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topplus Renaturierung & Moorvernässung

EU-Naturschutzgesetz: Europaparlament stimmt für umstrittene Pläne

Ganz knapp hat das EU-Parlament am Mittwoch für die Fortführung der Planungen einer umfangreichen Stilllegung und Renaturierung von Agrarflächen in der EU gestimmt. Ziel: CO2-Neutralität.

Lesezeit: 8 Minuten

Das Europaparlament hat sich am Mittwoch hinter den Vorschlag der Europäischen Kommission für ein Naturwiederherstellungsgesetz (NRL) gestellt.

Wie zu erwarten fiel das Abstimmungsergebnis im Straßburger Plenum denkbar knapp aus. Für den von der Europäischen Volkspartei (EVP) gestellten Antrag, den Entwurf abzulehnen, votierten 312 EU-Parlamentarier. Dagegen stimmten 324 Volksvertreter. Enthaltungen gab es zwölf.

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Auch eine gemeinsame Verhandlungsposition hat im Anschluss eine Mehrheit gefunden. Details hierzu sollen im Laufe des Nachmittags bekanntgegeben werden. Damit können nach der Sommerpause die Gespräche im Trilog mit dem Rat und der Kommission über das umstrittene EU-Gesetz beginnen.

10 % der Agrarflächen "aufwerten"

Der von der Kommission im Juni vorigen Jahres vorgelegte NRL-Entwurf sieht bekanntlich vor, dass bis zum Jahr 2030 insgesamt 10 % der Agrarflächen in der Europäischen Union mit Landschaftselementen im Sinne des Naturschutzes aufgewertet werden sollen. Dies bedeutet laut der Brüsseler Behörde aber nicht zwangsläufig eine Stilllegung.

Von der Kommission wurde mehrfach betont, dass es sich hierbei zunächst um einen Richtwert handelt, um die von den Mitgliedstaaten zu erbringenden Maßnahmen zu bewerten. Als gesetzliche Zielmarke verankert werden solle der Wert nicht. Insgesamt sollen nach dem Willen der EU-Behörde bis einschließlich 2030 auf mindestens 20 % der Land- und Meeresgebiete der Union Maßnahmen zur Wiederherstellung der Natur durchgeführt werden.

Moor-Wiedervernässung drängt ganze Betriebe zur Neuausrichtung

Der Umweltrat hatte sich im Namen der Mitgliedstaaten bekanntlich bereits vor einigen Wochen auf eine gemeinsame Position verständigt. Für die Landwirtschaft ist vor allem die Forderung nach einer Moorwiedervernässung von Brisanz. Der Umweltrat will hier jedoch die Zielvorgaben der Kommission aufweichen.

Damit tragen die Umweltressortchefs der Tatsache Rechnung, dass einige Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, von diesen Verpflichtungen „unverhältnismäßig stark“ betroffen wären.

Der Rat legte in seinem Verhandlungsstandpunkt fest, dass 30 % der entwässerten, landwirtschaftlich genutzten Moore bis 2030 wiederhergestellt werden. Und bis 2050 soll es die Hälfte sein. Für Mitgliedstaaten, die stark betroffen sind, sollen gegebenenfalls auch niedrigere Prozentsätze gelten.

Bekanntlich fordert die Kommission ebenfalls, dass bis Ende dieses Jahrzehnts 30 % der entwässerten Torfgebiete, die aktuell landwirtschaftlich genutzt werden, wiederhergestellt werden. Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts sollen es den Brüsseler Beamten zufolge allerdings 70 % sein. Dies gilt allerdings nicht für jeden Mitgliedstaat, sondern betrifft die Gesamtfläche der EU.

Klarstellung: Kein Stilllegungszwang für 10 % der Agrarflächen

Der für das Naturwiederherstellungsgesetz (NRL) federführende EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius hatte zuvor erneut versucht, mit Missverständnissen und Halbwahrheiten hinsichtlich der geplanten Regelungen aufzuräumen.

So betonte der Litauer, dass keinesfalls bis 2030 auf jedem Betrieb 10 % der Agrarflächen aus der Produktion genommen werden müssten. Hierbei handele es sich um eine Empfehlung. Es bleibe den Mitgliedstaaten überlassen, in welchem Maß sie dieser Empfehlung nachkommen wollten, so Sinkevičius. Zudem betonte der Politiker aus der litauischen Partei der „Grünen und Bauern“ klar, dass die Kommission offen für Kompromisse sei.

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Rukwied: vertane Chance für kooperativen Naturschutz

DBV-Präsident Joachim Rukwied spricht von einer vertanen Chance für einen effektiven Naturschutz in Zusammenarbeit mit Landwirten und Landnutzern. "Die Streichung der Stilllegungsverpflichtung über Landschaftselemente und die Wiederherstellung landwirtschaftlicher Ökosysteme ist als kleiner Lichtblick zwar zu begrüßen. Dennoch bleibt der Vorschlag mit seiner Ausrichtung auf Eingriffe und Beschränkungen der Erzeugung eine Belastung für die deutsche und europäische Landwirtschaft“, so Rukwied.

Die Deutschen Bauernfamilien seien bereit, mehr zu tun und weitere Maßnahmen umzusetzen. Allerdings müsse der kooperative Naturschutz die Grundlage und Leitschnur dafür sein, genauso wie für die bevorstehenden Trilog-Verhandlungen, stellt der Bauernpräsident klar.

Grundbesitzerverband: "Arroganz der EU-Kommission führte fast zum Scheitern"

„Die knappe Annahme des Kompromissvorschlags zum NRL zeigt, dass die europäische Biodiversitätspolitik in den jetzt anstehenden Trilog-Verhandlungen einer Korrektur bedarf“, erklärt Max v. Elverfeldt, Vorsitzender der Familienbetriebe Land und Forst. „Die Kommission hatte die betroffenen Landnutzer und ihre berechtigten Belange nicht hinreichend eingebunden – das muss sich jetzt ändern!“

Elverfeldt weiter: „Im Trilog-Verfahren zwischen Kommission, Parlament und Rat kommt es jetzt darauf an, nutzungsintegrierte Ansätze aufzunehmen, mit denen Land- und Forstwirtschaft bei vollem Erhalt ihrer Produktivität noch besser zum Klima- und Biodiversitätsschutz beitragen können. Das bedeutet für uns, dass alle Ziele erreichbar und die Maßnahmen mit konkreten Wirtschaftskonzepten unterlegt sein müssen. Das gilt vor allem für die Moorwirtschaft, den Pflanzenschutz und die Klimaanpassung unserer Wälder zur Sicherung nachhaltiger Holzproduktion. Für den konstruktiven Austausch stehen wir als Land- und Forstwirtschaft bereit.“

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Enttäuschung bei den Konservativen

Lautstarker Widerstand kommt vor allem von den Christdemokraten, denen auch Politiker von CDU und CSU angehören: "Das ist ein schlechtes Gesetz, das überarbeitet werden muss", sagte CSU-Mann Manfred Weber, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Er beobachte schon jetzt eine "schleichende Deindustrialisierung", die sich nicht weiter verschärfen dürfe: "Die letzten vier Jahre waren zurecht geprägt von der Umweltgesetzgebung. Die nächsten fünf Jahre werden eindeutig geprägt sein von Wettbewerbsfähigkeit und Jobs." Die Christdemokraten kritisieren unter anderem, dass das Vorhaben Bauern zu sehr einschränke und damit negative Folgen für die Lebensmittelproduktion habe.

Mortler: "Schwarzer Tag für europäische Landwirtschaft"

Die CSU-Agrarpolitikerin Marlene Mortler findet klare Worte: „Es spricht Bände, wenn Großkonzerne wie Nestlé oder Unilever mit Frans Timmermans in einem Boot sitzen. Was ist gewonnen, wenn wir landwirtschaftlich wertvolle Flächen ihrem Schicksal überlassen? Wenn wir immer weniger Biomasse für Nahrungsmittel, Energie oder nachwachsende Rohstoffe erzeugen. Und wenn wir immer mehr davon importieren müssen? Ist das nachhaltig? Nein!“

Timmermans ignoriere alle Leistungen der Bauern und führe sich auf, als ob er der liebe Gott wäre. „Er verdrehte bis zum Schluss Tatsachen. Selbst Medien hatten keine eigene Meinung mehr. Einfach unglaublich. Er sorgte dafür, dass unsere E-Mail-Accounts vollliefen. Er wollte Thunberg organisieren, um uns ein schlechtes bzw. „gutes“ Gewissen einzureden.“ Auch die Klagerechte für Umwelt-NGOs müssten in diesem Zusammenhang gestoppt werden.

„Linke, Grüne, Rote und Liberale haben mit dieser Abstimmung einmal mehr gezeigt, dass es ihnen nicht um die Sache geht. Landwirtschaft und unsere Natur wollen sie in die 50er Jahre zurückversetzen“, ärgert sich Mortler.

Konrad: Trilog muss Schaden begrenzen

Dass der Plan nicht abgewiesen wurde, bedauert auch Carina Konrad von der FDP. Besser als Einschränkungen und Gängelungen wäre es ihrer Ansicht nach, auf Kooperationen mit den Landwirten zu setzen. "Nun muss im Trilog Schadensbegrenzung betrieben werden. Es ist traurig, dass der CDU-Kommissionspräsidentin offensichtlich nicht bewusst ist, welcher Schaden durch solch realitätsfremde Entscheidungen für den ländlichen Raum und politische Verfahren insgesamt entsteht. Wer Umweltschutz will, muss denen, die den Umweltschutz praktizieren müssen, durch Zulassung von Innovationen und Offenheit für Technologien Handlungsspielräume lassen. Die schnelle Zulassung von neuen Züchtungsverfahren ist dafür nun alternativlos."

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Erleichterung bei Befürwortern

Sozialdemokraten, Grüne und Linke ebenso wie Umweltschützer sehen das Vorhaben hingegen als wichtigen Schritt, um die langfristige Versorgung mit Lebensmitteln sicherzustellen, dem Klimawandel entgegenzuwirken und seine Auswirkungen zu bewältigen. Auch zahlreiche Unternehmen, Wissenschaftler, Nichtregierungs- und einige Bauernorganisationen haben sich bereits für das Gesetz ausgesprochen.

Jan-Niclas Gesenhues und Michael Sacher von den Grünen sind sich sicher, dass man dem Ziel, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen, entscheidend nähergekommen ist. Gut sei, „dass der unsägliche Abwehrkampf der europäischen Konservativen gegen das Wiederherstellungsgesetz gescheitert ist“. Nun müssten die Mitgliedstaaten den gesetzlichen Rahmen für Renaturierungsmaßnahmen schaffen. In Deutschland habe man mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz bereits den ersten wichtigen Schritt gemacht.

Ina Latendorf von den Linken weist darauf hin, dass man die besten Ideen nicht umsetzen kann, wenn man die Landwirte nicht mitnimmt. "Insofern sind Proteste aus dieser Richtung gegen die Vorschläge durchaus verständlich. Der Druck auf die Branche ist zu groß geworden. Nur ist der Naturschutz nicht gegen die Landnutzung auszuspielen." Eine wirksame Entlastung der Bauern wäre ihrer Ansicht nach eine Entbürokratisierung, mehr Geld für den Umbau der Tierhaltung, die Regulierung des Bodenmarkts und ein scharfes Kartellrecht gegen die Marktmacht der Oligopole.

Die Umweltschutzorganisation WWF teilte mit: "Die Bedeutung des Renaturierungsgesetzes kann man gar nicht hoch genug einschätzen." Indem Ökosysteme in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden, wappne sich die Menschheit auch besser gegen den Klimawandel - indem beispielsweise hitzeresistentere Wälder entstehen und Böden durch intakte Wasserversorgung nicht mehr austrocknen.

Heute ist ein historischer Tag für Natur und Umwelt in Europa - Florian Schöne, Deutscher Naturschutzring

Als Etappensieg wertet der BUND den Beschluss. "Angesichts der Desinformations- und Angstkampagne insbesondere von CDU und CSU im Vorfeld ist das durchaus ein Erfolg. Es ist gut, dass sich Fraktionschef Manfred Weber und seine EVP-Fraktionskollegen nicht gegen die Daseinsvorsorge durchgesetzt haben", so die Umweltschutzorganisation. Der Erfolg sei dennoch getrübt, auch weil das Parlament für eine massive Verwässerung des Vorschlages der EU-Kommission gestimmt habe und etwa wichtige Ziele im Agrarbereich oder zur Wiedervernässung von Mooren abgelehnt hat, meint der BUND.

Erleichtert reagiert die Deutsche Umwelthilfe: "Der Weg dorthin wurde begleitet von einer beispiellosen Desinformationskampagne konservativer und rechter Kräfte, die einzig die Interessen der Agrar- und Forst-Lobby im Sinne hatten. Es ist traurig zu sehen, mit welcher Polemik sich die Parteikolleginnen und -kollegen von Ursula von der Leyen bereits seit Monaten an der europäischen Umwelt- und Klimapolitik und dem von ihnen mitverhandelten Green Deal abarbeiten."

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