Ein Kommentar von Esther von Beschwitz, Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.
Sie sind nicht zu übersehen: Mit bunten Verpackungen, schrillen Aufschriften und provokanten Werbeslogans machen Milchimitate im Lebensmitteleinzelhandel auf sich aufmerksam. Mittlerweile gibt es kaum mehr einen Supermarkt, der die Drinks nicht anbietet.
Ganze Regale werden ihnen gewidmet. Selbst dort, wo gekühlte Milch und Milchprodukte stehen, nehmen sie zunehmend Raum ein – obwohl sie gar nicht kühl stehen müssen. Die Platzierung ist allerdings wohl überlegt: Denn greift der Verbraucher zum peppigen Pflanzendrink statt zur tristen Trinkmilch, lässt er mehr Geld da.
Milchalternativen gibt es zwar schon seit Jahrzehnten. Jetzt sind die Drinks aus Soja, Hafer, Reis oder Hanf aber im Massenmarkt angekommen. Das Geschäft im veganen Segment boomt. Und das weltweit. Spätestens der Börsengang des schwedischen Haferdrink-Spezialisten Oatly Mitte dieses Jahres zeigt, welches Potenzial offensichtlich im Markt steckt.
Für die meisten Milcherzeuger ist der Hype um Pflanzendrinks ein Dorn im Auge. Verbraucher setzen mit ihrem Kaufverhalten ein Signal. Sie verzichten auf Kuhmilch – ob nun aus ideologischen Gründen oder aus reiner Neugierde. Der neue Trend lässt Fragen aufkommen: Hat Milch ein Imageproblem? Was ist mit dem guten Ruf von Milch und Milchprodukten passiert? Hat es die Branche „verschlafen“ Verbraucher mitzunehmen?
Unsere umfangreiche Recherche rund um die Pflanzendrinks in der aktuellen Ausgabe dieser Woche zeigt ein differenziertes Bild. Ja, der Absatz von Pflanzendrinks in Deutschland steigt beachtlich. Fakt ist jedoch: Der Anteil von pflanzlichen Alternativen ist im Gegensatz zu Trinkmilch minimal. Zudem lassen sich Kuhmilch und Pflanzendrinks bei gesundheitlichen sowie ökologischen Aspekten nicht so leicht vergleichen, wie es einige Pflanzendrink-Hersteller tun.
Nichtsdestotrotz bestimmt die Nachfrage das Sortiment. Und die nimmt zu. Das erkennen auch klassische Milchwerke. Molkereien beherrschen ihr Handwerk und bestätigen, dass sich ihre Kompetenzen gut auf pflanzliche Produkte übertragen lassen. Deshalb steigen sie neben zahlreichen Start-ups am Pflanzendrink-Markt ein. Die Privatmolkerei Naarmann ist ein gutes Beispiel. Sie ist seit Anfang 2021 mit Pflanzenerzeugnissen auf Haferbasis im Gastronomie- und Food-Service-Bereich unterwegs. Dieses Segment soll allerdings erstmal eine Nische bleiben. Das Stammgeschäft ist die Kuhmilch. Doch die Nische erzeugt zusätzlichen Umsatz, von dem – aller Voraussicht nach – Milcherzeuger auf lange Sicht profitieren könnten.
Auch die Beschaffung des Rohstoffs – in diesem Fall regional angebauter Hafer – könnte zukünftig in Bauernhand liegen und mehr Geld auf den Höfen generieren. Vielleicht ist es doch an der Zeit, Pflanzendrinks nicht als Konkurrenz, sondern als Chance zu betrachten?