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DBV-Vize Schwarz vor Bauerntag in Lübeck: „Die Landwirtschaft muss raus aus der Opferrolle“

Der DBV will mit seinen Mitgliedern am Bild des Zukunftsbauern arbeiten. Das müsse lösungsorientierter werden, um in den gesellschaftlichen Debatten durchzudringen, meint DBV-Vize Werner Schwarz.

Lesezeit: 7 Minuten

Raus aus der Opferrolle – Das ist die Devise des scheidenden Vizepräsidenten des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Werner Schwarz. Im DBV hat er den Prozess „Zukunftsbauer“ angestoßen. Auf dem Deutschen Bauerntag in Lübeck möchte er die Ergebnisse einer überregionalen Arbeitsgruppe in die Kreis- und Ortsverbände tragen. Die Basis soll erarbeiten, was Zukunftsbauern und einen modernen Verband ausmacht.

Herr Schwarz, was ist eigentlich ein Zukunftsbauer?

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Werner Schwarz: Ein Zukunftsbauer ist selbstkritisch, ein Zukunftsbauer achtet auf seine Umwelt, sein Umfeld und ein Zukunftsbauer spricht positiv über das, was er tut.

Das klingt nach der nächsten Imagekampagne für die Landwirtschaft.

Schwarz: Das ist es aber nicht, weil wir dieses Mal einen anderen Ansatz verfolgen: Im Prozess Zukunftsbauer wollen wir zunächst ein Selbstbild und ein neues Rollenverständnis innerhalb der Landwirtschaft erarbeiten. Erst dann kann die Kommunikation nach außen folgen. In der Vergangenheit haben wir es hin und wieder erlebt, dass wir Vorhaben und Aufgaben kommuniziert, dann aber nicht ausreichend mit Leben gefüllt haben. Das soll uns in dieser Form nicht wieder passieren.

Und wie soll das gehen?

Schwarz: Wir schauen erstmal nach innen auf uns als Landwirtinnen und Landwirte. Wir müssen die Diskussion, was Zukunftsbauern ausmachen, auf Orts-, Kreis- und Landesebene führen.

In der Vergangenheit habe ich immer wieder festgestellt, dass wir schnell in Opferrollen verfallen. Nach dem Motto: Bei Politik oder Preisen kann ich sowieso nichts machen. Der wichtigste Punkt ist, dass wir raus aus dieser Opferrolle kommen, um mit geradem Rücken Themen zu diskutieren, die sich für uns aus gesellschaftlichen Wünschen ergeben.

Was war der ausschlaggebende Punkt für den Prozess Zukunftsbauer?

Schwarz: Im Rahmen der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) und verschiedener Konsumentenstudien haben wir gelernt, dass wir uns noch mehr mit Anforderungen der Gesellschaft an uns Landwirtinnen und Landwirte beschäftigen müssen.

Ein Aha-Moment war für mich die Aussage in einer Konsumentenstudie, dass die Kassiererin bei Aldi für die Gesellschaft näher am Lebensmittel ist als wir Bauern. Die Gesellschaft hat sich schon so weit von uns entfernt, dass sie keine Verbindung mehr zwischen dem Weizenbrot und dem Anbau von Weizen zieht. Das war für mich wirklich der ausschlaggebende Moment, wo ich gesagt habe: Da muss was passieren, da müssen wir in die Diskussion.

Was ist bislang zum Zukunftsbauern passiert?

Schwarz: Im Deutschen Bauernverband haben wir eine Arbeitsgruppe mit 16 Mitgliedern eingerichtet. Da waren sehr meinungsstarke Männer und Frauen aus jedem Landesverband mit den unterschiedlichsten Betriebsformen dabei.

Auf dem Deutschen Bauerntag in Lübeck werden wir unsere Ergebnisse präsentieren und in zweierlei Richtungen diskutieren. Einmal grundsätzlich: Warum sollen wir uns überhaupt Gedanken über unser Selbstverständnis in der Landwirtschaft machen?

Und zum zweiten werden wir über die Wege diskutieren, die uns zu einem neuen Rollenverständnis führen und was wir damit meinen. Wir wollen keine verkopfte Diskussion um Textstellen und Änderungsanträge. Das Ganze soll zum aktiven Mitgestalten anregen.

Sie werden in Lübeck nicht mehr für die Wiederwahl als DBV-Vizepräsident antreten. Wer steht dafür ein, dass das Thema nicht vom runden Tisch auf die lange Bank wandert?

Schwarz: Ich bin sicher, dass die Diskussion nach den Sommerferien und nach der Herbstbestellung intensiv in den Kreisverbänden weitergeführt werden wird. Wir dürfen nicht lange Zeit verstreichen lassen. Dann ist ein solcher Prozess durchaus auch ohne Werner Schwarz möglich. Jeder ist ersetzbar.

Wie schwierig wird es, die fast 300.000 Mitgliedsbetriebe in so einen Prozess einzubinden?

Schwarz: Das ist enorm schwierig. Aber ich hoffe, dass wir sehr schnell eine kritische Masse zusammenbekommen, die diesen Prozess will und dann werden die anderen uns folgen und in die Diskussion einsteigen.

Viele Teilbereiche der Landwirtschaft stehen unter enormem Druck. Sie fordern nun, innezuhalten und das Selbstbild der Landwirtschaft als „Zukunftsbauern“ neu zu denken.

Schwarz: Ich bin selbst Sauenhalter und Schweinemäster. Der Zeitpunkt für solche Prozesse ist nie der richtige. Gerade der Ukraine-Krieg und die Nahrungsmittel- und Energiediskussion zeigt uns aber auch, dass es wichtig ist, über Landwirtschaft und Ernährung zu diskutieren. Umwelt-, Insekten-, Boden- und Gewässerschutz werden wichtig bleiben. Warum nicht jetzt mit einer ehrlichen Analyse anfangen?

Welche Ergebnisse soll der Prozess in den nächsten Jahren hervorbringen?

Schwarz: In zwei Jahren sehe ich, dass in jedem Kreisbauernverband und in vielen Ortsverbänden das Thema Zukunftsbauer angekommen ist. Und dass wir erste Rückmeldungen bekommen, dass besonders die Generation der 25-40 jährigen sagt, auf diesem Weg wollen wir mitarbeiten, da wollen wir ran.

Werden Sie als Verband alle Bäuerinnen und Bauern bei den streitbaren Themen um Tierwohl, Klima- und Umweltschutz mitnehmen können?

Schwarz: Wir verteilen am Bauerntag keine Rezepte, wie ein Betrieb zukünftig aufgestellt sein soll. Wir geben Anregungen, über die eigenen Geschäftsmodelle nachzudenken und sich selbst zu hinterfragen.

Es gibt dabei auch in Zukunft kein falsch oder richtig. Es geht darum, dass sich die Geisteshaltung ändert, heute spricht man vom Mindset. Da gehört dann auch dazu, sich um Biodiversität zu kümmern und diese Arbeit im Zweifelsfalle zu Geld zu machen. Wir sehen bei unserem F.R.A.N.Z.-Projekt, dass sich Biodiversität und Artenschutz sehr gut in die Produktion integrieren lassen.

Wir verteilen am Bauerntag keine Rezepte, wie ein Betrieb zukünftig aufgestellt sein soll. Wir geben Anregungen, über die eigenen Geschäftsmodelle nachzudenken und sich selbst zu hinterfragen."

Wie wollen sie die wachsende Vielzahl an Interessen und Meinungen in der Branche durch konkurrierende Interessenverbände, Gruppen wie LSV und meinungsstarke Blogger in Zukunft zusammenhalten?

Schwarz: Auch diese Vielstimmigkeit ist ein Grund, mit dem Zukunftsbauer-Prozess zu beginnen. Dieser ist explizit auf die Mitglieder ausgelegt, denn wir haben gesehen, dass wir mit unseren Informationswegen und unseren bisherigen Diskussionsprozessen vielleicht etwas zu altbacken sind.

Dabei heißt altbacken noch lange nicht schlecht, aber eben nicht mehr frisch. Wir hoffen, dass die Diskussion um den Zukunftsbauern auch auf den DBV abstrahlt. Aber bevor wir über einen Zukunftsbauernverband diskutieren, ist es wichtig, den Gedankenanstoß an unsere Mitglieder zu geben. Dann kommen die Fragen nach einem Zukunftsbauernverband von allein.

Mehr Basisnähe, mehr Frauen, mehr Jugend: Das waren auch schon die Themen in der ersten top agrar Verbandsumfragevor gut zwei Jahren. Seinerzeit waren einige Vertreter aus den Landesverbänden und dem DBV regelrecht empört, wie top agrar ein solches Thema aufgreifen kann. Sind wir heute in der Diskussionskultur weiter?

Schwarz: Die Diskussion ist unter den Berufskolleginnen und Berufskollegen weitergegangen. Deshalb sind solche Umfragen von Agrarmedien überaus hilfreich: Sie befeuern Diskussionen und das begrüße ich außerordentlich.

Dennoch gab und gibt es immer wieder Beißreflexe, sobald Kritik an Strukturen und etablierten Verhaltensweisen geäußert wird.

Schwarz: Das ist das Verfallen in die eben beschriebene Opferrolle. Und ich erinnere gerne an diesen ehemaligen Werbespruch: Umparken im Kopf. Das beschreibt das sehr gut. Wir müssen im ersten Schritt noch nicht handeln, wir müssen aber einen Wechsel in unserem Denken hervorrufen.

Um den von Ihnen beschriebenen Beißreflex entgegenzuwirken, haben wir für die Aussprache in Lübeck ein Fishbowl-Konzept entwickelt. Wir geben den Delegierten viel Raum, um Fragen zu stellen und kritische Anmerkungen zu machen. Ja, vielleicht werden wir untereinander auch Beißreflexe bekommen. Ich erwarte von den Delegierten eine leidenschaftliche Diskussion. In Lübeck können wir fast alle Kreisvorsitzenden in Deutschland erreichen und damit eine gute Ausgangsbasis und die notwendige kritische Masse schaffen, um das Projekt mit Leben zu füllen.

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