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Agrarwissenschaftler Windisch und Taube: Diskussion um Fleisch und Klima versachlichen

Die Wissenschaftler Windisch und Taube schalten sich in die erhitzte Debatte um die Rolle der Fleischerzeugung zum Klimawandel ein. Sie warnen vor Schwarz-Weiß-Malerei.

Lesezeit: 5 Minuten

„Unser Essen schadet dem Klima. Besonders kritisch: Der weltweite Fleischkonsum.“ So Wettermoderator Özden Terli vergangene Woche im ZDF-heute journal. Die Schlussfolgerung der Sendung daraus: dass „weniger Fleisch weniger Treibhausgase bedeuten würde (…) und mehr Menschen ernährt werden könnten“, brachte den agrarpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, auf den Plan, der das als „falsch und irreführend“ anprangerte.

Nach Auffassung von Prof. Wilhelm Windisch von der TU München und Prof. Friedhelm Taube von der Universität Wageningen sind beide Standpunkte jedoch zu vereinfachend. In einem Offenen Brief an Stegemann ordnen sie das Thema deshalb noch einmal ein. top agrar dokumentiert das Schreiben hier:

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Weniger Emotionen und mehr Zuhören: Das würde der öffentlichen Diskussion um Nutztiere guttun.

Sehr geehrter Herr Stegemann,

Sie haben mit einem Brief an das ZDF vom 16.03.2023 als Reaktion auf die ZDF-Berichterstattung im Rahmen des Wetterberichts am 15.03.2023 am Ende des heute Journals mit einem Brief an das ZDF reagiert, der öffentlich gemacht wurde (topagrar 22.03.2023): Weil Sie Wissenschaftler der TU München und der Universität Wageningen als Quellen Ihrer Aussagen nutzten, nehmen wir dies zum Anlass einer Einordnung:

Ein Verzicht auf Fleisch entlaste die Umwelt und setzte Flächen frei, auf denen man mehr Lebensmittel pflanzlicher Herkunft zur unmittelbaren Ernährung der Menschen erzeugen könne, sagen die einen. Nutztiere zu halten sei die einzige Möglichkeit, nicht essbare Biomasse in Lebensmittel für den Menschen umzuwandeln und sei ein unverzichtbarer Bestandteil von Ressourceneffizienz, Wertschöpfung in ländlichen Räumen und ein wichtiges Instrument gegen Hunger und Armut in der Welt, sagen die anderen.

Beide haben recht. Aber beide vereinfachen so stark, dass der eigentliche Kern der Botschaft verloren geht.

Dabei geht es schlichtweg nur um die richtige Balance. In der Tat liefern die Landwirtschaft und die nachgeschaltete Verarbeitung pflanzlicher Ernteprodukte weit mehr nicht-essbare Biomasse als letztendlich an veganer Nahrung übrigbleibt. Das gilt nicht nur für das Gras aus dem Grünland, sondern auch für die Pflanzen, die auf dem Acker wachsen. Und es stimmt, dass Nutztiere diese ohnehin vorhandene, nicht-essbare Biomasse in hochwertige Lebensmittel umwandeln können, und zwar völlig ohne Nahrungskonkurrenz. Dadurch steigt der Gewinn an menschlicher Nahrung aus derselben landwirtschaftlichen Nutzfläche um mindestens die Hälfte der veganen Basisproduktion. Wenn man aber Ackerflächen über das Maß einer nachhaltigen Fruchtfolge hinaus gezielt zum Anbau von Futtermitteln benützt und vom Menschen verwertbare Ernteprodukte an Nutztiere verfüttert, dann verschwindet der ursprüngliche Vorteil der Nutztiere. Solche Produktionsstrategien ermöglichen zwar eine hohe Liefermenge an Fleisch, Milch und Eiern, sind jedoch ineffizient, wenn man die Anzahl an Menschen betrachtet, die von der begrenzt verfügbaren landwirtschaftlichen Nutzfläche ernährt werden können. Zusätzlich werden Umwelt und Klima belastet, insbesondere wenn die Futtermittel an anderen Orten der Welt erzeugt werden, womöglich sogar noch über eine Landnutzungsänderung.

Das Ziel muss sein, die Haltung von Nutztieren in eine Balance mit der pflanzlichen Biomasse zu bringen, die auf unserer landwirtschaftlichen Nutzfläche wächst. Nutztiere sollen die ohnehin anfallende, nicht-essbare Biomasse mit hoher Effizienz zu Lebensmitteln verwerten und gleichzeitig mit ihrem Dung den landwirtschaftlichen Stoffkreislauf am Laufen halten. Dem primären Ziel des Pflanzenbaus – die Erzeugung von veganer Nahrung– dürfen sie jedoch keine Konkurrenz machen Umgekehrt würde ein völliger Verzicht auf Nutztiere die Belastung von Umwelt und Klima je Einheit erzeugter Nahrung (Protein, Kilokalorien, usw.) ansteigen lassen. Man würde sozusagen das Kind mit dem Bade ausschütten.

Die gute Balance zwischen Pflanzen und Nutztieren liegt in Deutschland auf einer beträchtlich niedrigeren Intensität der Nutztierhaltung als derzeit, sowohl in Bezug auf die Anzahl als auch das Leistungsniveau der Tiere. Geflügel und Schweine sind davon stärker betroffen als Wiederkäuer, denn die Nutzung von Grasland steht ja grundsätzlich nicht in Konkurrenz zur Ernährung des Menschen. Die Balance bedeutet auch eine beträchtlich geringere Lieferung von Fleisch, Milch und Eiern zu einem höheren Preis. Der große Vorteil der Balance ist jedoch die Optimierung der Menge an insgesamt erzeugter Nahrung (vegan und tierisch) aus der begrenzt verfügbaren landwirtschaftlichen Nutzfläche mit möglichst geringen negativen Wirkungen auf Umwelt und Klima (inklusive des Methans der Wiederkäuer).

Vor allem müssen aber auch die Verzehrgewohnheiten der Bürger und Konsumenten dieser notwendigen Balance folgen. Konkret heißt das etwa eine Halbierung des Konsums von Produkten tierischer Herkunft gegenüber dem derzeitigen Niveau, nach Modellrechnungen der Kollegen in Wageningen eine noch wesentlich stärkere Absenkung. Damit würde man gleichzeitig auch den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) nachkommen. Es geht beim Verzehr tierischer Produkte nicht um ‚ja‘ oder ‚nein‘ – es geht um deutlich weniger Erzeugung und Verzehr - für die eigene Gesundheit, für das Klima und die Biodiversität mit weniger und besser gehaltenen Tieren, die auch in regionaler Balance mit der pflanzlichen Erzeugung stehen. Hier ist auch der Staat mit Informationskampagnen ebenso wie mit dem Einsatz weiterer lenkender Werkzeuge gefordert.

Der Weg in die Balance zwischen Pflanzenbau und Nutztierhaltung erfordert von allen kurzfristig die Bereitschaft zur Veränderung, fördert jedoch langfristig die Ernährungssicherung des Menschen sowie den Schutz von Umwelt inklusive Biodiversität, Klima, Kulturlandschaft und ländlichem Raum. Insofern ist die Berichterstattung im besagten ZDF-Beitrag inhaltlich durchaus korrekt gewesen.

Mit freundlichen Grüßen,

Prof. Dr. Wilhelm Windisch, TU München und Special Prof. Dr. Friedhelm Taube, Grass based Dairy Systems APS, Wageningen University

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