Trotz des anhaltenden Krieges fällt die ukrainische Ernte wohl deutlich größer aus als erwartet.
Das Landwirtschaftsministerium der Ukraine geht in seiner aktuellen amtlichen Ernteschätzung davon aus, dass in diesem Jahr rund 56,4 Mio. t Getreide und 20,3 Mio. t Ölsaaten vom Feld kommen werden. Konkret wird mit 20,9 Mio. t Weizen, 5,8 Mio. t Gerste und 28,1 Mio. t Mais gerechnet. Das sind zusammen mit Sonnenblumen, Raps und Sojabohnen fast 9 Mio. t mehr als in der Juni-Prognose. Zudem dürfte das Vorjahresniveau ungeachtet aller kriegsbedingten Versorgungsprobleme wohl überschritten werden.
Anbaufläche fast 1 Mio. ha kleiner
Das kommt umso überraschender, weil die Aussaatflächen der Winter- und Sommergetreideflächen in diesem Jahr um 980.000 ha reduziert worden sind. Nach Angaben des Agrarministeriums haben günstige Witterungsbedingungen allerdings dafür gesorgt, dass die Durchschnittserträge beim Getreide mit knapp 5,2 t/ha wohl rekordverdächtig hoch ausfallen werden.
Die Getreideläger werden daher voller als erwartet, was den Exportdruck noch einmal erhöhen dürfte. Da mit dem Ende des Getreidedeals im Schwarzen Meer der Haupttransportweg – über den im vergangenen Wirtschaftsjahr fast 33 Mio. t verschifft wurden – vorerst verschlossen bleibt, wird fieberhaft nach Alternativen gesucht.
Wie kommt die Ware außer Landes?
Die Donau ist bereits gut ausgelastet, so dass insbesondere der Ausbau von Schiene und Straße in Frage kommt. Nach Kroatien will auch Litauen hier in die Bresche springen und hat erneut die langfristige Nutzung seiner Hochseehäfen in der Ostsee angeboten. Doch auch das dürfte nicht ohne weiteres möglich sein.
Die litauische Ministerpräsidentin Ingrida Šimonytė räumte in dieser Woche ein, dass die polnisch-ukrainische Grenze weiterhin ein Flaschenhals für ukrainische Agrarexporte ist. Dies resultiere nicht zuletzt aus der Befürchtung Polens, dass ein Teil der Ware auf dem dortigen Markt lande und diesen beeinträchtige. Das sieht die Ministerpräsidentin anders, solange der Transit der Ware zu den Zieldestinationen abgesichert wird.
Šimonytė warb deshalb für Investitionen in den Ausbau der Bahnstrecken zwischen der Ukraine und dem Baltikum. Damit könnte ein Teil des Vermarktungsrisikos und der ständigen wirtschaftlichen Bedrohung der Ukraine durch Russland abgemildert werden.