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Kinder auf dem Hof: Streitpunkt Erziehung

Kinder zu erziehen, ist eine Herausforderung – vor allem, wenn in der Großfamilie jeder unterschiedliche Wertvorstellungen und Ansätze mitbringt. Ein Blick auf typische Konflikte.

Lesezeit: 9 Minuten

Heinz und Erika Bauer haben ihren Betrieb vor einigen Jahren an Sohn Jens übergeben. Wenn Arbeitsspitzen anstehen, helfen beide Senioren gerne mit, ansonsten genießen sie den Ruhestand. Dann heiratet Jens seine Freundin Ines, eine junge Frau aus Hamburg, die schon seit über zwei Jahren mit auf dem Hof lebt und sich gut in die Familie integriert hat. Jens und Ines bekommen kurz nacheinander zwei Kinder, Paul und Hannah. Opa Heinz und Oma Erika freuen sich, endlich Großeltern zu sein und verbringen viel Zeit mit ihren Enkeln. Dadurch, dass sie unter der Woche die Kinder hüten, kann Ines sogar vormittags wieder in ihrem Beruf als Arzthelferin arbeiten.

Alles scheint gut geregelt, aber mit der Zeit kommt es vermehrt zu Reibereien zwischen den Generationen. Ines meint, die Großeltern funkten ihr in der Erziehung immer wieder dazwischen und seien z. B. beim Abgewöhnen des Schnullers oder dem Trockenwerden überambitioniert. Außerdem stört sie, dass beide Kinder vor dem Mittagessen Süßigkeiten bekommen. Heinz und Erika fühlen sich in Anbetracht der Vorwürfe angegriffen und ausgenutzt. Sie hüten fast täglich die Enkel. Dafür bekommen sie nur zu hören, was alles schief läuft. Schließlich kommt es zwischen Alt und Jung lautstark zum Zerwürfnis.

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So wie in unserem fiktiven Beispiel läuft es auf vielen Höfen, wenn Kinder in die Familie geboren werden. Selbst dann, wenn Junioren und Senioren zuvor gut miteinander auskamen. Doch es gibt Möglichkeiten, die Konflikte aufzulösen. Der Schlüssel liegt, wie so oft, in der Kommunikation und darin zu verstehen, was den anderen bewegt.

Werte weitergeben

Erziehung ist die Hinführung zum Erwachsensein. Sie versucht, das Kind in seinem Denken und Handeln so zu begleiten, dass es Verantwortung für sich selbst und andere übernimmt. Grundsätzlich entscheiden die Eltern, wie sie ihre Kinder erziehen wollen. Sie legen z. B. Werte, Regeln und Grenzen fest. Mit der Zeit gewinnt dann auch das Umfeld an Einfluss.

Eltern geben ihre eigenen Werte an die Kinder weiter. Sie leben vor, wie wichtig ihnen z. B. Tischmanieren, Freundlichkeit, Teamgeist oder Fairness sind. Ob bewusst oder unbewusst: Sie entscheiden auch, wie man in der Familie miteinander spricht, wie sie selbst auf Trotzanfälle reagieren und ob die Maisernte wichtiger ist als das Fuß­ballturnier. Wenn Oma Erika dann beim Schuhe anziehen einen Tonfall ­anschlägt, der für Ines deutlich über dem empfundenen „Richtig“ liegt, birgt das Zündstoff.

Ines bringt die Wertvorstellungen ihrer Herkunftsfamilie mit. Daran richtet sie die Erziehung ihrer Kinder aus.

Wertvorstellungen sind natürlich bei jedem Menschen verschieden. Sie sind kulturabhängig und verändern sich auch im Laufe des Lebens. Jede Familie hat eine Art „Leitkultur“, ein Bündel von Werten, die wichtig sind. Ihre Einhaltung ist erwünscht, über diese Leitkultur gibt es aber keine Niederschrift, keine offizielle Vereinbarung. Sie wird vorgelebt und dann stillschweigend vorausgesetzt.

Vermutlich hat unsere Beispielfamilie viele gemeinsame Werte, aber es kann unter den Generationen auch Vorstellungen geben, die voneinander abweichen. Noch deutlicher wird das durch die Einheirat von Ines. Sie bringt die Wertvorstellungen ihrer Herkunftsfamilie mit. Daran richtet sie die Erziehung ihrer Kinder aus.

Sagen, was wichtig ist

Die eingeheiratete Ines kommt aus einem städtischen Milieu. Geregelte Arbeitszeiten für sich und Aktivitäten außerhalb des Hofes für Paul und Hannah sind ihr wichtig. So ist sie selbst aufgewachsen. Deshalb gehen beide Kinder einmal in der Woche zur musikalischen Früherziehung und zu verschiedenen Spielgruppen. Die Groß­eltern finden, das sei zu viel. Sowieso hätten die Kinder auf dem Hof genug Möglichkeiten, sich zu beschäftigen. Doch Ines hält daran fest und freut sich, andere Mütter um sich zu haben. Dafür ist sie auf dem Hof entsprechend weniger verfügbar. Beim gemeinsamen Mittagessen wird ihr das seitens der Großeltern gelegentlich als Desinteresse oder gar Faulheit angekreidet. Besonders wenn es zu Arbeitsspitzen kommt, fänden sie spontane Hilfe wichtiger, als an Terminen festzuhalten, die jede Woche stattfinden.

Ein zweites Konfliktthema ist das Mittagessen. Unter der Woche kocht Erika, weil Ines erst mittags von der ­Arbeit kommt. Ines bemängelt aber oft die Auswahl der Gerichte und wünscht sich fettärmere Speisen auf dem Tisch. Sie überlegt, in Zukunft getrennt zu essen, auch wenn sie dann mehr Arbeit hat. Erika fühlt sich herabgesetzt und beleidigt. Die Stimmung ist mies.

Vereinbarungen treffen

Spätestens jetzt gilt es, das Gespräch zu suchen. Beide Seiten haben womöglich das Gefühl, sich für etwas rechtfertigen zu müssen, das sie jeweils als selbstverständlich ansehen. Die Eltern haben zwar die Erziehungshoheit, aber: Damit die Großeltern ihre Maßgaben nachvollziehen können, müssen sie wissen, welche Gedanken, Wünsche und Werte dahinterstehen. „Ich möchte, dass Paul lernt, Routinen wie den Sport auch dann nicht zu vernachlässigen, wenn die Erwachsenen gestresst sind“, könnte so ein Satz beispielhaft lauten. Wichtig ist, solche Informationen anzunehmen und nicht gleich einen persönlichen Angriff dahinter zu vermuten. Wahrscheinlich wissen Heinz und Erika auch gar nicht, dass der wöchentliche Kaffee mit den Müttern vom Kindersport für Ines zu einem wichtigen Termin geworden ist. Die Werte des Anderen anzuerkennen, bereitet den Boden für gegenseitiges Verständnis.

Raum für Empathie schaffen

Ines kann in einem offenen Gespräch auch ihre Wertvorstellung zum Essen erläutern. Vielleicht entspinnt sich eine Diskussion, ob nun das von Oma zubereitete Gemüse aus dem eigenen Garten mit etwas Butter besser ist als das tiefgefrorene Fertiggericht. Im Idealfall einigt man sich auf einen Speiseplan, der Kompromisse zulässt oder stellt gemeinsam ein Wochenmenü zusammen.

Auch den Großeltern muss ein gewisser Spielraum zustehen. Wichtig ist, dass die Erwachsenen unterschiedliche Ansichten ohne die Kinder besprechen. Großeltern und Eltern müssen sich einigen. Ansonsten werden die Kinder verunsichert, denn sie können noch nicht entscheiden, was richtig ist.

Dauerhaft führen ein Hü von Mama und ein Hott von Opa dazu, dass es den Kinder schwerer fällt, klare Werte und Leitbilder zu entwickeln. Je älter die Kinder werden, desto eher kann es ­Ausnahmen geben. Diese sollten aber auch Ausnahmen bleiben. Immerhin macht es den Besuch bei Oma und Opa ja auch besonders, dass sie z. B. bei ­einem Tütchen Gummibären mal ein Auge zudrücken. Kritisch wird es, wenn solche Ausnahmen zu Geheimnissen werden. Dann fühlt sich die Mutter hintergangen.

Großeltern dürfen ihre Werte weitergeben

Darüber hinaus macht es einen Unterschied, wie viel Zeit die Kinder mit ihren Großeltern verbringen. Sind sie fast täglich in der Obhut von Oma und Opa, werden diese zwangsläufig einen größeren Einfluss auf ihre Enkel haben. Umso wichtiger ist es, seitens der Eltern die eigenen Wertvorstellungen zu vermitteln und Vereinbarungen zu treffen.

Und noch etwas ist relevant: Wenn die Kinder jünger sind, geben sie viele ihrer Erlebnisse preis. Paul erzählt vielleicht, „gestern hat Papa ganz doll mit Mama geschimpft“, weil ihn das belastet. Dann sollte Opa Heinz Verständnis zeigen und fragen, ob das für Paul schlimm war. Aber er sollte nicht nachfragen, worüber die Eltern gestritten haben. Kinder dürfen nicht ausgehorcht werden, um in Konflikten zwischen Alt und Jung Material zu sammeln.

Kein Kita-Ersatz

Bisher haben wir die Konfliktfelder vor allem aus Sicht der Schwiegertochter betrachtet. Aber was macht die Situation mit den Großeltern? Wenn sie die Enkel hüten, tun sie das nicht als unbezahlte Kindermädchen, sondern als Familienmitglieder, die sich einbringen und ihre Werte vermitteln wollen.

Paul und Hannah lernen bei Oma und Opa Dinge, die sie bei ihren Eltern nicht erfahren würden. Stundenlang pikiert Hannah mit Erika Tomatensetzlinge. Dafür hat Ines gar keine Zeit und auch keine Lust. Die Waldspaziergänge mit Opa Heinz sind für Paul jedes Mal ein absolutes Highlight, Opas Geschichten kann er ewig zuhören. So erweitern die Geschwister ihren Horizont. Wenn Ines erlebt, wie fröhlich ihre Kinder von Erika und Heinz kommen und sieht, dass die Großeltern mit einem Lächeln auf den Lippen vom Tag erzählen, dann kann sie vielleicht über das Eine oder Andere hinwegsehen.

Es wäre ungerecht, anzunehmen, dass das Babysitten für die Großeltern selbstverständlich ist. Die beiden haben es sich als Altenteiler verdient, frei über ihre Zeit zu verfügen. Sicher freuen sie sich, mit den Enkeln zusammen zu sein. Deshalb ist es auch so wichtig, ehrlich miteinander zu reden und Vereinbarungen zu treffen. Weder sollte Ines das Gefühl haben, ihre Erziehung wird unterlaufen, noch sollten Heinz und Erika sich ausgenutzt fühlen. Auf dem Hof leben alle in einer gewissen Abhängigkeit, auch emotional. Das sollte aber für niemanden zur Qual werden. Sich wertschätzend über die Hilfe des anderen zu äußern und dankbar auf die Möglichkeiten einer Mehrgenerationenfamilie zu blicken, schafft eine gute Grundlage dafür, sich über Werte und Wünsche auszutauschen.

Sohn, Ehemann und Vermittler

Jens, der fiktive Hofnachfolger in unserem Beispiel, ist bisher gar nicht in Erscheinung getreten. Auch das entspricht der Wirklichkeit in sehr vielen Fällen. Kommt es zu Konflikten in der Familie, verschwinden viele Männer lieber auf den Traktor, in den Stall oder zur Landvolkversammlung. Dabei fällt ihnen eine besondere Rolle zu.

Der Hofnachfolger kann sich nicht heraushalten und hoffen, dass sich alles von alleine regelt.

Jens kennt die Leitwerte seiner Eltern ebenso gut wie die seiner jungen Fa­milie. Er ist in der idealen Position, zu vermitteln. Jens kann seiner Mutter am besten erklären, wie Ines tickt. Umgekehrt kann er Ines erzählen, was seinen Eltern wichtig ist und wie es vor ihrer Zeit auf dem Hof war.

Diese Vermittlerrolle ist umso wichtiger, je fremder sich vielleicht Eltern und Ehefrau sind. Der Hofnachfolger sollte die Brücke zwischen den Wertvorstellungen der Familien sein. Er kann sich nicht heraushalten und hoffen, dass sich alles von alleine regelt.

Die Kinder sind keine Objekte

Kinder, darum, sie beim Erwachsenwerden zu begleiten, ihre Fähigkeiten zu fördern und ihnen stabile Leitplanken für den Weg durchs Leben zu geben. Manchmal gerät das aus dem Blick, wenn Eltern und Großeltern um die vermeintlich richtige Erziehung streiten. Vielfach erscheint es wie ein Wettkampf, der zulasten der Kinder ausgetragen wird. Auch wenn sie noch klein sind, merken sie sehr schnell, wenn es Unstimmigkeiten zwischen Eltern und Großeltern gibt. •

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