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Gute Arbeit entlohnen: Arbeitgeberpräsident Wichert zur Tariferhöhung in Landwirtschaft

Der Arbeitgeberpräsident lobt die Tariferhöhung für die Beschäftigten in der Landwirtschaft. Dennoch wird es zunehmend schwieriger, offene Stellen zu besetzen.

Lesezeit: 8 Minuten

Eine Signalwirkung erwartet der Präsident vom Gesamtverband der deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA), Hans-Benno Wichert, vom diesjährigen Tarifabschluss. Die deutliche Anhebung der Löhne und Gehälter trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage der Betriebe sei ein deutliches Zeichen an die Beschäftigten, dass wir ihre Arbeit wertschätzen, sagt Wichert im Interview mit AGRA-EUROPE.

Die aktuelle Tarifrunde ist nach geräuschlosem Verlauf Anfang November mit einer Einigung zu Ende gegangen. War das Ihr Einfluss als neuer Verhandlungsführer?

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Wichert: Die Tarifrunden, die ich in der Vergangenheit schon in anderer Funktion begleiten durfte, waren immer vernunftgeleitet. Das war auch diesmal so, auch wenn wir um den einen oder anderen Punkt hart gerungen haben.

Funktioniert die Tarifpartnerschaft?

Wichert: Beide Sozialpartner haben das Ziel, möglichst Beschäftigung in der Landwirtschaft zu halten, die Bedingungen zu verbessern und dazu beitragen, dass die Branche attraktiv bleibt. Das geht nicht, ohne um Lösungen zu ringen.

In welchen Punkten sind Sie nicht zusammengekommen?

Wichert: Die Gewerkschaft hat ein großes Interesse daran, auch in der untersten Lohngruppe, die für ungelernte Arbeitskräfte mit einer Beschäftigungsdauer von maximal vier Monaten gilt, noch etwas auf den gesetzlichen Mindestlohn draufzupacken. Das war für uns angesichts der Gesamtsituation nicht akzeptabel.

Gerade im arbeitsintensiven Anbau von Sonderkulturen stehen die Betriebe im Wettbewerb mit Betrieben aus Staaten mit deutlich niedrigeren Mindestlöhnen. Bereits die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 € ist für viele kaum leistbar. Ein Lohn oberhalb des gesetzlichen Mindestlohns für ungelernte Aushilfskräfte war für uns deshalb nicht akzeptabel.

Was ist der Kern der Bundesempfehlung?

Wichert: Der wichtigste Punkt ist, dass wir die Lohnstrukturen bundesweit vereinheitlich haben. Hierzu sind rückwirkend ab dem 1. Oktober 2022 für die Gruppen der Arbeitskräfte ohne abgeschlossene Berufsausbildung, der Facharbeiter sowie der Meister Mindestvergütungen vereinbart.

Für Arbeitnehmer ohne abgeschlossene Berufsausbildung gilt in den ersten vier Monaten einer Beschäftigung eine Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns. Ab dem fünften Beschäftigungsmonat ist eine Vergütung von mindestens 12,50 € brutto je Arbeitsstunde zu leisten. Die Vergütung für Facharbeiter beträgt mindestens 14,50 € brutto je Arbeitsstunde, und die Vergütung für Meister liegt bei mindestens 16,50 € brutto je Arbeitsstunde. Weitere Lohn- und Gehaltsgruppen können in den regionalen Vereinbarungen festgelegt werden.

Wie hoch sind die prozentualen Steigerungen?

Wichert: Das ist angesichts der unterschiedlichen Strukturen in der Landwirtschaft schwierig zu sagen. Es gibt keine einheitliche Prozentzahl, weil wir von unterschiedlichen Niveaus kommen. In dem einen Tarifgebiet sind sie höher, in dem anderen geringer. Dass es aber insgesamt nicht nur um Erhöhungen von 2 % bis 3 % geht, ergibt sich schon aus der massiven Erhöhung der untersten Lohngruppe.

Diese ist - wie zuvor gesagt - in der Höhe des gesetzlichen Mindestlohns vereinbart, der im Vergleich zum Vorjahr um 25 % angestiegen ist. Das erfordert auch deutliche Anhebungen in den anderen Entgeltgruppen.

In Ostdeutschland sind die Erhöhungen zum Teil noch stärker…

Wichert: Ja, das ist so! Wir stehen für die Angleichung der Löhne zwischen Ost und West und da ist nun mal im Osten ein größerer Schritt notwendig.

Warum hat das so lange gedauert mit der Vereinheitlichung der Lohnstrukturen?

Wichert: Zunächst muss man feststellen, wir haben gewachsene Strukturen und Lohngefüge, die den Bedingungen in den unterschiedlichen Tarifgebieten Rechnung tragen. Dass wir das jetzt einheitlich gestalten, hat nicht zuletzt mit dem bundesweit einheitlichen Mindestlohn zu tun. Daran werden sich auch künftige Abschlüsse orientieren.

Wie groß ist der Spielraum in den Regionen, von der Bundesempfehlung abzuweichen?

Wichert: Die Empfehlung ist mit unseren Landesverbänden abgestimmt, wird also von ihnen mitgetragen. Aufgrund der unterschiedlichen Ausgangssituation in den Regionen und der unterschiedlichen Tarifsysteme wird es aber kein bundeseinheitliches Entgeltsystem geben. Und auch Abweichungen von den in der Bundesempfehlung vereinbarten Entgelten wird es geben.

In beide Richtungen?

Wichert: Nein! Wir haben uns auf Mindestsätze verständigt. Abweichungen nach oben sind selbstverständlich möglich und die wird es auch geben. In Baden-Württemberg, einem Bundesland mit einem überdurchschnittlich hohen Lohnniveau in allen Branchen, haben wir der Gewerkschaft beispielsweise höhere Vergütungen für die Facharbeiter und Meister vorgeschlagen als dies die Bundesempfehlung vorsieht. Wichtig ist bei all dem aber vor allem, dass die Bundesempfehlung zügig regional umgesetzt wird, damit die Lohnsteigerung schnell bei den Beschäftigten ankommt.

Ist die jetzt beschlossene Vereinheitlichung der Lohnstrukturen ein Schritt in Richtung einheitliche Tarifabschlüsse für das gesamte Bundesgebiet?

Wichert: Die Vereinbarung von bundeseinheitlichen Mindestvergütungen ist sicherlich ein Schritt in diese Richtung. Eine gänzliche Vereinheitlichung der Vergütungssysteme sehe ich aber in absehbarer Zeit nicht. Dafür sind die regionalen Bedingungen zu unterschiedlich.

Die vorgeschlagene Laufzeit der Vereinbarung ist mit Ende 2023 sehr kurz. Warum?

Wichert: Selbstverständlich hätten wir lieber eine längere Laufzeit vereinbart. Denn das hätte den Betrieben mehr Planungssicherheit gegeben. Aber wir leben in besonderen Zeiten und wissen nicht, was im nächsten Jahr passiert. Deswegen war die Entscheidung von beiden Seiten so gewollt. Sie ermöglicht uns die notwendige Flexibilität.

Mit 350 € fällt der Inflationsausgleich bescheiden aus. Das Signal ist nicht gerade verlockend.

Wichert: Ich hätte mir natürlich gewünscht, dass die Prämie höher ausfällt. Dies können wir aber aufgrund der in vielen Betrieben wirtschaftlich schwierigen Situation nicht verpflichtend für alle vorgeben. Ich bin mir aber sicher, dass dort, wo es wirtschaftlich möglich ist, zusätzliche oder höhere Inflationsausgleichsprämien von den Arbeitgebern geleistet werden.

Kampf um Fachkräfte - wie stehts in der Landwirtschaft?

Die Landwirtschaft steht mit anderen Branchen im Wettbewerb. Was bedeutet vor diesem Hintergrund der Tarifabschluss?

Wichert: Uns ist bewusst, dass wir die Branche für Arbeitnehmer attraktiv halten müssen. Dazu zählt natürlich auch eine ordentliche Vergütung. Mit dem vorliegenden Abschluss bewegen wir uns hier in die richtige Richtung. Die doch deutliche Erhöhung trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage vieler Betriebe ist ein deutliches Signal an die Beschäftigten, dass wir ihre Arbeit wertschätzen. Auch die geplante neue tarifliche Zusatzversorgung verdeutlicht unser Bemühen, die Arbeitsplätze in der Landwirtschaft attraktiv zu gestalten.

Wie schätzen Sie die gegenwärtige Arbeitskräftesituation in der Landwirtschaft ein?

Wichert: Da unterscheidet sich die Landwirtschaft wahrscheinlich nur wenig von den übrigen Branchen. Es wird zunehmend schwieriger, offene Stellen zu besetzen. Dabei ist die Problematik in einzelnen Regionen oder auch Bereichen, etwa der Tierhaltung, schwieriger als in anderen. Es zeichnet sich ab, dass wir in naher Zukunft einen ernst zu nehmenden Mangel an Fachkräften, aber auch an ungelernten Kräften haben werden.

Wie gehen die Betriebe damit um?

Wichert: Eine Möglichkeit, Fachkräfte zu gewinnen, ist, sie selbst auszubilden. Aber auch das Thema Technisierung und Mechanisierung, um Personal einzusparen, ist ein großes Thema. Das gilt vor allem für Bereiche mit bislang viel händischer Arbeit.

Wie groß ist das Problem?

Wichert: Noch halten sich die Klagen über fehlendes Fachpersonal in Grenzen. Aber das wird sich ändern. Auch in unserer Branche gehen die geburtenstarken Jahrgänge nach und nach in den Ruhestand. Nachbesetzungen werden für viele Betriebe zur großen Herausforderung.

Immerhin ist die Zahl der Auszubildenden stabil…

Wichert: Ja, und zwar mit einem hohen Anteil von jungen Menschen, die nicht aus der Landwirtschaft stammen. Offenbar ist die Landwirtschaft für diese Generation attraktiv. Dabei ist uns bewusst, dass nicht alle, die eine landwirtschaftliche Ausbildung absolvieren, später in landwirtschaftlichen Betrieben tätig sein werden. Einige werden auch in landwirtschaftsnahen Organisationen oder der Landwirtschaftsverwaltung arbeiten. Insofern werden wir weiter aktiv sein, um junge Menschen für eine agrarische Ausbildung und eine Tätigkeit in der Landwirtschaft zu begeistern.

Wie wollen Sie langfristig das Problem der fehlenden Saisonarbeitskräfte in den Griff bekommen?

Wichert: Im Bereich der Saisonarbeit zeichnet sich ab, dass Arbeitskräfte aus den osteuropäischen Mitgliedstaaten, aus denen bislang der Großteil der Saisonkräfte stammt, zunehmend im Heimatland eine auskömmliche Arbeit finden oder auch in anderen Branchen tätig werden.

Deshalb ist es wichtig, dass die Möglichkeiten für die Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen ausgeweitet werden. Das kann auch über weitere zwischenstaatliche Abkommen erfolgen, wie sie derzeit mit Georgien und der Republik Moldau für eine Saisonbeschäftigung in der Landwirtschaft bestehen. Dabei denken wir auch an den asiatischen Raum. Saisonarbeitskräfte aus Vietnam, Philippinen und Thailand sind in anderen EU-Ländern bereits tätig. Das klappt dort sehr gut, warum nicht auch in Deutschland? Ich weiß, da sind politisch einige dicke Bretter zu bohren. Aber wir gehen das an.

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