Die Borchert-Kommission bleibt ein Zankapfel zwischen den Ampelparteien und der CDU/CSU-Oppositionsfraktion im Bundestag. Beim „Milchpolitischen Frühstück“ der Initiativverbände der „Strategie 2030 der deutschen Milchwirtschaft“ erneuerte CDU-Agrarsprecher Albert Stegemann gestern seine Forderung an die Bundesregierung, endlich die Vorschläge der Borchert-Kommission umzusetzen. Die Bauern könnten den politisch gewollten Weg hin zu mehr Tierwohl nicht mitgehen, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht stimmten.
Spallek: CDU hat 16 Jahre Zeit gehabt
Das wollte die Grünen-Abgeordnete Dr. Anne-Marie Spallek nicht auf sich sitzen lassen. Sie attestierte der Union ihrerseits zahlreiche Versäumnisse beim Umbau der Tierhaltung. CDU und CSU hätten dafür 16 Jahre Zeit gehabt. Ohnehin ist ein wichtiger Punkt der Borchert-Empfehlungen laut Spallek längst überholt, denn „niemand will heute noch ein freiwilliges Label“, wie es die Kommission angeregt habe.
Stattdessen setze die Bundesregierung von Anfang auf eine verpflichtende Haltungskennzeichnung, betonte Spallek. Deren Umsetzung sei allerdings rechtlich anspruchsvoll und müsse von der EU-Kommission erst noch notifiziert werden. Die Grünen-Politikerin wünscht sich auf dieser Grundlage eine „diverser aufgestellte“ Landwirtschaft und im Milchviehsektor wieder mehr (geförderte) Weidewirtschaft, denn die sei die beste Variante der Milcherzeugung für Tier, Klima und Natur.
Korte: Moorvernässung vertreibt die Milcherzeugung
Dem stehen nach Darstellung des DMK-Aufsichtsratschefs Heinz Korte jedoch zunehmende Hürden im Weg. Ein Beispiel dafür sieht der Landwirt in der vergangene Woche gestarteten Nationalen Moorschutzstrategie, die auf die Wiedervernässung beträchtlicher Teile der heute landwirtschaftlich genutzten Moorstandorte. Werde die so umgesetzt, verliere man in Niedersachsen große Teile der Weidehaltung, da diese nun einmal zum großen Teil auf Moorstandorten stattfinde, erläuterte Korte.
Dies wie auch zahlreiche andere Belastungen werden nach Prognosen des DMK zu einem Rückgang der Milcherzeugung im Nordwesten Deutschlands im „zweistelligen Prozentbereich“ führen. Für Korte stellt sich deshalb die „Schlüsselfrage“, ob die Reduzierung der Milchviehhaltung politisch womöglich gewollt ist.
Schmal: Eco-Schemes für konventionelle Milcherzeuger nutzlos
Der hessische Bauernpräsident Karsten Schmal beobachtet in seiner Heimatregion einen drastischen Rückgang der Milcherzeugung. „Im Lahn-Dill-Kreis gibt es fast keine Kuhställe mehr, bestenfalls noch Mutterkühe. Und die sind weg, wenn der Opa nicht mehr kann“, berichtete Schmal.
Dafür verantwortlich macht er eine aus seiner Sicht verfehlte GAP-Reform, da die Eco-Schemes praktisch keinerlei Angebote für konventionelle Milchviehhalter böten. Das sei fatal für die Grünlandstandorte, denn mit Silomais lasse sich auch mit der neuen GAP mehr und besser Milch erzeugen als mit Wiese und Weide, so der HBV-Präsident. Er attestiert der Politik an dieser Stelle noch erheblichen Nachholbedarf, ansonsten werde der deutsche Selbstversorgungsgrad bei Milch demnächst die Marke von 100 % unterschreiten.