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Vion unter Druck: Bringt die Schrumpfkur die Wende?

Vion-Chef Ronald Lotgerink und Finanzchefin Tjarda Klimp sehen trotz 108 Mio. € Verlust keinen Grund zur Panik. Die Restrukturierung der Vion kostet jetzt viel Geld, zahlt sich aber schon bald aus.

Lesezeit: 6 Minuten

Nachdem die Vion Food Group vergangene Woche die Rekordverluste in der 2022er-Bilanz bekanntgab, wollte top agrar von Ronald Lotgerink (CEO) und Tjarda Klimp (CFO) wissen, wie es nun bei einem der größten Schlachter in der EU weitergeht.

Vion hat im Jahr 2022 rund 108 Mio. € Verlust gemacht. Können Sie noch ruhig schlafen?

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Lotgerink: Sehr gut sogar. Denn der hohe Verlust lässt sich erklären. Wir hatten 2022 noch mit den Folgen der Coronapandemie zu tun. Zudem brachen die Exporte infolge der ASP in Deutschland ein. Und dann kamen noch die Energiekrise und die hohe Inflation hinzu. Das war eigentlich ein „perfekter Sturm“, und trotzdem konnten wir unsere Ergebnisse im operativen Geschäft auf fast 48 Mio. € (EBITDA) verbessern.

Es bleibt unterm Strich ein sehr hoher Verlust. Den kann man doch nicht schönreden, oder?

Klimp: Den hohen Verlust sehe ich als Zukunftsinvestition, weil wir die Kapazitäten vor allem in Deutschland an den Markt angepasst haben. Seit 2018 sind die Schweinebestände um 25 % eingebrochen. Das zwingt sowohl uns als auch unsere Marktbegleiter zu Kapazitätsanpassungen. Und das kostet nun mal viel Geld.

Lotgerink: Wir haben in Emstek die Schlachtzahlen um 40 % auf 35 bis 40000 Schlachtungen pro Woche gesenkt. Den Standort Holdorf haben wir geschlossen und auch in Landshut die Kapazitäten reduziert. Zudem steckt die zu Ende Juli angekündigte Schließung des Rinderschlachthofs Bad Bramstedt größtenteils schon in diesen Zusatzkosten.

Ist die Restrukturierung denn nun abgeschlossen oder drohen weitere außerordentliche Abschreibungen und Kosten?

Lotgerink: Ich würde weitere Standortschließungen nicht ausschließen. Aber ich kann Ihnen sagen, dass wir Stand heute die Kapazitäten nicht weiter senken wollen. Klar ist aber auch, wenn die Tierbestände weiter so stark zurückgehen, müssen Sie darauf reagieren. Das gilt aber für alle Schlachtunternehmen.

Wie geht es aus Ihrer Sicht denn weiter mit den Tierbeständen – vor allem in Deutschland?

Lotgerink: Ich rechne damit, dass wir bei den Schweinen in Deutschland noch auf 650000 Schlachtungen pro Woche abrutschen. Auch bei den Schlachtrindern wird es weiter zurückgehen. Der normale Strukturwandel bringt nicht nur in Deutschland jedes Jahr eine Reduktion von 2 bis 3 %. Darauf stellen wir uns ein.

„Wir sind optimistisch für 2023.“

Wird es denn nun 2023 wirklich besser?

Klimp: Es geht aufwärts. Wir sind optimistisch für 2023. Entscheidend ist, dass wir unser Restrukturierungsprogramm jetzt konsequent weiterverfolgen. Wir müssen die Kostenseite weiter optimieren und unsere neue Organisationsstruktur festigen. Konkret heißt das: Wir gehen im Konzern weg von der Silostruktur, bei der jede Abteilung für sich denkt und arbeitet, hin zur Kettenstruktur. Wir müssen vom Einkauf über die Schlachtung und Verarbeitung bis hin zum Verkauf effektiver zusammenarbeiten.

Niedrige Tierbestände bedeuten ja nicht nur Überkapazitäten, sondern auch Rekordpreise für Schlachttiere - wie aktuell mit 2,50 € je kg SG beim Schwein. Ist das ein Problem?

Lotgerink: So funktioniert der Markt eben. Damit müssen wir leben. Klar ist aber, Europas Preise sind international derzeit nicht wettbewerbsfähig, sodass die Südamerikaner und Nordamerikaner Exportanteile hinzugewinnen. Uns geht Wertschöpfung verloren, die wir nicht durch höhere europäische Verbraucherpreise dauerhaft ausgleichen können. Irgendwann wird es eine Korrektur geben.

Vion ist robust und liquide.“

Die Bauern wollen sicher sein, dass Vion die gelieferten Schlachttiere verlässlich bezahlt. Wie zahlungsfähig ist Vion?

Klimp: Vion ist robust und liquide. Das sehen Sie schon daran, dass die Kreditversicherer weiterhin die Limits halten. Es gab vor einigen Wochen Gerüchte, weil ein kleinerer Kreditversicherer das Limit reduziert hat. Damit konnten wir aber umgehen. Richtig ist aber, dass die versicherbaren Kreditlinien durch die historisch hohen Schweinepreise schneller erreicht werden. Dieses Problem kennen derzeit aber viele Unternehmen.

Warum tut sich Vion in Deutschland so schwer. Wettbewerber wie Westfleisch haben die gleichen Herausforderungen, können aber eine bessere Bilanz vorlegen?

Lotgerink: Das sehe ich anders. Unsere Probleme ergeben sich eigentlich nur durch den deutschen Schweinebereich. Die Sparten Rind und Food Service funktionieren sehr gut. Wir sind in Deutschland allerdings sehr stark vom Export abhängig. Aber ich gehe davon aus, dass wir bald wieder in Südkorea Fuß fassen und auch für Großbritannien bin ich 2023 zuversichtlich.

Wir sind in Deutschland und wir bleiben dort.“

Vion strukturiert sich wieder um und trennt den Konzern zum Jahresende in die Länderorganisationen Benelux und Deutschland. Bereiten Sie den Verkauf der deutschen Sparte vor?

Lotgerink: Das ist Unsinn. Wir sind in Deutschland und wir bleiben dort. Wir sind der größte Rindschlachter in Deutschland und haben nun auch den Schweinebereich optimiert. Warum sollten wir das aufgeben? Außerdem haben wir als einziges Fleischunternehmen deutschlandweit Fleischwerke und können den Wunsch nach regionalen Produkten am besten bedienen. Der Grund für die Neuorganisation sind die nachhaltigen Lieferketten. Wir können unsere deutschen Kunden so besser mit deutschen Landwirten verknüpfen.

Warum sind diese nachhaltigen Lieferketten so wichtig?

Lotgerink: Wir sehen unsere Zukunft im Aufbau von festen Lieferketten. Das machen wir u.a., weil der Lebensmittelhandel (LEH) von uns in Zukunft mehr Daten zum CO2-Fussabdruck bei Fleisch verlangt. Der LEH braucht das wiederum für sein CSRD-Reporting, das für jedes größere Unternehmen ab 2024 zur Pflicht wird. Praktisch heißt das, dass wir als Vion dem LEH dabei helfen, im Rahmen der Emissionsbilanzierung den Scope 3 zu verbessern. Am Ende steht der LEH dann klimafreundlicher und nachhaltiger da.

Mit Klimadaten haben sie künftig Vorteile im Fleischverkauf!“

Das hört sich nach viel Dokumentation an. Was kommt da auf die Bauern zu?

Lotgerink: Der Scope 3 umfasst alle Treibhausemissionen, die in der vorgelagerten Wertschöpfungskette anfallen. Im Fall des LEH betrifft das unsere Daten aus dem Schlacht- und Verarbeitungsprozess, aber eben auch die Daten aus der Landwirtschaft. Insofern ist der Landwirt für uns nicht nur ein Rohstofflieferant, sondern auch aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten ein extrem wichtiger Partner. Ich bin mir sicher, dass die Unternehmen, die ihre Bauern jetzt an sich binden und entsprechende Klimadaten in der Hand haben, künftig Vorteile im Fleischverkauf haben werden.

Der LEH formuliert ja gerne neue Wünsche und Forderungen, weil er so mächtig ist. Experten sagen, es bräuchte eigentlich einen Gegenpool. Sind für Vion Kooperationen mit Marktbegleitern denkbar?

Lotgerink: Wir streben derzeit keine engeren Kooperationen an. Aber auch das würde ich künftig nicht kategorisch ausschließen. Wenn sich die Zeiten ändern und es Sinn ergibt, sind wir für alles offen. Wir sind jedoch aktuell so groß und gut aufgestellt, dass wir keine Kooperationen brauchen.

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