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Ströbel: Ökorechnung der TU München mit gravierenden Lücken

Der Triesdorfer Agrarökonom Prof. Herbert Ströbel weist darauf hin, dass bei der Berechnung der „Umweltkosten“ des ökologischen Ackerbaus Folgeeffekte der niedrigeren Erträge beachtet werden müssen.

Lesezeit: 9 Minuten

Ende Januar hatte die Technische Universität München (TUM) in einer Studie dem Ökolandbau im Vergleich zur konventionellen Wirtschaftsweise eine bessere Klima- und Umweltbilanz bescheinigt. „Bio“ soll demnach jährlich bis zu 800 €/ha niedrigere Umweltkosten verursachen.

In ihrer Rechnung kommen die Münchner Forscher um Prof. Kurt-Jürgen Hülsbergen zu dem Ergebnis, dass eine Ausweitung des Ökolandbaus auf die vom Bund angestrebten 30 % Flächenanteil jährliche Umweltkosten von rund 4,0 Mrd. € einsparen würde.

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Der emeritierte Agrarökonom Prof. Herbert Ströbel von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf kann dieser Analyse jedoch nur in Teilen folgen. Er wirft den Autoren der TUM-Studie unter anderem vor, Folgeeffekte zu vernachlässigen, die aus den niedrigeren Erträgen in der ökologischen Landwirtschaft resultieren. Mehr Ökolandwirtschaft führe damit zu vermehrten Importen, die ihrerseits Flächen und damit Umweltkosten im Ausland nach sich zögen.

In Ströbels Bilanzierung stünden so bei 30 % Ökolandbau den eingesparten Umweltkosten von 4,0 Mrd. € in Deutschland Mehrkosten von fast 10,4 Mrd. € gegenüber.

Für top agrar hat Prof. Ströbel seine Analyse zur Studie der TU München in einem Kommentar zusammengefasst, den wir hier in ungekürzter Form veröffentlichen.

Kommentar zur TUM-Studie „Umwelt- und Klimawirkungen des Ökologischen Landbaus“

Pünktlich zur Grünen Woche erschien eine Studie der TUM zu Umwelt- und Klimawirkungen des Ökologischen Landbaus, nach der Ökolandbau in hohem Maße Treibhausgase und gesellschaftliche Kosten spart. Die Studie wird in Landwirtschaftskreisen und in den Medien breit von BR bis hin zum Spiegel aufgegriffen. Ein Anlass, um auch hier wieder einmal genauer hinzusehen.

Bei Durchsicht der Studie fällt zunächst positiv auf, dass die Autoren auf das deutschlandweite Netzwerk ökologischer und konventioneller Pilotbetriebe als Datengrundlage zurückgreifen und damit sehr detaillierte Daten nutzen, die eine belastbare Ertrags- und Emissionsanalyse dieser Betriebe ermöglichen.

Die wichtigsten Ergebnisse aus der Studie zur Bewertung der Umweltkosten sind zur besseren Übersicht unten in einer Tabelle dargestellt und nach den Betriebssystemen Marktfrucht und Milchvieh aufgeschlüsselt.

Hier die zentralen Punkte:

1. Die Studie bestätigt den 50 % niedrigeren Ertrag des Ökolandbaus und ermittelt plausible Umweltkosten

Erträge: Nach den Ertragsanalysen in der Studie erzielen ökologische Marktfruchtbetriebe mit 37 Getreideeinheiten (GE) je Hektar 42 % des Ertrags konventioneller Betriebe und die ökologischen Milchviehbetriebe erreichen 60 %. (Anmerkung der Redaktion: 1 GE entspricht dabei 1 dt Gerste) Beim Energieertrag sind die entsprechenden Zahlen 50 % und 64 %. Der gewogene Durchschnittsertrag der ökologischen Betriebe dürfte bei den GE bei 50 % liegen. Anzumerken ist, dass in den ökologischen Marktfruchtbetrieben die Erträge von Kleegrass und wohl auch anderer Gründungspflanzen in der Ertragsermittlung mitberücksichtigt werden, obwohl sie keine entnahmefähigen Leistungen darstellen.

Umweltkosten: Die Berechnung der Umweltkosten erfolgt auf der Basis eingesetzter Stickstoffmengen und aufwändig ermittelter CO2-Emissionen der Bodennutzungssysteme. Für die Bewertung der Umweltkosten des Stickstoffdüngers dient ein von Matthey & Bünger (2020) übernommener Wert in Höhe von 6,30 € je kg Stickstoff. Nach Angaben der Autoren erfasst dieser Wert das volle Spektrum der negativen Umweltwirkungen des Stickstoffs. Bei der Bewertung der Umweltkosten durch CO2-Emissionen werden 195 € je Tonne zugrunde gelegt. Wegen der in der Stickstoffbewertung enthaltenen CO2-Bewertung wird die Summe der Umweltkosten aus Stickstoff- und CO2-Bewertung um etwa 20 % gemindert, um Doppelzählungen zu berücksichtigen. Das Ergebnis sind die 800 € Kosteneinsparung je Hektar Ökolandbau, die bei 30 % Ökofläche bzw. 5 Mio. ha Ökolandbau die ermittelte Einsparung von Umweltkosten in Höhe von 4 Mrd. € ergeben.

2. Die Studie versäumt die Berücksichtigung einer Ersatzbeschaffung der Mindererträge zur Sicherung der Gesamtproduktionsmenge

Wie die Studie selbst ausweist, sind die Erträge im Ökolandbau um zirka 50% niedriger als im konventionellen Anbau. Wird vereinfachend von einem Minderertrag von 40 GE je Hektar ausgegangen, summiert sich der Minderertrag bei 5 Millionen Hektar auf 200 Millionen GE. Dieser Minderertrag des Ökolandbaus wird in der Studie nicht ermittelt und auch nicht bewertet.

In der Realität kann auf diesen Minderertrag nicht verzichtet werden und er ist deshalb im Interesse einer aussagefähigen Gesamtrechnung einzubeziehen. Die Kosten der Ersatzbeschaffung des Minderertrags sind entsprechend zu ermitteln und den in der TUM-Studie ermittelten Einsparungen gegenüberzustellen.

Wird davon ausgegangen, dass die Ersatzbeschaffung der 200 Mio. GE über konventionellen Landbau erfolgt, entstehen dafür im Wesentlichen folgende Kosten:

a) Produktionskosten der Ersatzbeschaffung des Minderertrags

Bei einem Ertrag von 80 GE je Hektar sind dafür der Anbau von 2,5 Mio. ha konventioneller Landbau erforderlich. Bei Produktionskosten von 20 € je GE ergeben sich insgesamt Produktionskosten in Höhe von 4 Mrd. €. Allein die Produktionskosten der Ersatzbeschaffung fressen also den gesamten Einsparungsbetrag auf. Da die Produktionskosten im Ökolandbau je GE in etwa doppelt so hoch sind wie im konventionellen Anbau, ergeben sich trotz des halben Ertrags keine Kosteneinsparungen, die gegenzurechnen wären.

b) Umweltkosten aus der Produktion der Ersatzbeschaffung

Wie die Studie selbst darlegt, entstehen bei der Produktion von Agrargütern neben Produktionskosten auch Umweltkosten. Im Falle des konventionellen Landbaus betragen diese nach der TUM-Studie etwa 1.750 €/ha (siehe Tabelle Zeile 12). Beim notwendigen Umfang von 2,5 Mio. ha führt das zu Kosten in Höhe von 4,375 Mrd. €.

c) Umweltkosten durch Ausdehnung der landwirtschaftlich genutzten Fläche

Für den Ersatz des Minderertrags des Ökolandbaus sind zusätzliche Flächen erforderlich, die der konventionelle Landbau aufgrund seiner höheren Erträge nicht benötigen würde. Der aus der dieser zusätzlichen Flächennutzung resultierende Verlust an Umweltleistungen ist deshalb dem Ökolandbau als Opportunitätsverlust oder Opportunitätskosten anzulasten.

Da Agrarflächen inzwischen weltweit sehr knapp sind, kann davon ausgegangen werden, dass diese Ausdehnung zulasten von Wald- oder Grasflächen erfolgt, die ökologisch wertvoller sind, weil sie eine wesentlich höhere THG-Bindung und größere Artenvielfalt als Ackerland aufweisen. Mittelbar führt also die Entscheidung für den ertragsärmeren Ökolandbau über die notwendigen Landnutzungsänderungen in der Gesamtbilanz zu mehr Treibhausgasen und geringerer Biodiversität.

Werden die Mindererträge des Ökolandbaus, wie zurzeit vorherrschend, durch zusätzliche Importe ausgeglichen, verlagern sich diese Wirkungen ins Ausland („virtuell importierte Flächen“) und verstärken sich, weil dort aufgrund niedriger Erträge die Landnutzungsänderungen noch größere Flächen betreffen können und zusätzliche Emissionen durch Transporte und Transportverluste entstehen.

Nach mehreren Quellen belasten die Landnutzungsänderungen den THG-Haushalt mit gut 8 t CO2-Äquivalenten je zusätzlich genutztem Hektar und Jahr und reduzieren die Biodiversität etwa um ein Drittel. Allein die Bewertung der CO2-Wirkung nach den Prinzipien der TUM-Studie führt zu Umweltkosten von 4 Mrd. €. Die Umweltkosten der verminderten Artenvielfalt dürften weitere 2 Mrd. € betragen, so dass die Landnutzungsänderung insgesamt Umweltkosten von 6 Mrd. € verursachen dürfte.

Den in der TUM-Studie ermittelten Einsparungen von 4 Mrd. € stehen somit insgesamt folgende Kosten für die Ersatzbeschaffung des durch den Ökolandbau verursachten Minderertrags von 200 Mio. GE gegenüber (siehe auch Graphik):

  • Produktionskosten in Höhe von 4 Mrd. €
  • Umweltkosten aus der Ersatzproduktion in Höhe von über 4 Mrd. €
  • Umweltkosten aus Landnutzungsänderungen in Höhe von 6 Mrd. €

Weiterhin wäre noch zu erwähnen, dass die Ausdehnung des Ökolandbaus auf 5 Mio. ha nur 2,5 Mio ha konventionellen Anbau einspart, denn 2,5 Mio ha mit konventionellem Anbau sind erforderlich, um den Minderertrag des Ökolandbaus auszugleichen.

Die Studie klammert wichtige Elemente einer Gesamtrechnung aus

30 % Ökolandbau sparen zwar 4 Mrd. € an Umweltkosten ein, verursachen aber andererseits mehr als 10 Mrd. € an Umweltkosten und dazu noch 4 Mrd. € an zusätzlichen Produktionskosten. Damit ergeben sich aus der Ausdehnung des Ökolandbaus, statt der ermittelten Kosteneinsparungen, erhebliche ökonomische und ökologische Belastungen. Den Autoren dieser Studie müssten als hochrangiges Team von Wissenschaftlern diese Kosten als wichtiges Element der Berechnung bekannt sein. Sie lassen sie dennoch außen vor – ein Versäumnis, das die Studie in meinen Augen in hohem Maße diskreditiert. Dabei ist nicht entscheidend, wie die ohnehin strittige Ermittlung der Umweltkosten und der Opportunitätsverluste für die Ersatzbeschaffung des Minderertrags erfolgt, sondern die Tatsache, dass diese wesentlichen Kostenpositionen komplett unberücksichtigt bleiben.

Die vorliegende Studie, die auf der Grünen Woche von den Autoren und Auftraggebern als Nachweis hoher ökonomischer und ökologischer Vorzüglichkeit des Ökolandbaus vorgestellt wurde, erweist sich bei genauerem Hinsehen also als zu euphorisch und muss sich hinsichtlich der ausgewiesenen ökonomischen Bewertung des Ökolandbaus grundlegende Kritik gefallen lassen.

Die erheblichen Mehrkosten des Ökolandbaus zeigen meines Erachtens auch, dass es unverantwortlich war, die EU Agrarreform mit massiver Förderung des Ökolandbaus zu beschließen, ohne dafür vorher eine sorgfältige und umfassende Folgenabschätzung vorzulegen. Mit der GAP-Reform wird der Ökolandbau mit hohen Summen gefördert, obwohl er statt Vorteile erhebliche Nachteile für Umwelt und Wirtschaft bringt. Diese gewaltige Fehlallokation von Fördermitteln hätte vermieden werden können und müssen.

Positiv: es gibt Ansatzpunkte für einen Dialog

Wie die Studie selbst darlegt, ist die Ertragsschwäche des Ökolandbaus eine zentrale Herausforderung. Hier gäbe es sicherlich Ansatzpunkte einer Annäherung, wenn man konventionelle und ökologischen Landwirtschaft als Spektrum von Technologien begreift, die sich gegenseitig nicht ausschließen. So könnte die Wissenschaft sich weniger intensiv mit der zweifelhaften Überlegenheit eines Anbausystems befassen, sondern mehr die Entwicklung nachweislich umweltfreundlicher und ertragsstarker Landnutzungssysteme unter Einbeziehung aller Technologien in den Mittelpunkt ihres Handelns stellen. Vielversprechende Ansatzpunkte wären der Einsatz regenerativ erzeugten Ammoniaks, die weitere Reduzierung schädlicher Wirkungen von Pflanzenschutzmitteln, die Weiterentwicklung von Fruchtfolgen und Bodenschutzerfahrungen aus dem Ökolandbau sowie eine stärkere Nutzung der Digitalisierung und mehr moderne Pflanzenzüchtung mit Hilfe der Genschere. Entscheidend ist, dass sich Fortschritte in einer wissenschaftlichen Gesamtbetrachtung als vorteilhaft erweisen und nicht nur bei einer partiellen Beurteilung, wie sie in der TUM-Studie angewandt wurde.

Der vielfach vernachlässigte Blick auf den Flächenbedarf ist eine große Schwachstelle bei den Bemühungen, über Extensivierung eine Ökologisierung der Landwirtschaft zu erreichen. Ackerland dehnt sich weltweit ohnehin jährlich schon um etwa 10 Mio. ha zulasten von Wäldern und Gras-/Buschland aus. Dieser höchst klima- und umweltschädliche Prozess sollte nicht durch Verbreitung ertragsschwacher Anbausysteme bei uns oder im Ausland auch noch verschärft werden, zumal sich aufgrund des zunehmenden Nahrungsmittelbedarfs und des Klimawandels die Ackerflächen schon gegenwärtig in einem Umfang ausdehnen wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit.

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