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Milchalternativen: Brauchen wir Kuhmilch noch?

Milchalternativen sind heiß begehrt. Zumindest bekommen sie medial häufig große Aufmerksamkeit. Müssen Milchviehhalter um den Absatz von Kuhmilch fürchten? Wir haben Experten gefragt.

Lesezeit: 7 Minuten

Wenn ich mit meinen Mädels ins Café gehe, ist es eine Ausnahme, wenn eine von ihnen ihren Kaffee mit Kuhmilch bestellt“, sagte neulich eine junge Frau am Rande einer Tagung.

Ihre Erfahrung lässt sich anhand von Zahlen belegen: Die Nachfrage nach veganen Alternativen steigt, gleichzeitig sinkt der Pro-Kopf-Verbrauch von Kuhmilch: „Im Zeitraum Juli 2019 bis Juni 2020 kauften 27,6 % aller Haushalte zumindest einmal ein pflanzliches Milchgetränk“, erklärt Annika Reichert von GfK Consumer Panels & Services.

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Ausgenommen sind dabei Mischgetränke mit Kaffee. Im aktuellen Zeitraum, also Juli 2021 bis Juni 2022 sind es laut GfK bereits 35,8 %, also 14,6 Mio. Haushalte in Deutschland, die zu pflanzlichen Alternativen greifen. Zum Vergleich: Im Zeitraum Juli 2019 bis Juni 2020 kauften 93,4 % aller Haushalte zumindest einmal Kuhmilch, im aktuellen Zeitraum Juli 2021 bis Juni 2022 sind es 92,2 %.

Wenn ich mit meinem Mädels ins Café gehe, ist es eine Ausnahme, wenn eine von ihnen ihren Kaffee mit Kuhmilch bestellt." - Teilnehmerin einer Tagung

„Während der Corona-Pandemie hat die Nachfrage nach veganen Alternativen einen Schub erhalten. Der Grund war, dass sich viele Menschen mehr mit ihrer Ernährung beschäftigt haben, zuhause gekocht haben und Geld übrig hatten“, erklärt Monika Wohlfarth von der Zentralen Milchmarkt Berichterstattung (ZMB).

Inzwischen wächst der Absatz der Alternativen insgesamt noch leicht, wobei sich das Wachstum aber deutlich verlangsamt hat. Das belegen auch die Zahlen im ZMB-Marktbericht: Demnach griffen Konsumenten im August 2022 erstmals weniger häufig zu veganen Drinks als im Vorjahresmonat.

23,46 l pflanzliche Milchalternativen kaufte ein durchschnittlicher Käuferhaushalt im Jahr 2021/2022 in Deutschland. Das sind 1,25 l mehr als im Vorjahr.

„Wie es auf längere Sicht weitergehen wird, ist unsicher“, prognostiziert Monika Wohlfarth. Die Marktexpertin geht davon aus, dass es davon abhängt, welche Innovationen in den nächsten Jahren auf den Markt kommen und wie sich die gesamtwirtschaftliche Lage entwickelt.

„Die heutigen Intensivnutzer werden den Produkten wahrscheinlich treu bleiben. Sollte die Kaufkraft aufgrund der aktuellen Energiekrise längerfristig sinken, wird es für die eher im oberen Preissegment angesiedelten Alternativen vermutlich schwieriger, die Marktposition weiter auszubauen“, so ihre Einschätzung.

Nach Erhebungen vom GfK kosten pflanzliche Milchal­ternativen im Zeitraum Juli 2021 bis Juni 2022 durchschnittlich 1,51 €/l. Vor zwei Jahren lag der Durchschnittspreis noch bei 1,57 €/l. Milch kostet in diesem Zeitraum 0,92 €/l, vor zwei Jahren waren es 0,83 €/l.

Tierwohl und Umweltschutz

Handlungsbedarf in den Bereichen Umwelt- und Tierschutz sind die Gründe, warum Konsumenten zu Milchalternativen greifen. Das hat zumindest eine Untersuchung der Fachhochschule Kiel gezeigt. Ein weiteres Ergebnis war, dass die städtische Bevölkerung häufiger Milchalternativen konsumiert als die ländliche. Beim Einfluss von Bildung und Geschlecht ließen sich keine eindeutigen Aussagen treffen.

„Man sollte nicht vergessen, dass das Wachstum der Milchersatzprodukte von einem sehr niedrigen Niveau gekommen ist. Die Produkte haben auch medial viel Aufmerksamkeit bekommen“, ordnet Dr. Björn Börgermann, Geschäftsführer vom Milchindustrie-Verband (MIV), ein.

Den vergleichsweise geringen Absatz bestätigen Zahlen im ZMB-Marktbericht: Der Absatz von Konsummilch im Lebensmittel­einzelhandel lag im August 2022 bei 217,1 Mio. l. Der von Milchimitaten bei 22,8 Mio. l. Daran, dass Milchersatzprodukte Kuhmilch vollständig ablösen könnten, glaubt der MIV-Geschäftsführer nicht: „Milch ist ein tolles Produkt und Molkereien können unglaublich viele Dinge daraus machen.“

Auch ernährungsphysiologisch ist das Ersetzen oder der Austausch von Kuhmilch durch Pflanzendrinks nicht sinnvoll, wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) erklärt. Um eine dauerhafte Unterversorgung oder gar einen Mangel an Nährstoffen auszuschließen, empfehlen die Expertinnen die gesamte Ernährungsweise und Nährstoffversorgung eines Menschen zu betrachten.

Wertvolle Nährstoffe in Milch

Eine aktuelle Studie vom ife Ernährungsinstitut in Kiel speziell zu Frauen kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: „Wenn Frauen auf Sojaprodukte ohne Zusätze umsteigen, müssen sie die Ernährung drastisch umstellen und auf andere Produkte wie Gemüse und Fisch zurückgreifen, um die Nährstoffversorgung sicherzustellen“, so die Wissenschaftlerin Mareike Täger.

Kuhmilch enthält von Natur aus mehr Nährstoffe wie Calcium und Vitamin B12. „Bei supplementierten Ersatzgetränken, also denen Nährstoffe zugesetzt wurden, lässt sich diese Aussage allerdings nicht so einfach treffen“, sagt sie und ergänzt: „Der Konsum von Kuhmilch ist also nicht zwingend notwendig, um den Nährstoffbedarf zu decken.“

78 l Milch kaufte ein durchschnittlicher Käuferhaushalt 2021/2022 in Deutschland. Das sind 4,8 l weniger als im Vorjahr.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen: Sie kommt nach der Untersuchung von 71 Milchalternativen zu dem Schluss, dass durch die Anreicherung mit Calcium 38 % der Drinks einen ähnlichen Calciumgehalt wie Kuhmilch haben. „Wem Umwelt- und Klimaschutz wichtig sind, der liegt bei pflanzlichen Milchalternativen grundsätzlich richtig. Denn deren Produktion verursacht insgesamt deutlich weniger schädliche Treibhausgase und Umweltbelastungen als die konventionelle Milcherzeugung“, so das Resümee der Verbraucherzentrale.

Klimakiller Kuh?

Ist die Kuh also ein Klimakiller? „Nein, das ist sie nicht“, erklärt Prof. Dr. Wilhelm Windisch, Leiter des Lehrstuhls für Tierernährung an der Technischen Universität München. „Eine Kuh ist im Prinzip klimaneutral, weil das von ihr produzierte Methan in relativ kurzer Zeit wieder abgebaut wird. Solange wir die Anzahl der Tiere nicht erhöhen, steht die Neubildung von Methan im Gleichgewicht mit dem Abbau und heizt das Klima damit nicht zusätzlich auf. Das Methan selbst wird zu Kohlendioxid abgebaut, das die Futterpflanzen wieder aufnehmen.“

Viel wichtiger sei der Umgang mit essbarer bzw. nicht essbarer Biomasse als Tierfutter. Denn Fakt ist, dass Wiederkäuer Grünland und andere nicht verwertbare Pflanzenteile in für den Menschen nutzbares Protein umwandeln: „Mit 1 kg veganer Lebensmittel entstehen mindestens 4 kg nicht essbare Biomasse“, erklärt Prof. Dr. Wilhelm Windisch. „Nutztiere haben ihre Berechtigung, wenn sie nicht essbare Biomasse als Sekundärverwerter nutzen und wir diese Nährstoffe dann wieder aufs Feld zurückbringen. Deshalb sind Fleisch- und Milchproduktion und vegane Ernährung kein Gegensatz, sondern eine sinnvolle und notwendige Kombination.“

Bezeichnungsschutz: Nur Kuhmilch ist „Milch“

„Are you stupid? The milk lobby thinks you are“ – mit diesem Slogan machte der schwedische Milchalternativenhersteller Oatly auf die Diskussion um die Bezeichnungen von pflanzlichen Milchalternativen aufmerksam. Immer wieder versuchen Hersteller ihre Produkte „Milch“-ähnlich zu benennen. Erst Anfang dieses Jahres hatte ein Gericht entschieden, dass ein Stuttgarter Start-up seinen Hanfdrink nicht „Milck“ nennen darf.

Die Juristen beriefen sich auf den sogenannten Bezeichnungsschutz, der für Milch und Milcherzeugnisse gilt: In der Verordnung (EU) 1308/2013 ist verbindlich geregelt, dass „Milch“ ein „Erzeugnis der normalen Eutersekretion“ ist, also immer vom Tier stammt. Auch der Begriff „Milcherzeugnis“ ist definiert. Milcherzeugnisse, wie Molke, Rahm (= Sahne), Butter, Buttermilch, Butteroil, Kaseine, wasserfreies Milchfett, Käse, Joghurt und Kefir sind danach „ausschließlich aus Milch gewonnene Erzeugnisse“. Eine Ausnahme gilt für Kokosmilch.

Viele Molkereien nehmen den Trend mit

Immer mehr Molkereien steigen in das Segment „Milchalternativen“ ein, so wie viele Mitglieder des MIV. Eine genaue Zahl kann der Verband allerdings nicht nennen. „Ist die Entwicklung schlecht?“, fragt Dr. Björn Börgermann und erklärt: „Wir sagen nein. Wer leckere Milchprodukte herstellen kann, der kann auch andere Lebensmittel.“

2015 gründete Hochland beispielsweise ein Tochterunternehmen, das unter der Marke „Simply V“ Käseersatzprodukte herstellt. Auch die großen Player setzen inzwischen auf vegane Produktlinien: Das Deutsche Milchkontor (DMK) vertreibt zum Beispiel unter der Marke „Milram – 100 % pflanzlich“ vegane Puddings und Drinks.

Diese Entwicklung kommt nicht bei allen Landwirten gut an: Manche befürchten, sich selbst Konkurrenz zu machen und empfinden pflanzliche Alternativen als regelrechte Bedrohung. Andere sehen den Markteintritt als Sortimentsergänzung und als Chance zur Risikostreuung. Das sind häufig auch die Argumente genos­senschaftlicher Molkereivertreter. So brachte kürzlich einer auf den Punkt: „Warum sollen andere in einem Markt Geld verdienen, in dem wir uns bestens auskennen? Da machen wir doch lieber selbst mit.“

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