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„Trecker-Revolte“

top agrar-Chefredakteur stellt sich im Presseclub hinter die Bauernproteste

„Demonstrieren ja, aber doch nicht so.“ Das meint ein Großteil der Journalistinnen und Journalisten im heutigen Presseclub. top agrar-Chefredakteur Schulze Steinmann hält dagegen und begründet das auch.

Lesezeit: 5 Minuten

Sind die beispiellosen Bauernproteste, die seit einer Woche Deutschland in Atem halten, eigentlich berechtigt? Darüber gingen die Meinungen von Journalisten im heutigen Presseclub auf ARD und Phoenix weit auseinander.

Zeit-Journalistin Merlind Theile ist hin- und hergerissen. Sie findet die Kundgebungen „persönlich“ überzogen, dennoch seien sie im Kern berechtigt, weil die Bauern tatsächlich „unter vielem zu leiden haben“. Nach Auffassung der freien Journalistin Dr. Tanja Busse schießen die Bauern aber übers Ziel hinaus. Die Landwirte seien in einer „ganz schwierigen Situation“, räumte Busse ein und hätten auch das Recht, zu demonstrieren. „Aber nicht so und nicht zurück in die Vergangenheit zu einer Diesel-Subvention.“

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Klare Rückendeckung bekamen die Landwirte hingegen von top agrar-Chefredakteur Matthias Schulze Steinmann: Die Proteste hält er für „absolut berechtigt“, denn die Ampel habe die Landwirtschaft mit der Streichung der Steuer-Rückerstattung und der zuvor geplanten Abschaffung der KfZ-Steuerbefreiung überproportional belastet. Das habe für viele Landwirte das Fass zurecht zum Überlaufen gebracht.

FAZ-Brüssel-Korrespondent Henning Kafsack geht da nicht mit. Die Demos seien „maßlos überzogen“. Die Bauern wehren sich nach seinem Verständnis dagegen, ihren „legitimen Beitrag“ zur Sanierung des Haushalts zu leisten und hätten ohnehin jahrelang den „vernünftigen Umbau“ der Landwirtschaft blockiert.

Theile: Äußerungen von Rukwied „populistisch“

Die Demonstrationen und Aktionen der vergangenen Woche sind in ihrer Breite erstaunlich friedlich abgelaufen, die von vielen Medien kritisierte Blockade der Habeck-Fähre war selbst nach Einschätzung von WDR und Polizei kein Erstürmungsversuch. Dennoch finden Theile und Busse, einen Teil der Aktionen und Äußerungen grenzwertig. Dafür nehmen sie auch DBV-Präsident Joachim Rukwied in Mithaftung, dessen Äußerungen ("Berliner Blase") mitunter „in höchstem Maße populistisch“ gewesen seien, so Theile.

Busse sind nach eigener Schilderung Schauer den Rücken heruntergelaufen, als Rukwied im Dezember bei der spontanen Schlepperdemo in Berlin Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir „quasi ins Ohr gebrüllt habe“ und Proteste androhte, „wie sie das Land noch nicht gesehen hat“. Für Busse eine Einladung an „wütende Landwirte und auch von rechts“.

Rukwied ein Getriebener

Schulze Steinmann warnt davor, jedes Wort von Rukwied jetzt auf die Goldwaage zu legen. Dieser habe sich klar von extremen Rändern distanziert und auch bei der Demo am Fähranleger klare Kante gezeigt. Das will Kafsack nicht gelten lassen, denn auch nach seinem Empfinden fördert Rukwied aktuell eine „Wir gegen Die-Rhetorik“.

top agrar-Chefredakteur Schulze Steinmann gibt allerdings zu bedenken, dass der Bauernpräsident in Anbetracht der Ereignisse der vergangenen Jahre zum Getriebenen geworden sei. Dass darf nach Meinung von Theile aber nicht dazu führen, dass Bauernvertreter „nach rechts abdriften“, ob beim DBV oder bei „Land schafft Verbindung“.

Busse beklagt ihrerseits eine Radikalisierung in den landwirtschaftlichen Vertretungen. Ob bei Bauernverband oder LsV – in beiden seien neben Demokraten auch solche, „die gegen alles hetzen, was nicht Landwirtschaft ist“. Die Journalistin wirft dem DBV vor, hier zu viel zu lavieren.

Theile: Landwirte bei Subventionen wie ein „Junkie an der Nadel“

Aber wie geht es weiter? Ein gutes Jahr bei den landwirtschaftlichen Einkommen ändert nichts daran, dass etwa die Hälfte davon im Durchschnitt aus öffentlichen Geldern kommt. Laut Theile eine eindeutige Fehlentwicklungen. Die Landwirte seien in dieser Hinsicht wie ein „Junkie an der Nadel“. „Dieses Bild passt doch nicht“, hält ihr Schulze Steinmann entgegen. Die Landwirte bräuchten schließlich ihr Einkommen, um Lebensmittel zu erzeugen und die gesellschaftlichen Anforderungen an den Berufsstand zu erfüllen.

Hier hapert es aber, denn bekanntermaßen gehen Forderungen und Einkaufverhalten vieler Verbraucher beispielsweise beim besonders tierwohlgerecht erzeugtem Fleisch deutlich auseinander. Laut Schulze Steinmann ist hier die Zahlung öffentlicher Gelder absolut berechtigt, um so Fortschritte beim Tierwohl zu erreichen.

Vorschläge für bessere Agrarpolitik liegen auf dem Tisch

Hierfür liegen die Vorschläge der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) und der Borchert-Kommission schon lange auf dem Tisch. Die Umsetzung bleibt jedoch fast genauso lange im politischen Getriebe hängen. Schulze Steinmann sieht hier ein Versagen der Ampel, aber auch der Vorgängerregierung. Beide hätten die Chance gehabt, hier und an anderen agrarpolitischen Stellschrauben das Prinzip „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ umzusetzen, seien damit aber gescheitert.

Damit stehen Politik und Gesellschaft für Schulze Steinmann weiterhin vor der Entscheidung: „Entweder die Erlöse der Bauern an die Erwartungen anpassen oder die Erwartungen an die Erlöse.“ Kafsacks Forderung geht stattdessen in eine altbekannte Richtung: Er wünscht sich zusätzliche Auflagen auf europäischer und nationaler Ebene, denn deren Erfüllung sei schließlich die Gegenleistung der Landwirte für das an sie ausgereichte Steuergeld.

Kommt morgen der Durchbruch in Berlin?

Morgen gehen Agrarvertreter nach der großen Abschlusskundgebung in Berlin mit Vertretern der Ampelfraktionen ins Gespräch. Theile geht nicht davon aus, dass dort konkrete Angebote in Richtung Landwirtschaft auf den Tisch kommen. Für wahrscheinlicher hält sie stattdessen den Einstieg in eine neue Diskussion über die Rahmenbedingungen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft wie seinerzeit bei der ZKL. Das halten Busse und Schulze Steinmann für den falschen Ansatz. „Die Vorschläge sind schon lange da“, so der top agrar-Chefredakteur mit Blick auf ZKL und Borchert-Kommission. „Hier müssen wir ran!“

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