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Wolfsgipfel: Die Fronten bleiben verhärtet

Beim Wolfsgipfel blieb die große Annährung zwischen Naturschutz und Betroffenen aus. Während Letztere zum Schutz der Weidehaltung Bestandsregulierung fordern, setzt der Nabu unbeirrt auf Prävention.

Lesezeit: 8 Minuten

Bei den Betroffenen und auch in Teilen von Verwaltung und Wissenschaft reißt langsam der Geduldsfaden mit der Untätigkeit der Politik im Angesicht der wachsenden Wolfspopulation und den daraus resultierenden Folgen für die Weidetierhaltung.

Das wurde deutlich beim Wolfsgipfel, den die 4D. Digitalagentur für das Land und der Deutsche Bauernverband (DBV) heute mit breiter Beteiligung in Berlin veranstaltet haben. Auch das Bundesumweltministerium war als zentrale Stelle für das Wolfsmanagement „auf allen Ebenen“ eingeladen gewesen, hat allerdings auf eine Teilnahme verzichtet.

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Der Umweltbeauftragte des Deutschen Bauernverbandes, Eberhard Hartelt, nannte es bedauerlich, dass trotz des offensichtlichen Handlungsdrucks keine Diskussion mit dem Umweltressort oder dessen Chefin Steffi Lemke möglich war. Er hat kein Verständnis für die damit gezeigte „Missachtung“ des landwirtschaftlichen Berufsstands. Dennoch warb Hartelt bei allen Beteiligten dafür, aus den „Schützengräben“ zu kommen und miteinander zu reden.

Brandenburg mit doppelt so vielen Wölfen wie Schweden

Die Bereitschaft dazu dürfte aber auf dem platten Land mit jedem Wolfsriss weiter sinken. Laut Jens Schreinicke, Landwirt und Wolfsbeauftragter des Landesbauernverbandes Brandenburg, gehen manche Schätzungen für sein Bundesland aktuell von einem Bestand von rund 900 Wölfen aus. Das sind allein in Brandenburg doppelt so viel wie in Schweden. „Welch ein Irrsinn“, konstatierte der Praktiker.

Die Landesregierung in Potsdam hat 2022 knapp 4 Mio. € für Prävention und Entschädigungen ausgegeben. Das hat nach Angaben von Schreinicke aber nicht zu einer Verbesserung der Situation beigetragen. Ihm zufolge sagen die offiziellen Risszahlen ohnehin nicht viel aus, da Halter wegen der bürokratischen Anträge oder möglichem Ärger mit Behörden oder „Wolfsfreunden“ oft auf das Melden solcher Übergriffe verzichten.

Auch aufwändigste Prävention führt nach Schreinickes Erfahrung nicht zum Ziel: Vergrämung sei nutzlos, Zäune würden überwunden und auch der mancherorts empfohlene Esel sei im Ernstfall nur „Ablenkfutter“, wie gerade in einem konkreten Fall erlebt. Der Landwirt ist überzeugt, dass an Abschüssen und Bestandsregulierung kein Weg vorbeiführt, will man die Weidetierhaltung nicht sukzessive abschaffen. Das Argument, der Wolf sei weiterhin eine gefährdete Art, lässt Schreinicke nicht gelten. Er verweist dazu auf Studien, die längst einen günstigen Erhaltungszustand belegen.

Pfannenstiel: Herdenschutz allein wird nicht helfen

Rückendeckung bekommt der Landwirt dabei vom Biologen Prof. Hans Dieter Pfannenstiel. Er stellte fest, dass in den letzten Jahren sowohl der Wolfsbestand als auch Übergriffe und Risse in Deutschland exponentiell gestiegen sind. Präventiver Herdenschutz wird hier nach Pfannenstiels fachlicher Einschätzung nicht im gewünschtem Maße helfen. Für hundertprozentige Sicherheit wären dafür Betonfundamente und mehrere Meter hohe Mattenzäune wie im Zoo nötig, verdeutlichte der Wissenschaftler.

Der Erhalt der Offenlandschaft und der dort lebenden Arten hängt ihm zufolge wesentlich von der Fortführung der Weidewirtschaft ab. Die sei aber weder mit Zäunen noch Herdenschutzhunden auf Dauer gewährleistet. Mangels anderer Alternativen plädiert Pfannenstiel daher seinerseits für „planmäßige und kontrollierte Bejagung“. Die sei übrigens schon heute in Skandinavien und dem Baltikum möglich und von die EU akzeptiert, stellte der Biologe fest. Er fragt sich, warum dies dann in Deutschland nicht möglich sein soll.

Blume: Entnahmen müssen normal werden

„Wir hatten 2015 in Niedersachsen sechs Wolfsrudel, heute sind allein im Landkreis Uelzen sechs Rudel aktiv“, zeigte der Landrat Dr. Heiko Blume die Entwicklungen in seinem Landkreis Uelzen auf. Er warnt in Bezug auf Wolf und Weidehaltung vor „Schwarz-Weiß-Denken“, plädiert aber ebenfalls für die Entnahme von Problemtieren. Das sei allerdings durch die Anforderungen des neuen Bundesnaturschutzgesetzes nahezu unmöglich geworden, sagte Blume.

Er sieht inzwischen in seinem Landkreis die Stimmung kippen und will nicht ausschließen, dass die Mehrheit in einer Abstimmung für die Wiederausrottung des Wolfs stimmen würde. Das ist auch dem Kreistag von Uelzen nicht entgangen. Dieser beschloss daraufhin am Dienstag einstimmig eine Resolution, in der Bund und EU unter anderem aufgefordert werden, den Rechtsrahmen für eine regelhafte Bejagung des Beutegreifers zu schaffen. Nötig seien Regeln, die sich nicht mit jeder neuen Regierung ändern und eine Normalisierung der Bestandspflege, mahnte Blume, der selbst nach der Genehmigung von Entnahmen von selbsternannten Wolfsfreunden bedroht worden ist.

Bernhuber: Timmermans macht beim Wolf 10-Prozent-Politik

Einer Lockerung der Entnahmeregeln steht bekanntermaßen auch die Einstufung des Wolfs als gefährdete Art in Anhang IV der FFH-Richtlinie im Weg. Hintergrund ist, dass bislang auf staatlicher und europäischer Ebene offiziell kein „günstiger Erhaltungszustand“ des Beutegreifers festgestellt wurde. Nach Darstellung des österreichischen Europaabgeordneten Alexander Bernhuber mauert hier nicht das EU-Parlament, sondern die Kommission, in der ein Frans Timmermans auch in Bezug auf den Wolf „die Meinung von 10 % der Bevölkerung vertritt“.

Wie Bernhuber berichtete, kommt nun aber zumindest etwas Bewegung in die Sache, nachdem das Parlament im vergangenen Jahr in einer Resolution die Bewertung des aktuellen Erhaltungszustands für den Wolf gefordert hat. Die EU-Kommission hat daraufhin eine entsprechende Untersuchung angekündigt und fordert nun noch bis zum 5. Mai von den Mitgliedsländern aktualisierte Zahlen zur Größe der jeweiligen Wolfspopulationen und Rissen ein. Mit Ergebnissen wird frühestens bis zum Herbst gerechnet. Diese dürften aber auch maßgeblich von der Güte und Belastbarkeit der von den Ländern gelieferten Daten abhängen, betonte Bernhuber.

Duesmann: Pferdesport und dessen Werte gefährdet

„Wenn die Gesellschaft den Wolf will, muss auch dafür gesorgt werden, dass diejenigen, die ihm ausgeliefert sind, vor ihm geschützt werden“, so Alexandra Duesmann, Präsidentin Pferdesportverband Hannover. Das gehe nicht allein durch Zäunung oder Herdenschutz. Sie wies darauf hin, dass sich die Bedingungen für die Weidetierhaltung mit dem Auftauchen des Wolfs grundlegend verändert hätten. Bestandsregulierung sei nötig, ansonsten drohe allein mit dem Pferdesport der Verlust von 6,7 Mrd. € Umsatz pro Jahr, aber auch der Verzicht auf den hohen sozialen Wert, den das Pferd für den Menschen habe, warnte Duesmann.

Kaniber: Brauchen gesunden Menschenverstand beim Wolf

Die bayerische Regierung hat im Freistaat in dieser Woche (vorerst) Fakten geschaffen, indem mit einer neuen Wolfsverordnung insbesondere Vergrämung und/oder Entnahme von auffälligen Wölfen beschleunigt werden sollen. Das ist laut Kaniber nötig, weil effektiver Herdenschutz nach Analyse ihrer eigenen Weidekommission auf 95 % der bayerischen Almen gar nicht möglich beziehungsweise unrealistisch aufwändig ist. Um alles an Weidegebieten abzusichern, brauchte es allein in Bayern gut 47.000 km Zäune im Gegenwert von 500 Mio. €, rechnete die Ministerin vor.

Sie wünscht sich deshalb mehr „gesunden Menschenverstand“ von der Bundesregierung und NGOs. So macht es aus ihrer Perspektive keinen Sinn, in jedem EU-Land oder gar bestimmten Regionen einen günstigen Erhaltungszustand des Wolfs anzustreben. Der mache vor Grenzen nicht Halt, so Kaniber. Zudem wünscht sie sich endlich eine Antwort auf die Frage, wie viele Wölfe ein Land überhaupt verträgt. Es sei auch ein „Blödsinn“, einerseits Biotopverbünde zu fordern und diese Naturräume dann wieder durch Zäune zu zerschneiden. Kaniber bleibt dennoch reserviert, was eine schnelle Übernahme des Wolfs ins Jagdrecht angeht. Dennoch müsse eine unbürokratische Entnahme möglich sein, was ein funktionierendes Monitoring voraussetze, sagte die Agrarministerin.

Krüger: Bestandsreduzierung ohne Wirkung

Eine klare Absage erteilte Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger der regelmäßigen Bestandsregulierung. Dabei wähnt er sich auf Seiten der deutschen Mehrheit, die laut einer forsa-Umfrage im Auftrag des Verbandes zu 60 % gegen die Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht ist. In der gleichen Befragung begrüßten angeblich auch 70 % der Teilnehmer die Wiederansiedlung des Wolfs in Deutschland.

Krüger widersprach auch der Ansicht, dass mit einer Bestandsreduzierung beim Wolf die Zahl der Übergriffe auf Weidetiere sinken würde. Er verweist dazu auf Beispiele aus Frankreich, wo trotz Regulierung jeder Wolf im Schnitt 18 Nutztiere pro Jahr reiße, während die Rissquote hierzulande bei zwei bis drei Weidetieren pro Wolf und Jahr liege. Der Nabu-Präsident wirbt deshalb für die Position seiner Organisation: Förderung von Prävention, Herdenschutz und möglichst unbürokratische Schadensregulierung. Immerhin will sich Krüger der Entnahme von Problemwölfen nicht in den Weg stellen.

Hartelt: Waren in der Diskussion schon mal weiter

Kaniber warf Krüger daraufhin Romantisierung des Wolfs und die Verkennung der realen Probleme Betroffener vor. Sie sei enttäuscht von der argumentativen Unbeweglichkeit des Nabu, so die CSU-Politikerin. Auch Hartelt meint, dass man in anderen Bereichen in der Diskussion schon weiter gewesen sei – das hätten die Ergebnisse der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) gezeigt.

Gleichwohl zieht auch der Bauernverband beim Umgang mit dem Wolf inzwischen die Samthandschuhe aus. Im Vorfeld des Wolfsgipfels hatte der Verband einen Forderungskatalog vorgelegt, der neben der Feststellung des günstigen Erhaltungszustands auch eine Bestandsregulierung für den Wolf umfasst.

Konkret lauten die Forderungen:

  • Meldung des günstigen Erhaltungszustands des Wolfes an die EU-Kommission.
  • Unverzügliche und unbürokratische Entnahme von „Problemwölfen und -rudeln“ nach geltendem Naturschutzrecht in den Ländern.
  • Ausweisung von wolfsfreien Gebieten, in denen die Ansiedlung des Wolfes verhindert wird.
  • Festlegung einer Entnahmequote und Schaffung eines Bestandsmanagements nach dem Koalitionsvertrag der Regierungsfraktionen. Die Erfahrungen anderer europäischer Mitgliedsstaaten sollten hierfür berücksichtigt werden.
  • 1:1 Umsetzung aller Spielräume des europäischen Naturschutzrechts in nationales Recht und Schaffung der Grundlagen für eine Regulierung des Wolfsbestandes im Bundesnaturschutzgesetz und im Bundesjagdgesetz.
  • Umstufung des Wolfes von Anhang IV zu Anhang V in der FFH-Richtlinie auf europäischer Ebene, da das hohe Schutzniveau nicht mehr geboten ist.
  • Volle Transparenz über den Wolfsbestand in Deutschland und Umstellung auf ein länderübergreifendes Wolfsmonitoring mit den Nachbarländern.
  • Überarbeitung des Rissbegutachtungsverfahrens in Anlehnung des niedersächsischen Verfahrens, mit Umkehr der Beweislast und unbürokratischer Auszahlung von Entschädigungen.
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