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Milchpreiszuschläge: Lohnt sich die Umstellung auf Tierwohlmilch überhaupt?

Viele Milcherzeuger überlegen, wegen der Milchpreiszuschläge auf höhere Haltungsformstufen umzustellen. Doch reichen diese aus, um die zusätzlichen Kosten zu decken?

Lesezeit: 8 Minuten

Unser Autor: Bernhard Ippenberger, Institut für Agrarökonomie, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft

Nach Geflügel-, Schweine- und Rindfleisch sind seit letztem Jahr auch Frischmilchprodukte nach der vierstufigen Haltungsform des Lebensmitteleinzelhandels gekennzeichnet. Einige Molkereien erfassen und verarbeiten bereits Milch für Labels, die auf diesen Stufen basieren.

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So setzen QM (Standard, + und ++), DLG-Tierwohl, Für mehr Tierschutz, Naturplus, Biolabels, Programm für Weidehaltung und Pro Weideland auf diese Vorgaben. Darüber hinaus verlangen die Labels noch verschiedene Zusatzkriterien.  

Der Zuschlag für Milch aus Haltungsform 2 beträgt 1,2 ct/kg Für Labelmilch aus Haltungsform 3 werden meist 3 ct/kg bezahlt und für Milch aus Haltungsform 4 sind es zwischen 4,5 und 6 ct/kg. Für Betriebe, die überlegen, auf Tierwohlmilch umzustellen, stellt sich somit die Frage, welche Anpassungskosten dabei entstehen und ob die Zuschläge sie decken.

Umstellung auf Stufe 2

Haltungsform Stufe 1 entspricht im Wesentlichen den gesetzlichen Anforderungen. Bei der Milch ist QM für „Stufe 1“ als Label anerkannt. Die Betrachtungen beziehen sich zunächst auf die Stufe 2 der Haltungsform, also „StallhaltungPlus“. Für diese Stufe ließ sich das Label QM+ Anfang 2022 anerkennen. Auch die DLG ist mit einem Bronzesiegel dabei.

Die Ausgangssituationen für die Zertifizierung von QM+ sind sehr unterschiedlich. Anhand von zwei Beispielsbetrieben haben wir deren Anpassungskosten kalkuliert:

  • Ein Anbindebetrieb mit 35 Kühen und 248.500 kg verkaufter Milch;
  • ein Betrieb mit einem alten Laufstall für 60 Kühe mit 500.000 kg verkaufter Milch.

Für den Anbindebetrieb verursacht die Anpassung der Haltungsbedingungen vergleichsweise hohe Kosten. Den Sprung von Haltungsform 1 auf 2 schafft der Betrieb mit ganzjähriger Anbindehaltung in der Regel nur über die Kombinationshaltung. Sie bedeutet den Verzicht auf ganzjährige Anbindehaltung und mehr Bewegung an mindestens 120 Tagen im Jahr für jeweils zwei Stunden pro Tag. Die Bewegung wird dabei entweder mit Weidegang oder mit einem Laufhof bzw. einer Bewegungsbucht ermöglicht. Der Laufhof muss mindestens 3 m2 Platz für jede Kuh vorsehen. Angemessene Lichtverhältnisse werden vorausgesetzt und das Stallklima überprüft.

Weniger Kosten bei Laufstall

Für den zweiten Betrieb mit dem alten Laufstall sind die Anpassungskosten weniger hoch. Der größte Kostenblock ist die Einrichtung einer Abkalbebox. Für den Anbindebetrieb werden dafür Investitionskosten von pauschal 20.000 € unterstellt. Die Abschreibungsdauer beträgt hier nur sieben Jahre, weil die Discounter angekündigt haben, ab 2030 nur noch Frischmilch aus Haltungsformstufe 3 und 4 anzubieten. Hinzu kommen der Arbeitsaufwand und die Kosten für das Stroh. Zudem wurde kalkuliert, dass die Herde um vier Kühe abgestockt werden muss, um Platz für die Box zu schaffen.

Auch für den Betrieb mit dem alten Laufstall wurde unterstellt, dass eine zusätzliche Abkalbebucht einzurichten ist. Da dafür auch Liegeboxen weichen müssen, muss der Betrieb seinen Bestand um sechs Kühe abstocken. Ist bereits eine Abkalbebucht vorhanden, würden die Anpassungskosten um den kalkulierten Betrag von 2,4 ct/kg Milch sinken (siehe Übersicht oben).

Weitere Kriterien, die beide Betriebe bei Umstellung auf Haltungsformstufe 2 zu erfüllen haben, sind das Antibiotikamonitoring und die Schlachtbefunddatenbank, die Weiterbildung, die tierärztliche Bestandsbetreuung sowie der Aufwand für die Dokumentation und den Maßnahmenplan zur Eutergesundheit. Zudem wurde bei der Kalkulation ein Ausgleich für Inflation von 5 % und für Risiko von 10 % angesetzt.

Besteht die Möglichkeit, die notwendigen bauliche Anpassungsmaßnahmen, z. B. über das Bayerisches Sonderprogramm Landwirtschaft (BaySL), fördern zu lassen, können Betriebe ihre Umstellungskosten reduzieren. Trotzdem werden gerade bei Anbindebetrieben die Anpassungskosten den Bonus von 1,2 ct/kg Milch und von 4 ct/kg Schlachtgewicht für Kühe für Haltungsformstufe 2 deutlich übersteigen. Hinzu kommt, dass manche Molkereien den Aufschlag nur für die Milchmenge bezahlen, die über das Label absetzbar ist.

Für Laufstallbetriebe summieren sich die Anpassungskosten auf 4,36 ct/kg. Wenn schon eine Abkalbebucht vorhanden ist, reduzieren sich diese um 2,4 ct/kg auf 1,96 ct/kg Milch. Sie sind aber trotzdem noch höher als der Bonus für Haltungsformstufe 2.

Haltungsstufen 3 und 4

Die Labels, die auf den Haltungsformstufen 3 und 4 basieren, unterscheiden sich von Haltungsform 2 zum einen durch die Verpflichtung, ausschließlich gentechnikfreie Futtermittel zu verwenden. Allerdings ist die gentechnische Fütterung unabhängig von der Haltungsform bereits jetzt Standard in vielen Molkereien.

Zum anderen durch die Verpflichtung zur Laufstallhaltung mit ganzjährig nutzbarem Laufhof mit einer Mindestfläche von 3 m2 pro Tier. Bei Haltungsformstufe 3 können Betriebe mit Offenfrontstall oder weit geöffneter Wandfläche (> 25 %) auf den Laufhof verzichten.

Bei Haltungsformstufe 4 ist der Laufhof hingegen zwingend vorgeschrieben. Zudem muss den Kühen Weidegang ermöglicht werden, wobei manche Label auch konkrete Vorgaben für die Mindestweidefläche machen.

Bei der Anpassung an die höchsten beiden Stufen sind somit der Laufhof und der Weidegang die wichtigsten Kostenpositionen.

Für die Kosten in unserem Beispielbetrieb mit 60 Kühen und 500.000 kg Milch wurde ein Laufhof mit 180 m2 Lauf- und Liegefläche, Spaltenboden und Güllekanälen mit 200 m3 Lagerraum, 20 Liegeplätzen, 50 m2 Futtertisch sowie Tränkebecken und Bürste kalkuliert. Daraus ergeben sich Investitionskosten von 116.000 € (ohne MwSt.)und Jahreskosten von netto 16.240 € (zehn Jahre Laufzeit, 2,5 % Zins, 1,5 % Unterhalt). Pro kg Milch sind das 3,25 ct/kg netto bzw. 3,55 ct/kg brutto.

Falls der Betrieb bereits offene Wände hat, kann er auf den Auslauf verzichten. In diesem Fall entsprechen die Anpassungskosten für Haltungsform 3 in etwa denen von Haltungsform 2 in Höhe von 4,36 ct/kg. Muss in einen Auslauf investiert werden, erhöht sich der Aufwand um 3,55 ct/kg, sodass die Anpassung knapp 8 ct/kg kostet.

Reichen die Zuschläge?

Das bedeutet: Für einen Betrieb mit altem Laufstall, der noch alle Anpassungsschritte auf Haltungsformstufe 3 umsetzen muss, reichen die 3 ct/kg Milch Zuschlag nicht aus, um die Kosten der Umstellung zu decken. Anders sieht es für Betriebe aus, die einen neueren Laufstall gebaut oder ihren alten Stall in den letzten Jahren modernisiert haben. Hie sind oft nur kleinere Investitionen notwendig, die sich durch den Zuschlag rechnen (s. Reportage Schertich).

Bei Haltungsformstufe 4 ist zusätzlich noch Weidegang Pflicht. Sofern das jeweilige Label keinen dauerhaften Weidegang mit einer Mindestfläche pro Kuh vorschreibt, wird auch eine sogenannte Joggingweide akzeptiert. In unserem Beispielbetrieb mit 60 Kühen ist diese 1,5 ha groß. Bei einer Nutzungsdauer von zehn Jahren entstehen für einen wolfssicheren Zaun, eine Tränke, eine befestigte Fläche am Stall mit Selektion, die Weidepflege usw. Jahreskosten von rund 10.000 € bzw. 2 ct/kg Milch.

Rechnet man dazu noch die Anpassungskosten für die grundsätzlichen Kriterien und den Laufhof, ergeben sich Gesamtkosten von ca. 10 ct/kg Milch für die Anpassung eines alten Laufstalls an Stufe 4. Das heißt: Für den Betrieb mit altem Laufstall reicht der Zuschlag von 4,5 bis 6 ct/kg Milch nicht aus, um die Kosten der Anpassung zu decken. Rentabel ist das Label nur für solche Betriebe, die bei den Tierwohlmaßnahmen schon erheblich in Vorleistung gegangen sind.

Einzelbetrieblich kalkulieren!

Die Frage, ob sich die Teilnahme an einem Label lohnt, muss deshalb immer einzelbetrieblich kalkuliert werden. Zu berücksichtigen ist auch, ob die Molkerei den Zuschlag für die komplette Anlieferungsmenge zahlt. Einige Molkereien gewähren den Zuschlag nur für die Milchmenge, die sie zu Labelprodukten verarbeiten können. Da mit der Anpassung auch Investitionen zu tätigen sind, spielt zudem die Laufzeit der Programme eine wichtige Rolle.

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Vollwertige Weide kostet 5 bis 7 Cent

Schreibt ein Label-Programm eine ­vollwertige Weide vor, von der sich die Kühe zu ­einem wesentlichen Teil ­ernähren, ­müssen Milchviehhalter mit deutlich ­höheren Mehrkosten kalkulieren. Das haben Dr. Karin Jürgens und Dr. Talea Becker vom Büro für Agrar­soziologie und Landwirtschaft (BAL) in ihrer Studie zur „Analyse der Mehr­kosten für mehr Tierwohl in deutschen Milchviehbetrieben“ ermittelt.

Die Autorinnen haben für ihre Kal­kulation die Mindestanforderungen des Weidemilchprogramms „Pro Weideland“ unterstellt. Dieses schreibt 1.000 m2 Weidefläche pro Kuh bei mindestens 120 Tagen im Jahr und täglich sechs Stunden Weidegang vor. Ausgangspunkt für ihre Berechnungen sind die Herdengrößen, Flächenverhältnisse und ­Herdenleistungen in durchschnittlichen Milchviehbetrieben in Nordwest-, ­Ost- und Süddeutschland.

Dabei unterstellen sie bei dieser Form der Weidehaltung einen Milch­mengenrückgang von 10 %, was zu ­einer Erlösminderung von rund 4,5 ct/kg führt. Die Investitionskosten für Zäune, Tränken und Triebwege schlagen mit 1 bis 1,5 ct/kg zu Buche, der laufende Mehraufwand für Arbeit, Material und Maschinen mit ca. 0,5 bis 1 ct/kg. In der Summe ergeben sich daraus für den Durchschnittsbetrieb im Osten Anpassungskosten von 5,5 ct/kg. Für den Betrieb im Norden errechnen die Autorinnen Mehrkosten von 6 ct/kg und für den im Süden von 7,3 ct/kg.

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