Vom Schneeberg über das Marchfeld bis hin in die Hügel des Wald- und Mostviertels erstreckt sich das Agrarland Niederösterreich. Die Landschaft ist vielfältig, ebenso wie die Betriebe. Vier davon stellen wir ab Seite 14 vor. Die Gemeinsamkeit der Betriebsleiter ist ihre Liebe zur Landwirtschaft, auch wenn es nicht immer leicht ist. „Aber das war es noch nie“, sagt etwa Helmut Halbartschlager, Schweinebauer im Bezirk Amstetten.
Schnell gelesen
Niederösterreich ist das größte agrarische Bundesland Österreichs mit 673.735 ha Ackerland und 164.127 ha Grünland sowie 26.427 ha Weingärten.
Das Weinviertel ist vor allem ein Ackerbaugebiet, im Marchfeld wird Gemüse angebaut. Trockenheit macht den Landwirten zu schaffen.
Dem Mostviertel haben die Streuobstwiesen den Namen gegeben. Hier gibt es Bezirke mit sehr viel Tierhaltung.
Das Industrieviertel hat reine Grünlandbetriebe im Wechselland, aber auch viele Ackerbaubetriebe und Tierhalter.
Im Waldviertel finden sich viele Mischbetriebe, es gibt Sonderkulturen, aber auch gute Erträge im Ackerbau.
Höchste landwirtschaftliche Produktion
Niederösterreich ist das größte Bundesland Österreichs und es hat auch die höchste landwirtschaftliche Produktion. 43,6 % der pflanzlichen Produktion Österreichs werden in den vier Vierteln geerntet, das sind 1,711 Mrd. € an Wertschöpfung, wie die Statistik Austria für 2021 erklärt. Die „Kornkammer Österreichs“ bildet das Weinviertel mit den Bezirken Gänserndorf, Hollabrunn, Korneuburg und Mistelbach. In Gänserndorf und Mistelbach wird in etwa dieselbe Fläche Weizen angebaut, wie in ganz Oberösterreich.
Das Weinviertel ist mit 15.800 ha das größte Weinbaugebiet Österreichs. Klimatisch gehört es zum relativ trockenen pannonischen Klimagebiet mit kalten Wintern und heißen Sommern. Leitsorte ist der Grüne Veltliner, der auf rund 7.000 ha angebaut ist.
Wein, Weizen und Gemüse
Das Marchfeld mit den fruchtbarsten Böden Österreichs ist ein traditionelles Gemüseanbaugebiet. „Ohne geregelte Bewässerung wäre der Gemüse- und Obstanbau nicht mehr möglich. Dabei geht es nicht darum, die Erträge in die Höhe zu schrauben, sondern die Produktqualität sicherzustellen“, erklärt Manfred Weinhappl, Pflanzenbaudirektor der LK NÖ. 77.680 ha können in Niederösterreich bewässert werden, ein Großteil davon im Marchfeld.
„Es wird ein mittel- oder langfristiges Projekt brauchen, um mehr Flächen bewässern zu können, die Infrastruktur muss ausgebaut werden“, sagt Weinhappel. Denn das Wetter verändert sich, wie auch die Landwirte in unseren Reportagen berichten. Trockenheit ist ein überregionales Problem, vom Wechselgebiet bis ins nördliche Weinviertel.
Pflanzenschutzmittel fehlen
Ein weiteres Problem sind die fehlenden Pflanzenschutzmittel. „Die Bandbreite der Wirkstoffe wird schmäler und mit den Reduktionszielen der EU, wird die Produktion von vielen Kulturen schwieriger“, weiß Weinhappel.
Eine davon ist die Zuckerrübe. Rund 38.000 ha wurden 2023 in Österreich angebaut, die 3.900 Rübenproduzenten in Niederösterreich kultivieren den größten Teil davon mit rund 25.000 ha. Sie haben vor allem mit dem Rübenderbrüssler zu kämpfen. Dieser zerstörte heuer mehr als 4.000 ha Rüben, die noch einmal gesät werden mussten, oder die Landwirte bauten eine andere Kultur an. Beim Ölkürbis ging die angebaute Fläche laut AMA-Daten von 2022 auf 2023 um 19 % zurück, 17.826 ha wurden angebaut. Auch hier hatten die Landwirte mit einem schwachen Aufgang der Kürbisse zu kämpfen und mussten teilweise nachsäen.
Bei Kartoffeln ging die Anbaufläche von 7.370 ha 2022 auf 6.883 ha zurück. Die Anbaufläche bei Körnermais (74.539 ha) und Soja (30.570 ha) stieg in den vergangenen Jahren. Was weniger wird, sind Sommerungen, da durch die unsteten Niederschläge im Frühjahr die Erträge sehr schwanken. „Die Hauptkulturen werden sich in den nächsten Jahren aber nicht verschieben“, prognostiziert Weinhappel. Getreide werde weiterhin in guter Qualität gefragt sein.
Betriebswirtschaftlich gesehen haben die Betriebe in NÖ 2022 im Schnitt 56.103 € verdient, wie der Grüne Bericht 2023 ausweist. Dies ist zwar ein Plus von 50 % im Vergleich zu 2021. Allerdings war 2022 ein Ausnahmejahr: Grund waren die hohen Preise für Feldfrüchte, die durch den Ukraine-Krieg angeheizt wurden. 2023 sieht es wieder ganz anders aus: Die Preise haben sich wieder auf dem Niveau vor der Coronapandemie eingependelt.
Hohe Erträge im Waldviertel
Die zweitgrößte Ackerbauregion ist im Waldviertel. „Im östlichen Teil ab Maissau ist es klimabedingt sehr stark weinviertelgeprägt“, erklärt Matthias Engelbrecht, Mitarbeiter der LK Technik in Mold und selbst Landwirt. Diese Region ist klimatisch eher im Einflussbereich des pannonischen Gebietes. „Je weiter westlich man kommt, desto mehr Gemischtbetriebe findet man. Im Kerngebiet des Waldviertels ist das Klima kalt und rau. So hält etwa die Stadt Zwettl mit -36,6°C den Niedrig-Temperaturrekord Österreichs an einem bewohnten Ort.
Die Erträge sind dabei sogar teils höher als im Weinviertel oder Alpenvorland. Der Kartoffelanbau hat Tradition, die Zentren sind Zwettl, Schweiggers, Allentsteig, Gmünd, Schrems, Groß Gerungs, Litschau, Waidhofen und Weitra. In Gmünd befindet sich auch die einzige Stärkekartoffelverarbeitung Österreichs. Die Agrana verarbeitet hier von rund 1.300 landwirtschaftlichen Betrieben jährlich um die 300.000 t Stärkekartoffeln.
Diversifizierung als Chance
Nach Aussage von Matthias Engelbrecht ist die große Chance für das Waldviertel die Diversifizierung: „Ein reiner Ackerbaubetrieb hat es heute sicher schwierig. Manche sind aber mit zusätzlichem Hofladen erfolgreich, andere produzieren für regionale Unternehmen wie Sonnentor und Waldland.“
So sei die von Waldland verarbeitete Mariendistel vom Deckungsbeitrag her viel interessanter als Weizen. Zumal nur die wenigsten Betriebe ihr Getreide einlagern und dadurch Aufschläge lukrieren würden. Die Firma Waldland in Oberwaltenreith zählt mehr als 1.000 Mitglieder, die auf über 5.000 ha Spezialkulturen anbauen.
Auch über die großen Herausforderungen für die Landwirte im Waldviertel sprachen wir in Mold mit Matthias Engelbrecht, Stefan Polly und dem Leiter der LK Technik, Herbert Haneder. Sie zählen dazu etwa die Teuerung der Produktionsmittel wie Strom, Dünger, Treibstoff, Pflanzenschutzmittel, Saatgut und Futtermittel. Die Preise seien im Vergleich zu 2021 deutlich angestiegen. Gleichzeitig hätten sich die Produktpreise nur mäßig angepasst bzw. seien inzwischen wieder rückläufig.
Auch der Biobereich leidet unter fallenden Preisen. In den vergangenen Jahren ist die Biofläche in Niederösterreich gewachsen, mittlerweile sind 22,6 % der Betreibe biologisch geführt, sie bewirtschaften rund 25,3 % der gesamten Fläche. „Der Bioanbau wird sich stabilisieren, der eine oder andere Betrieb wird dazukommen, aber das Wachstum darf nicht von Förderungen getrieben sein, es braucht auch den Absatz“, meint Weinhappel. Im Moment stocke die Nachfrage.
Strukturwandel geht weiter
Neben dem Preisdruck fehlen auch oft die Betriebsnachfolger. Der Strukturwandel wird weiter gehen, hier sind sich alle Experten einig. Den größten Rückgang bei den Betriebszahlen verzeichnet das Weinviertel mit einem Minus von 17,1 % zwischen 2010 und 2020, die durchschnittliche Betriebsgröße liegt bei mehr als 60 ha.
Aber auch das Mostviertel hat im selben Zeitraum mehr als 10 % der Betriebe verloren. Während die Tierhaltung aus dem Weinviertel großteils verschwunden ist, gibt es im Mostviertel noch Bezirke mit sehr intensiver Tierhaltung, aber auch im Industrieviertel gibt es zahlreiche Betriebe, die auf Rinderhaltung, Eierproduktion oder Schweinemast setzen.
Vielfältige Milchviehbetriebe
Rund 100.000 Milchkühe stehen auf den Höfen von 3.917 Bauern in Niederösterreich. „Die durchschnittliche Milchleistung liegt bei 7.500 kg im Jahr, 90 % der Milch wird an die Molkereien angeliefert“, erklärt Marco Horn, Milchwirtschaftsberater der LK NÖ. Die meiste Milch (54 %) geht an die NÖM, 35 % gehen an die Berglandmilch, 8 % nach Gmunden und 3 % an kleinere Molkereien.
Die Milchwirtschaft ist vielfältig und reicht von reinen Grünlandbetrieben im Mostviertel oder Wechselgebiet bis zu reinen Ackerbaubetrieben im nördlichen Waldviertel. Bei den Milchbauern ist der Strukturwandel noch stärker zu spüren. „Rund 3 % der Milchviehhalter geben pro Jahr auf, die Betriebe stellen auf Mast oder reinen Ackerbau um“, sagt Horn. Die Zahl der Kühe pro Betrieb steigt allerdings kontinuierlich. In den vergangenen Jahren haben die Milchbauern viel investiert, vor allem in Richtung Automatisierung. „Derzeit flachen die Investitionen ab. Da viele wegen der Förderkulisse anstehende Projekte früher umgesetzt haben“, meint Gerald Stögmüller von der LK.
Schweine: Kaum Investitionen
Im Schweinebereich sieht die Sache anders aus. Die Bestände gehen um 2 bis 3 % pro Jahr zurück, die Sauen stärker als die Mastschweine. „Es wurde zuletzt wenig investiert“, weiß Martina Gerner, von der LK NÖ. Derzeit gibt es rund 700.000 Schweine im Land.
Mit der neuen Tierhaltungsverordnung kommen auf die Betriebe viele Auflagen zu. „Egal ob Mast oder Ferkelaufzucht, für die Betriebe besteht Handlungsbedarf“, sagt Gerner. Im Moment würden viele noch abwarten. Zuchtsauenhalter können noch bis Ende 2033 weitermachen, dann braucht es neue Buchten und die Gruppenhaltung nach dem Decken. „Vor allem die hohen Investitionen zwischen 8.000 und 13.000 € pro Zuchtsauenplatz, inklusive Ferkelaufzucht, schrecke die Landwirte ab“, sagt Johannes Spangel von der LK NÖ. Ein Zukunftsproblem, denn es könnte dann zu wenige Ferkel für den Eigenbedarf geben.