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Reportage

Wie ein Jungbauer völlig heruntergewirtschaftete Böden wieder fruchtbar machte

Ein junger Landwirt hat einen Betrieb, dessen Böden komplett heruntergewirtschaftet waren, mit vielen Ideen in einen erfolgreichen Ökolandbau verwandelt.

Lesezeit: 7 Minuten

Unser Autor: Thomas Preuße, DLG-Mitteilungen

Jede Zeit hat ihre Schlagworte. In der Vergangenheit redeten wir über „integriert“ oder „nachhaltig“. Heute ist „regenerativ“ in aller Munde.

Der Begriff ist ungemein positiv besetzt. Er riecht nach Boden und klingt nach Klimaschutz. Konkret ist er aber ebenso schwer zu fassen wie seine Vorgänger. Zwar sind ein paar „Leitplanken definiert – Humusaufbau als Ziel, Pflugverzicht und Zwischenfrüchte als Maßnahmen.

Aber anders als manche Beratungsanbieter nahelegen, ist regenerative Landwirtschaft kein System, das sich mit Erfolgsgarantie so einfach kopieren ließe. Und schon gar nicht hat es alleine das oftmals herangezogene „Weltrettungspotential“ in Sachen Klima. Sollten wir uns also von diesem Begriff wieder verabschieden? Nein. Regenerative Landwirtschaft ist ein Weg, der dem Boden und damit auch dem Betrieb die Funktionsfähigkeit sichern hilft. Das ist nicht wenig.

Regenerativ bedeutet ja im Wortsinn, dass etwas „wieder geschaffen“ wird. Im Fall der Landwirtschaft ist es, was die Vorfahren gern als „Bodenfruchtbarkeit“ bezeichnet haben.

Ein junger Landwirt in Österreich

Es ist bezeichnend, dass Valentin Seiringer während unseres Gesprächs den Begriff „regenerativ“ nicht ein einziges Mal verwendet. Stattdessen spricht der Landwirt aus Wieselburg in Niederösterreich (etwa eine Fahrstunde westlich von Wien) lieber konkret von der Krümelstruktur, die es wieder zu schaffen gelte, von Verschlämmung, aber natürlich auch von Nährstoffversorgung und Humusgehalten, die eine gute Bodenstruktur und Wasserverdaulichkeit erst ermöglichen.

Seiringer hat trotz seiner nur 25 Jahre schon einige Erfahrungen in diesem Metier vorzuweisen. Sodass er heute selbst Vorträge darüber hält oder Abschlussarbeiten an der nahe gelegenen Bundeslehr- und Forschungsanstalt mitbetreut, an der er selbst ausgebildet wurde.

Dass er sich obendrein für die Wintermonate in Wien für das Fach Wirtschaftsrecht eingeschrieben hat, bestätigt das Bild eines jungen Mannes, der ziemlich genau weiß, was er will, darüber aber das Fragen nicht vergisst.

Chance auf 180 ha Betrieb ergriffen

Manchmal spielt das Leben anders, als man es sich selbst gedacht hätte. Für Valentin Seiringer war entscheidend, dass sich seiner Familie vor fünf Jahren die Gelegenheit bot, einen nahe gelegenen Gutsbetrieb mit etwa 180 ha auf drei Standorten als Ganzes langfristig zu pachten. Große arrondierte Schläge, die gibt es in dieser von mittelbäuerlichen Betrieben gekennzeichneten Region sonst kaum.

Der „Pferdefuß“ dabei war, dass die Vorgänger den Boden heruntergewirtschaftet hatten. Verdichtungen, Pflugsohlen, Erosion, Humusgehalte zwischen 1,2 und 1,8 % waren aber ein Anlass, beim Verpächter mit dem Versprechen auf Bodenaufbau und damit einhergehende Wertsteigerung günstige Konditionen und eine langfristige Zusammenarbeit zu erreichen.

Ein zweiter entscheidender Faktor kommt hinzu: Die Familie Seiringer lebt nicht nur von den eigenen 30 ha Landwirtschaft, die sie bereits 2006 auf „Öko“ umgestellt hatte, sondern vor allem von der Herstellung und dem Verkauf von Kompost. Ein Drittel der jährlichen Produktionsmenge von 16.000 t geht in die Landwirtschaft, und davon nochmals ein Drittel in den eigenen Betrieb.

Stabiler Humus baut sich zwar auch bei großen Kompostmengen nur langsam auf. Aber es ist in den ersten fünf Jahren bereits gelungen, den Humusgehalt im Boden um durchschnittlich 0,2 % zu steigern.

Wichtigstes Werkzeug ist der Spaten

Für Valentin Seiringer ist der Humusgehalt nicht die einzige relevante Größe im Zusammenhang mit dem Boden. Er schaut auch auf die Durchwurzelbarkeit und die mikrobielle Aktivität. Sein wichtigstes Werkzeug dabei ist der Spaten.

„Jede Maßnahme am Acker kann ich selbst durchführen oder durchführen lassen. Die Spatendiagnose muss ich selbst machen“, sagt er dazu. Augen (gucken) und Nase (riechen) nehmen dabei den Bodenzustand auf. Ein einfacher Versickerungstest gibt Aufschluss über die mikrobielle Aktivität.

Pflanzen übernehmen Bodenbearbeitung

Eine noch größere Rolle als der Kompost spielen in diesem Betrieb Zwischenfrüchte und Untersaaten. Sie übernehmen weitgehend die Aufgabe der Bodenbearbeitung, die sonst weitgehend ultraflach mit einer Kettenscheibenegge und einem ganzflächig scheidenden Flachgrubber erfolgt. Ab und zu wird mit schmalen Zinken 30 cm tief gelockert (ohne zu mischen), um durch Verdichtungszonen hindurch Wurzelraum zu erschließen. Denn ein ausgeprägtes Wurzelwerk ist das A und O: „Es bringt eine organische Substanz in den Boden, die 15 Großvieheinheiten und mehr pro ha entspricht“.

Neben der Luzerne, dem Standard im Ökolandbau, sind Gräser und Weißklee die zentralen bodenaufbauenden Kulturen. Sie kosten auch viel weniger. In der Fruchtfolge spielen die Zwischenfrüchte (als Untersaaten) eine zentrale Rolle. Man kann sogar sagen, dass sich unter dem Ziel des Humusaufbaues die Fruchtfolge um die Zwischenfrüchte dreht und nicht umgekehrt. Getreide spielt fast gar keine Rolle.

„Warum soll ich als viehloser Biobetrieb in Österreich auf diesem international gut besetzten und wettbewerbsintensiven Feld mitspielen wollen?“ Seiringer setzt stattdessen auf die Ölsaaten Soja und Raps. Daneben spielen Körnermais, Wickgetreide, Luzerne und etwas Wintergerste eine größere Rolle. Nicht zu vergessen immerhin 20 ha mehrjährige und mit den Landschaftselementen weitgehend vernetzte Blühflächen.

Mob grazing als Alternative zum Mähen und Mulchen

Seiringer nutzt die Möglichkeit, Untersaaten nach der Ernte der Hauptkultur nicht zu mulchen, sondern beweiden zu lassen. Dieses „Mob grazing“ ist für ihn in erster Linie ein Weg, Gras in optimalem Wachstumszustand zu halten – und gedüngt wird es obendrein. Das tiefe Abschneiden des Grases koste zu viel Photosyntheseleistung, was sich negativ auf Wurzelentwicklung und -ausscheidungen als Kernelemente der Bodenfruchtbarkeit auswirke.

Nach einem vergeblichen Versuch mit Schafen (die brachen immer wieder aus) weiden jetzt Rinder eines Nachbarn auf einigen Untersaatflächen.

Flexibilität und Risiko

Bezeichnend für Valentin Seiringer ist seine Antwort auf die Frage, was im Sommer auf Getreide und Raps bzw. im Herbst auf Mais oder Soja folge: „Was immer mein Boden braucht“. Eine feste Fruchtfolge gibt es nicht mehr. Stattdessen werden Zwischenfrüchte und Hauptfrüchte an die Bedingungen angepasst. „Als viehloser Betrieb habe ich im Bodenaufbau einige Nachteile. Den einzigen Vorteil, dass ich ohne fixe Futterflächen flexibel auf Markt, Bodenverhältnisse, Nährstoffversorgungen und Ackerunkräuter reagieren kann, sollte ich dann schon nutzen.

Wintergetreide wird im Gemenge mit Grasuntersaat, Raps mit abfrierender Begleitsaat und Grasuntersaat ausgesät. So kann im Frühjahr die geplante Hauptkultur zur förderfähigen Zwischenfrucht werden und umgekehrt.“

Die Pläne

Neben dem Bodenaufbau bis in den Unterboden hinein verfolgt Valentin Seiringer noch ein zweites großes Ziel: mehr schnell wirksamen Stickstoff zur Verfügung zu haben. Aus dem Sack nachregulieren kann er ja nicht. Geplant ist eine Biogasanlage, die von Maisstroh über den Aufwuchs von Biodiversitätsflächen bis hin zu Lebensmittelabfällen alle möglichen Substrate verarbeiten und daraus Biomethan erzeugen soll. Der flüssige Gärrest wäre ein willkommener Dünger.

Bis dahin wird ab dem Sommer 2024 über einen zentralen Güllebehälter Rindergülle verschlaucht. Dieser Dünger wird mit einem benachbarten Milchviehhalter gegen Klee getauscht. Diese Güllegrube wird in die Mitte des Betriebes stehen. Von der aus kann die Gülle direkt auf 135 ha gelangen. Seiringer: „Wir können dort einen bestehenden Brunnen relativ günstig ausbauen und für diesen dann den Güllebehälter als Zwischenspeicher so wie alle Rohrleitungen doppelt nutzen.

Die Beregnung wird über ein 70-m- Auslegerstativ erfolgen. Damit könnten wir über selbstreinigende Saugkörbe Gülle- Wasser-Gemische bodennah verregnen. Das bietet neue Möglichkeiten, wenn separierte Gülle einerseits mit dem Regen bodennah gleich hineingeregnet wird.

Andererseits ermöglicht es eine Gülle-Regen-Düngung in bis zu 1,50 m hohe Bestände. Dieses Konzept wollen wir auch von der Forschung in Wieselburg begleiten lassen.“

Viele Ideen – aber am Schluss mag dann doch vor allem eine Botschaft stehen: All dies ist nicht die Geschichte eines (zweifellos enorm begabten) jungen Landwirts allein. Getragen wird er, das merkte man beim gemeinsamen Mittagessen, von der Familie und unterstützt von fähigen Mitarbeitern. Erfolg ist fast nie eine einsame Leistung. Auch Innovationen entstehen nicht im luftleeren Raum, sondern brauchen einen Rahmen. Der Funke für Innovation und Erfolg allerdings kommt oft von einzelnen kreativen Personen, wie Valentin Seiringer eine ist.

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