Die EU-Kommission hat Deutschland unter Zugzwang für eine Aufgabe der Stilllegungsverpflichtung nach GLÖZ 8 gesetzt. Bis Mitte kommender Woche muss Deutschland nach Brüssel melden, ob es die Möglichkeit für eine Aussetzung der Stilllegung für 2024 ziehen wird.
Aussetzung bis 2027 im Gespräch
In Berlin zeichnet sich diese Woche ab, dass es wohlmöglich nicht mehr nur darum geht, ob Deutschland die Aussetzung möglich macht, sondern unter welchen Bedingungen. Nach Informationen von top agrar verhandeln die Ampel-Fraktionen auf oberster Ebene ein Paket, dass eine 1:1 Umsetzung der EU-Ausnahmeregeln in Deutschland möglich machen soll.
Sogar eine Freigabe der Stilllegungsflächen bis 2027 für die gesamte Förderperiode ist im Gespräch. Darauf hatten zuletzt die Agrarminister der CDU/CSU aus den Bundesländern offiziell in einem Brief an Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) gedrängt. Auch in Brüssel gibt es Druck auf die EU-Kommission, die Stilllegungsverpflichtung nicht nur für 2024 sondern gleich bis 2027 auszusetzen.
Gespräche dauern an, sagt das BMEL
Offiziell will sich das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) zum Verhandlungsstand aktuell nicht äußern. „Die Gespräche innerhalb der Bundesregierung zur möglichen Umsetzung der Ausnahmemöglichkeit zu GLÖZ 8 sowie deren Ausgestaltung dauern an“, sagte ein BMEL-Sprecher gegenüber top agrar. Man könne dem Ergebnis nicht vorgreifen.
Laut der Ausnahme der EU für das Jahr 2024 können Landwirte GLÖZ 8 erfüllen, indem sie auf 4 % ihrer Ackerflächen
Brachen anlegen und/oder
Leguminosen anbauen und/oder
Zwischenfrüchte (bei Gewichtungsfaktor 1) anbauen.
Bauernverband fordert 1:1 Umsetzung bei GLÖZ 8
Der Deutsche Bauernverband (DBV) erhöht am Donnerstag den Druck. DBV-Präsident Joachim Rukwied fordert die Bundesregierung auf, die Vorschläge der EU-Kommission zur Aussetzung der GLÖZ 8 Regelung jetzt 1:1 umzusetzen. „Wir deutschen Bauern brauchen jetzt die Entscheidung, die uns die gleichen Voraussetzungen wie anderen Landwirten in der EU sichert“, sagte er. Rukwied warnt vor einem deutschen Alleingang und eine Ungleichbehandlung gegenüber Landwirten in anderen EU-Mitgliedstaaten. Das sei inakzeptabel, so Rukwied.
Die landwirtschaftlichen Betriebe bräuchten bis spätestens Ende Februar eindeutige Informationen über die Bedingungen bei GLÖZ 8. Das gelte auch für etwaige Änderungen bestimmter Maßnahmen bei den Öko-Regelungen und gegebenenfalls auch bei den Umweltmaßnahmen (AUKM) in der Zweiten Säule der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP).
Umweltministerium will Verknüpfung mit den Öko-Regelungen
Nicht einigen konnte sich die Ampel bisher, ob die Freigabe der Stilllegungsflächen in Deutschland weitere Änderungen nach sich ziehen wird. Das Bundesumweltministerium (BMUV) versucht den von den Grünen favorisierten Ausbau der Öko-Regelungen als Gegenleistung für die Freigabe der Stilllegungsflächen weiter zu treiben.
Es brauche mehr EU-Agrargelder für Förderangebote für Landwirtinnen und Landwirte zum Erhalt der Biodiversität über die Öko-Regelungen, hatte sich Umweltministerin Steffi Lemke vergangene Woche gleich nach der Entscheidung der EU-Kommission geäußert. „Die Stärkung und Ergänzung der Öko-Regelungen in der GAP ab 2025 ist hierfür von entscheidender Bedeutung“, sagte Lemke.
Das hieße allerdings, dass dafür die Basisprämie sinken würde. Im Herbst 2023 hatte das Bundeslandwirtschaftsministerium eine Kürzung der Basisprämie von 13 € zu Gunsten einer Mittelaufstockung bei den Öko-Regelungen von 5 % vorgeschlagen.
Auf Kosten der Basisprämie
In der Ampelkoalition trifft ein Paket aus Freigabe der Stilllegungsflächen und Ausbau der Öko-Regelungen auf Unterstützung bei den Grünen und bei der SPD. Sie argumentieren, dass die Öko-Regelungen die EU-Gelder mehr an Leistungen knüpfen, wie es auch die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) vorgeschlagen habe.
Die FDP äußert hingegen Bedenken. Sie fürchtet, dass ein Ausbau der Öko-Regelungen auf Kosten der Basisprämie weiteren Unmut bei den demonstrierenden Landwirtinnen und Landwirten auslösen könnte. Diese würden nach der Debatte über den Agrardiesel auf jeden Euro bei der Basisprämie schauen, heißt es in FDP-Kreisen.
Auch der Bauernverband wendet sich gegen Umschichtungen von Geld von der Basisprämie zu den Öko-Regelungen. „Es ist nicht akzeptabel, dass schon wieder die finanziellen Rahmenbedingungen bei den Eco Schemes und die erste Säule kurzfristig verändert werden sollen“, sagte Rukwied. Erforderlich wäre es aus Sicht des Bauernverbandes, dass die Bundesregierung die bestehenden Maßnahmen bei den Öko-Regelungen durch höhere Prämien, deutlich praktikablere Vorgaben und mehr Flexibilität verbessert.
Wegfall der Stilllegung macht Öko-Regelungen attraktiver
Sollte die Freigabe der Stilllegung für die Betriebe 2024 kommen, hätten die Betriebe einen höheren Anreiz, mehr Öko-Regelungen als bisher anzunehmen. Die ursprünglich für die verpflichtende Stilllegung eingeplante Fläche könnten sie sich über die Öko-Regelung 1 mit 1.300 € pro ha für einen Hektar bzw. ein Prozent ihrer Ackerfläche vergüten lassen. Für das nächste Prozent gäbe es 500 €/ha, ab dem dritten 300 €/ha. Die GLÖZ-Verpflichtung könnten sie dann über Zwischenfrüchte oder Leguminosen erfüllen.
Ob es dann zu Budgetproblemen innerhalb der Öko-Regelungen kommt, dazu gibt es unterschiedliche Annahmen. Für das Jahr 2024 sind im Strategieplan bei einem Flächenziel von 304.000 ha insgesamt 211 Mio. € Budget für freiwillige Stilllegungen verplant.
Die bisherige Stilllegungsverpflichtung von 4 % der Ackerfläche hätte mehr als 450.000 ha umfasst. Damit ist eingepreist, dass die freiwillige, honorierte Stilllegung für einen Teil der Betriebe keine Alternative darstellt.
Der DBV erwartet, dass dennoch 2024 ein großes Volumen des Budgets für die Öko-Regelungen nicht beansprucht wird. Das Bundesumweltministerium rechnet hingegen damit, dass es mit weiteren Öko-Regelungen etwa für die Weide mehr landwirtschaftliche Betriebe zur Nutzung der freiwilligen Prämien motiviert.