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Agrarstandort Deutschland: Beim Innovationstempo mithalten

Mitunter drängt sich der Eindruck auf, dass Deutschland bei Digitalisierung und Pflanzenschutz hinterherhinkt. Doch es gibt Anlass für Optimismus, wie die neue LiD-Veranstaltung von top agrar zeigt.

Lesezeit: 7 Minuten

Die grüne Branche blickt größtenteils mit Sorgen in die Zukunft: Immer mehr Pflanzenschutzwirkstoffe fallen weg, neue und ebenso wirksame Mittel sind nicht in Sicht. Für die von der Wissenschaft viel gelobten Verfahren des Genome editings, die aktuell durch das Gentechnikrecht geregelt sind, gibt es noch immer hohe Zulassungshürden. Und nicht zuletzt hält die Digitalisierung zwar Einzug auf den Betrieben – allerdings nicht so stark und übergreifend wie mancherorts beschrieben und gewünscht.

Dann stellt sich die Frage: Verliert Deutschland als Innovationsstandort den Anschluss? Gibt es eine Antwort? Das diskutierten Expertinnen und Experten am Mittwochabend in Berlin bei dem Diskussionsformat „Landwirtschaft im Dialog“.

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(Quelle: Top Agrar)

Suffizienz ist keine Innovation

Noch ist Deutschland nicht abgehängt, stellt Hubertus Paetow in seinem Impulsreferat fest. „Wir haben noch den Anschluss an das, was international passiert, bei Landtechnik, Pflanzenschutz und Züchtung“, sagt der Landwirt und Präsident der Deutschen Landwirtschaft-Gesellschaft (DLG). Die weltweit meisten landtechnischen Patente kämen noch immer aus Deutschland. Auch bei den vielen öffentlich kritisch und gegensätzlichen Einstellungen sieht Paetow eine Einigkeit darin, „dass unsere Zukunft geprägt ist von einer nachhaltigen Entwicklung“.

Für Nachhaltigkeit brauche es Fortschritte, sonst ließen sich die Ziele nicht erreichen. „Der Treibstoff für Fortschritt heißt Innovation“, sagt Paetow. Die immer wieder geforderte Suffizienz sei hingegen keine Innovation, grenzt er ab. Der Begriff steht u.a. in der Umweltpolitik für das Bemühen, möglichst wenig Rohstoffe und Energie zu verbrauchen. „Wenn wir auf Suffizienz setzen, ist ein wesentlicher Fehler, dass wir die unserer Möglichkeiten und die Möglichkeiten von Politik unterschätzen, die Menschen in ihrem grundsätzliche Verhalten zu ändern“, kritisiert Hubertus Paetow. Das wäre aber erforderlich, wenn Suffizienz das Werkzeug zur Erreichung der Ziele wäre. Und auch diese gesellschaftliche Innovation gehöre zu dem breiten Begriff.

Peatow: Zur Agrarwende braucht es auch eine Innovationswende

In Bezug auf Innovationen sei die Stimmung in Deutschland dennoch getrübt. „Durch die Perspektiven von Green Deal und Farm to Fork besteht Angst, dass Europa sich von dem Pfad einer nachhaltigen Produktivitätssteigerung abgekoppelt hat“, fasst Paetow zusammen. Und somit findet auch immer mehr Forschung und Innovationen im Ausland statt.

Denn vor allem der Umgang der Gesellschaft mit Risiken oder Gefahren von Innovationen sei ein wesentlicher Punkt für die Stimmung, in der Akteure handeln, die mit Innovationen zu tun haben. „Wenn jemand Angst haben muss, dass etwas gerade Entwickeltes morgen verboten wird, motiviert das nicht“, stellt Paetow fest. „Wir brauchen zur Agrarwende auch eine Innovationswende – und eine grundsätzlich positive Einstellung für Innovationen gegen die ‚German Angst‘“, fordert er. Denn Potenzial gebe es genug.

Mehr digitale Innovationen?

Dass die landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland sehr innovationsfreudig sind, bekräftigt Theresa Schmidt. Gerade die Digitalisierung kommt auf den Betrieben an. Doch die Landwirtin und Vorsitzende im Bund der Deutschen Landjugend weist auch darauf hin, dass sich vor allem größere und wirtschaftsstärkere Betriebe digitale Innovationen leisten könnten. „Die Investitionen müssen dann auch wirtschaftlich sein“, sagt Schmidt. Bei kleineren Betrieben dauerten Anschaffungen dann auch häufig länger.

Datenhoheit bleibt beim Landwirt

Bei den Landwirten ist insbesondere die Datenhoheit in großes Thema. Dazu ordnet Frank Terhorst ein, Leiter Strategie & Nachhaltigkeit bei Bayer Crop Science: „Die digitalen Daten gehören und bleiben beim Landwirt. Das ist wichtig, um das Vertrauen herzustellen.“ In Digitalisierung sieht Terhorst die Chance, die beiden Widersprüche von Ertragssteigerung und Nachhaltigkeit aufzulösen.

„Digitalisierung wird helfen, Saatgut und Pflanzenschutz noch gezielter einzusetzen“, ist Frank Terhorst zuversichtlich. In den USA seien heute bereits 80% der Landwirte digital vernetzt, in Deutschland sind es 50%. Und nur 25% würden die Techniken aktiv nutzen. Terhorst geht davon aus, dass Landwirtschaft künftig digitaler und biologischer wird – eine nachhaltige Intensivierung der Landwirtschaft. „Wir stehen an einer Schwelle, wo wir neue Wege gehen können. Wir müssen in Europa unserer weltweiten Verantwortung nachgehen“, sagt Terhorst.

Eine Frage in dem Zusammenhang mit Innovationen sei zudem immer, „welche Strukturveränderungen werden dadurch ausgelöst?“, fragt Dr. Manuela Rottmann, parlamentarische Staatsekretärin des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Die Vielfalt der Strukturen seien wichtig, um Innovationen voranzutreiben. „Wir brauchen Innovationen“, ist Rottmann überzeugt.

Pflanzenschutz einschränken oder nicht?

Bezüglich des Pflanzenschutzes haben wir „in Europa Beispiele dafür, dass es Länder schaffen, ohne wesentliche Ertragseinbußen den Verbrauch von Pflanzenschutzmitteln deutlich zu reduzieren“, sagt Manuela Rottmann. Dänemark habe z.B. gute Erfahrung gemacht.

Mechanische Unkrautbekämpfung setzt sich in Deutschland immer mehr durch, auch die Betriebe werden bzgl. der Fruchtfolgen kreativer. „Gerade die Jungen Landwirte sind doch sehr offen für Neuheiten“, sagt Theresa Schmidt. Auf dem Betrieb der Familie Schmidt wachsen z.B. seit Kurzem Erdbeeren. Doch im EU-weiten Vergleich sieht Schmidt Deutschland im Wettbewerbsnachteil. Sie wünscht sich z.B. bei den Gräsern wie Windhalm und Ackerfuchsschwanz neue Wirkstoffgruppen.

„Zulassung ist Vorsorge“

In der Diskussion um den Pflanzenschutz sieht Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auch einen großen Bedarf der Verbraucher, verstehen zu wollen was wirklich los ist mit den Lebensmitteln. Die Stoffe, die im chemischen und ökologischen Pflanzenschutz eingesetzt würden seien Gifte, die Organismen abtöten sollen, auch hochpotent. Diese Stoffe müssten sicher sein.

„Der differenzierte und hochregulierte Pflanzenschutzmittelzulassungsprozess ist der Vorsorgeprozess“, ordnet Hensel ein. Und er sagt: „Bei sachgemäßer Anwendung hat es in den letzten 30 Jahren keine Fälle von gesundheitlichen Schäden durch den Verzehr behandelter Produkte gegeben.“ Um die gefühlte schleichende Vergiftung abzuwenden, steuere auch die EU mit Programmen gegen. Allerdings gehe es nicht ohne Chemie, denn es sei alles Chemie.

Gentechnik: Liegt die Chance in Crispr/Cas?

Statt Innovationen zu definieren, sollten besser Ziele definiert werden, fordert Robert Hoffie vom Öko-Progressiven Netzwerk (ÖkoProg). Wenn die EU weniger Pflanzenschutzeinsatz im Zuge der Nachhaltigkeit fordere, könnten neue Züchtungstechniken (Genome editing) wie Crispr/Cas ihren Beitrag dazu leisten.

Der Forscher arbeitet mit den Züchtungsmethoden am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben und sagt: „Wir wissen, dass gentechnische Züchtungsmethoden genauso sicher sind wie klassische. Ich hoffe, dass das aktuelle Wissen in die neue Reform mit einfließen wird.“ Aktuell werden die Techniken durch das EU-Gentechnikrecht reguliert, dieses soll nächstes Jahr angepasst werden.

Wie geht es weiter mit den Innovationen?

Künftig wird laut Prof. Hensel die Frage der Nachernte- und Vorerntetechnologie noch wichtiger werden und Innovationen erfordern. „Das ist etwas, dass wir gerade vernachlässigen, das weltweit aber einen größeren Stellenwert bekommen wird.“ Hier sei noch ein großes Feld der technologischen Innovationen.

Ganz grundsätzlich appelliert Theresa Schmidt an alle Verantwortlichen: „Wir brauchen vor allem eine innovative Politik, die innovativ denkt und zwar in Generationen und nicht in Legislaturperioden! Die Junglandwirtinnen und Junglandwirte brauchen Planungssicherheit.“

Ist die „German Angst“ wirklich so Deutsch?

Im Schlusstalk erklärt Prof. Hensel die psychologische Komponente der Diskussionen – die an diesem Abend viel zitierte „German Angst“ sei zwar ein feststehender englischer Begriff. Allerdings sei es auch ein ideologisches Konstrukt, denn andere Nationen teilen ebenso Ängste.

Ohne Chemie geht’s nicht.“ - Hensel

Der größte deutsche Angstreiber sei im Gegensatz zu anderen Nationen die Chemie, so Prof. Hensel. Der BfR-Präsident kritisiert in diesem Zusammenhang auch den Journalismus, der mit überzeichneten- und dramatisierenden Überschriften die gefühlte Bedrohung verstärkten. Doch letztlich sei der Begriff eher als Vorsicht, Zögerlichkeit, Skepsis zu interpretieren.

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