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Waldgesetz hat Potenzial die Grundbesitzer auf die Straßen zu bringen

Die Menschen auf dem Land fühlen sich gegängelt, mahnt AGDW-Präsident Bitter. Er klagt über das schlecht gemachte Waldgesetz, den Vorrang des Naturschutzes und neue Bürokratie bei den Lieferketten.

Lesezeit: 6 Minuten

Die Waldeigentümer haben sich an den Protesten gegen die Sparpläne der Bundesregierung beteiligt. Im Interview mit Agra Europe stellt sich Verbandspräsident Prof. Andreas Bitter hinter die Forderung, die Beschlüsse vollständig zurückzunehmen. Vor allem ärgert ihn das neue Waldgesetz.

AgE: Noch vor einigen Monaten haben Sie sich optimistisch geäußert, „dass wir beim Bundeswaldgesetz eine sachgerechte und erträgliche Lösung erwarten dürfen“. War das ein Rufen im Walde?

Bittner: Dieser anfängliche Optimismus ist tatsächlich in weiten Teilen verflogen. Ein erstes Warnsignal war ein aus unserer Sicht inhaltlich völlig verfehlter Vorschlag der Umweltverbände, bei dem noch viel harschere Einschränkungen formuliert worden waren, als wir sie jetzt sehen.

Ein Teil dieser Ideen hat allerdings Eingang in den Gesetzentwurf gefunden, der nunmehr in die Ressortabstimmung gegeben wurde. Zwischenzeitlich hatte ein nicht autorisierter Entwurf des BMEL das Licht der Welt erblickt. Von dem hatte sich Minister Özdemir zwar umgehend distanziert, aber nur um zwei Wochen später einen neuen Entwurf vorzulegen, der nahezu identisch mit dem vorherigen war. Da sieht man, dass hier sehr taktisch agiert worden ist. Das wird aber nicht dazu führen, dass das Vertrauen in die Gesetzesnovelle wächst.

Was ist der Webfehler des vorliegenden Entwurfs?

Bittner: Es handelt sich nicht um eine sachgerechte Novelle für ein Bundeswaldgesetz, sondern um den Entwurf für ein Wald-Naturschutzgesetz.

Wir haben im Deutschland die lange Tradition einer multifunktionalen Forstwirtschaft. Die Grundlage dafür bildet das geltende Bundeswaldgesetz mit dem zentralen Begriff der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft. Der vorliegende Entwurf betont jedoch einseitig die ökologischen Funktionen des Waldes. Dahinter stehen andere Bereiche deutlich zurück, insbesondere die Holzproduktion und Holznutzung, die nach wie vor von zentraler Bedeutung ist für die wirtschaftliche Existenz der Forstbetriebe sowie für den Erhalt von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung im ländlichen Raum.

Der Entwurf ist umso unverständlicher, als der Wissenschaftliche Beirat des BMEL einen mustergültigen Lösungsvorschlag unterbreitet hatte.

Hat das Waldgesetz das Potenzial für die Waldbesitzer zu dem zu werden, was der Agrardiesel für die Bauern oder den Bauernverband geworden ist?

Bittner: Da bin ich mir ziemlich sicher. Das gilt vor allem dann, wenn man die Novelle im Zusammenhang mit der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten sieht, die Anfang 2025 in Kraft treten und jeden Waldbesitzer in der Fläche betreffen wird.

Mit einem ähnlich hohem Mobilisierungspotenzial für Ihre Mitglieder?

Bittner: Davon gehen wir sehr stark aus. Unabhängig davon, dass wir nicht so viele Traktoren auf die Straße bringen können.

Kommt der Entwurf überhaupt durch?

Zu den Besonderheiten der Ampelkoalition zählt, dass es ihre Gesetzentwürfe oft nicht einmal bis ins Kabinett schaffen. Setzen Sie darauf, dass es die Novelle des Bundesgesetzes versandet?

Bittner: Das wird sich zeigen. Angesichts der kontroversen Ausgangslage und der aus unserer Sicht weitestgehend unbefriedigenden Regelungsvorschläge würden wir es tatsächlich begrüßen, dass das Bundeswaldgesetz in dieser Legislaturperiode nicht mehr novelliert wird.

In der Agrarpolitik spielt die Musik hauptsächlich in Brüssel, auch wenn man im Moment einen anderen Eindruck bekommen könnte. Beim Wald stand die EU bislang kaum im Blickpunkt. Hat sich das geändert?

Bittner: Ja! Die EU-Politik ist inzwischen auch für uns von zentraler Bedeutung. Im Zuge des Green Deals ist eine ganze Reihe von Regulierungen diskutiert und teilweise schon verabschiedet worden, die einen massiven Einfluss auf die Forstwirtschaft haben.

Sind Sie weniger unzufrieden mit dem, was aus Brüssel kommt, als mit den Berliner Vorlagen?

Bittner: Nein! Wir erkennen die klare Tendenz, dass auf europäischer Ebene nicht nur Rahmenbedingungen gesetzt, sondern dort Grundlagen für ein Mikromanagement gelegt werden sollen, ganz nach dem Motto „one fits all“. Das kann nicht funktionieren.

Haben Sie ein Beispiel?

Bittner: Wir reden derzeit über die Vorlage für ein europaweites Forstmonitoring. Danach sollen verschiedene Merkmale im Bereich Wald- und Forstwirtschaft nach einheitlichen europäischen Regeln überwacht werden, mit teilweise aberwitzig hoher räumlicher Auflösung und dichter zeitlicher Staffelung.

Das betrifft beispielsweise Informationen über Waldbrände; die Waldbrandentwicklung soll in einem wöchentlichen Turnus, mit einer feinen räumlichen Auflösung, erfasst werden. Das wäre alles sinnvoll auf einer regionalen oder Landesebene, wenn es um die Bekämpfung von Waldbränden geht. Aber auf europäischer Ebene ist das widersinnig.

Werden die Waldbesitzer in Brüssel gehört?

Sind Sie als Interessenvertretung auf europäischer Ebene hinreichend aufgestellt?

Bittner: Das ist für uns in der Tat eine große Herausforderung. Wir hatten bei PEFC vor nicht allzu langer Zeit eine Veranstaltung, bei der der ehemalige EU-Kommissar Günther Oettinger zu Gast war. Er hat dringend empfohlen, dass die Interessenverbände die Hälfte ihrer Aktivitäten auf Brüssel konzentrieren sollten und die andere Hälfte auf die Ebenen Kommunen, Land und Bund. Davon sind wir weit entfernt.

Sie haben in der Vergangenheit wiederholt das Naturwiederherstellungsgesetz kritisiert. Bleibt‘s dabei?

Bittner: Ja klar! Denken Sie nur an die darin enthaltene Staffelung. Bis 2030 sollen 30%, bis 2040 60% und bis 2050 sogar 90% der nicht in gutem Zustand befindlichen Lebensraumtypen mit Wiederherstellungsmaßnahmen überzogen werden. Dabei handelt es sich häufig um Waldlebensraumtypen. Allein an dieser Staffelung der Ziele ist zu erkennen, dass dem Gesetz Entscheidungen am Grünen Tisch zugrunde liegen. Sie werden in vielen Gebieten Folgen haben, ohne das bislang klar ist, wie die notwendigen Maßnahmen finanziert werden sollen.

Entwaldungsfreie Lieferketten bringen nur Bürokratie

Sie haben die Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten als „überflüssiges bürokratisches Monstrum“ bezeichnet. Ist die Botschaft angekommen?

Bittner: Nein! Die Verordnung ist Ende Juni des letzten Jahres in Kraft getreten. Es gibt eine anderthalbjährige Übergangsfrist. Anfang nächsten Jahres sind die Regelungen in Deutschland gültiges Recht. Dann müssen auch bei uns Maßnahmen zur Verhinderung der Entwaldung ergriffen werden, obwohl diese hierzulande faktisch nicht stattfindet.

Waldbesitzer müssen eine Sorgfaltspflichterklärung abgeben, entsprechende Hiebflächen „geolokalisieren“ und diese gemeinsam mit Angaben zu Baumarten, Sortimenten und Mengen, die man nutzen möchte, in ein EU-Informationssystem einpflegen, damit eine Referenznummer zurückgespielt wird. Nur mit dieser Referenznummer ist dann noch das Inverkehrbringen des eingeschlagenen Holzes möglich.

Das ist ein massiver Eingriff in das tägliche Leben von Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern. Ohne Internetzugang und ohne detaillierte Kenntnis des Verfahrens wäre eine Holznutzung ab Anfang 2025 in Deutschland nicht mehr legal, das Holz dürfte nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Damit werden Regulierungen vorgegeben, die das alltägliche Handeln der Waldbesitzer beeinflussen und belasten, ohne dass dafür eine Notwendigkeit besteht.

Das wird von der Politik nicht bestritten. Dennoch sagt man, wenn entsprechende Anforderungen an Drittstaaten formuliert werden, um entwaldungsfreie Lieferketten in Asien oder in Südamerika sicherzustellen, dann müssten diese auch eins zu eins in den EU-Mitgliedstaaten gelten. Das ist meiner Ansicht nach eine absolut stupide Umsetzung entsprechender Vorgaben.

Was ist die zentrale Botschaft der Waldbesitzer für die Grüne Woche?

Bittner: Zurück zu einer faktenbasierten, zielorientierten Politik, die dem Wald hilft!

Vielen Dank für das Gespräch!

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