sowie im online Handel gelten. Eine Übertragung auf die Gastronomie und auch auf weitere Tierarten wie Rinder und Geflügel kündigt die Ampel-Koalition erst in einem zweiten Schritt an.

Özdemir verteidigt vorläufigen Fokus auf Mastschweine

Özdemir verteidigte den vorläufigen Fokus auf Mastschweine im Gesetzentwurf als notwendigen Schritt zum Start der Haltungskennzeichnung. Andere Bereiche wie die Sauenhaltung, die Verarbeitungsstufe oder die Gastronomie könnten zu Beginn noch nicht inkludiert werden, da zuvor die Notifizierung der Maßnahmen aus Brüssel erfolgen müsse. Es sei etwas Neues, dass ein EU-Mitgliedsstaat jetzt bei der Kennzeichnung vorangehe.

„Sobald die Genehmigung da ist, gehen wir weiter – auch, was andere Nutztierarten angeht“, versprach der Minister im Anschluss an die Kabinettssitzung. Es müsse allerdings rechtsstaatskonform ablaufen. Die erste Etappe sei hierzu aber auf den Weg gebracht worden.

Das Unverständnis deutscher Tierhalter, dass ausländische Schweine oder Fleischprodukte, nicht schon zu Beginn der Kennzeichnungspflicht unterliegen werden, versteht Özdemir „sehr gut“. Auch dies hat nach seiner Darstellung mit europarechtlichen Hürden zu tun. Einfach so umgesetzt, wäre dies ein Diskriminierungstatbestand. „Das darf ich nicht“, betonte der Bundesminister. Gleichwohl stehe das Bundeslandwirtschaftsministerium mit dem Handel im Gespräch und werbe für die freiwillige Teilnahme an der Kennzeichnung – auch für Ware aus dem Ausland.

Herkunftskennzeichnung soll 2023 parallel kommen

Möglichst verhindern will der Minister jedenfalls, dass ausländische Produkte womöglich die Lücke füllen, die hohe Auflagen und Strukturwandel im deutschen Fleischangebot reißen. „Deshalb setze ich mich parallel dafür ein neben dem Haltungskennzeichen auch ein Herkunftskennzeichen gibt“, so der Grünen-Politiker. Er habe deshalb von der EU-Kommission die feste Zusage eingeholt, dass Anfang kommenden Jahres die Herkunftskennzeichnung kommen werde. Dann werde man nicht nur sehen können wie das Tier gehalten worden sei, sondern auch, wo es herkomme. Özdemir appellierte in diesem Zusammenhang an die deutschen Verbraucher:

Kaufen Sie gern gutes deutsches Fleisch. Bei Anderen wissen wir halt nicht, wie es gehalten wurde.

Der Bundeslandwirtschaftsminister meint es mit der Herkunftskennzeichnung offenbar wirklich ernst. Sollte Brüssel das gegebene Wort zur Herkunftskennzeichnung Anfang 2023 nicht einlösen, werde er in dieser Hinsicht das tun, was national umsetzbar sei, kündigte Özdemir an. Die Vorarbeiten dazu seien im BMEL bereits im Gange.

Förderung und Baurecht bis Sommer 2023

Die ebenfalls für den Umbau der Tierhaltung notwendige Förderung für die Umstellung auf höhere Haltungsstufen sowie Änderungen im Bau- und Emissionsrecht für den Umbau von Ställen sollen nach Angaben des BMEL bis zum Sommer 2023 umgesetzt werden.

Bisher hat sich die Ampel auf eine Anschubfinanzierung für den Umbau der Tierhaltung in Höhe von 1 Mrd. € ab 2023 für Investitionen in Ställe sowie für laufende Mehrausgaben geeinigt. Dabei ist klar, dass das Geld weder für den langfristigen Umbau der Schweinehaltung auf höhere Haltungsstufen und schon gar nicht für die Ausweitung auf andere Tierarten reichen wird.

Weil sich SPD, Grüne und FDP bisher nicht auf einen langfristigen Finanzierungsvorschlag haben einigen können, soll jetzt eine neue Arbeitsgruppe aus Regierung, Koalitionspartnern und Experten bis Frühling 2023 dazu erneut Vorschläge erarbeiten. Die Mitglieder der Borchert-Kommission sind nach Informationen von top agrar dazu bisher aber nicht angefragt.

Rukwied sieht "deutliche Schwachstellen und Lücken"

Der Deutsche Bauernverband (DBV) kritisierte den Gesetzentwurf zur Tierhaltungskennzeichnung. „Diese Haltungskennzeichnung hat deutliche Schwachstellen und Lücken, mit denen die angestrebte Wirkung nicht nur verfehlt, sondern in Teilen sogar konterkariert wird“, sagte der Präsident des DBVs, Joachim Rukwied. Beispielsweise ist die Sauenhaltung nicht berücksichtigt. So können betäubungslos kastrierte Ferkel weiter aus dem Ausland in den heimischen Markt importiert werden und würden dennoch das Tierwohllabel erhalten. Aus Sicht des DBV droht durch dieses Gesetz zudem mehr Bürokratie für die Betriebe. Denn bisher ist weder ein Anschluss an vorhandene amtliche Meldesysteme noch an private Qualitätssicherungssysteme vorgesehen. „Wir bedauern sehr, dass unsere konstruktiven Vorschläge nicht aufgegriffen worden sind“, monierte Rukwied. Dringend müsse außerdem der Bereich der Verarbeitungsware und neben dem Lebensmitteleinzelhandel auch Verarbeiter, Großverbraucher und Gastronomie mit einbezogen werden. Zwingend notwendig sei neben der Haltungskennzeichnung auch eine Herkunftskennzeichnung, findet der DBV.

Holzenkamp vermisst Transformationsimpulse

„Dieses Gesetz gehört in die Kategorie: Der Berg kreißte und gebar eine Maus“, konstatierte DRV-Präsident Franz-Josef Holzenkamp. Das ist für ihn besonders deshalb enttäuschend, weil mit den Empfehlungen der Borchert-Kommission und der Zukunftskommission Landwirtschaft bereits sehr gute Vorschläge auf dem Tisch liegen, die aufgegriffen und weiterentwickelt werden könnten. Die Gruppierung bestehender Haltungsverfahren in zu kennzeichnende Haltungsstufen zementiert aus Sicht des Raiffeisen-Präsidenten lediglich den Status quo und setzt keine Transformationsimpulse. Er wartet zudem auf politische Antworten zur Finanzierung sowie zum Bau- und Emissionsschutzrecht.

Tierschutzbund spricht von "Etikettenschwindel"

Auch der Deutsche Tierschutzbund ist nicht zufrieden. Der Gesetzentwurf sei eine Enttäuschung, sagte dessen Präsident Thomas Schröder. Das Tierhaltungskennzeichen bilde lediglich den Status quo ab. „Die Debatte um das Kennzeichen wird zwar suggestiv so geführt, als ginge es dabei um Tierschutz, doch der vorgelegte Gesetzentwurf bringt keinerlei substanziellen Fortschritt“, sagte Schröder. Noch immer fehle eine Gesamtstrategie für eine gesellschaftlich akzeptierte Tierhaltung in der Landwirtschaft. "Ein solches Kennzeichen ignoriert den gesellschaftlichen Mehrheitswunsch, erschwert die Diskussion um ernsthaften und nachhaltigen Tierschutz und kann daher nur als Etikettenschwindel bezeichnet werden", sagte Schröder. Er forderte die Anhebung des Ordnungsrechts ebenso wie eine Förderpolitik und Belohnungen für alle, die beim Tierschutz vorangehen. Schröder appellierte an die Bundestagsfraktionen, im weiteren Gesetzgebungsverfahren aus dem aktuellen Entwurf ein Kennzeichen zu machen, das "tatsächlich mehr Tierschutz bringt". Wenn dies nicht gelänge wäre es aus seiner Sicht besser, den Prozess zu stoppen: "Lieber gar kein Kennzeichen, als eines, das den Weg zu mehr Tierschutz extrem belastet", so Schröder.

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