Es bleibt dabei: Die meisten essen auch heute noch Fleisch – oft und sehr gerne. Dennoch nehmen die Fragen und Ansprüche der Verbraucher zu, was die Haltungsbedingungen und die Umwelteffekte der Tierhaltung angeht. Wie soll die Landwirtschaft damit umgehen?
Prof. Peter Kunzmann von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover und Prof. Wilhelm Windisch von der Technischen Universität München hatten zu einem Panel auf dem Bauerntag in Münster einige Empfehlungen mitgebracht.
Kunzmann: Abschaffung der Tierhaltung für manche ok
Laut dem Tierethiker Kunzmann muss dem Berufsstand klar sein, dass die Abschaffung der Nutztierhaltung für einen nicht unbeachtlichen Teil der Gesellschaft heute eine ernstzunehmender Alternative ist. Aus deren Sicht löst man damit nämlich gleich zwei Probleme: Ohne Nutztiere würden sich keine tierschutzrelevanten Fragen mehr stellen und auch die negativen Effekte der Tierhaltung auf die Umwelt wären verschwunden. So einfach, wie es sich die „Hardcore-Tierrechtler“ vorstellen, wäre das zwar nicht, dennoch kann man nach Auffassung von Kunzmann diese Haltung nicht einfach ignorieren.
Ihm zufolge müssen die Tierhalter in jedem Fall befriedigende Antworten auf die Fragen finden, die von vielen Verbrauchern hinsichtlich der Bedingungen in der Tierhaltung und deren Folgen angeht. Das hätte auch weiterreichende Vorteile für die Landwirtschaft, da damit beim Thema Tierhaltung automatische mehr Nähe zu den Bürgern geschaffen würde.
Durch die Sichtbarmachung der Leistungen der Tierhaltung zum Gemeinwohl könnte auch deren Honorierung besser argumentiert werden, so der Tierethiker. Nicht zuletzt würden die anderen politischen und gesellschaftlichen Akteure so in die Pflicht genommen und eine begründete Rechtfertigung für die Fortsetzung der landwirtschaftlichen Tierhaltung geschaffen.
Windisch: Großteil der Biomasse über den Tiermagen verwertbar
Die ist für Windisch nämlich auch in Zukunft absolut notwendig, da eine flächeneffiziente Landwirtschaft nach seiner festen Überzeugung nur mit Veredlung möglich ist. Der Agrarwissenschaftler verweist dazu auf die Tatsache, dass bei immer knapper werdender Ackerfläche im Zuge der Pflanzenproduktion große Mengen an vom Menschen nicht verwertbarer Biomasse anfallen. Er meint damit beispielsweise Stroh, Gras oder Kleie. Konkret hinterlasse 1 kg pflanzlicher Nahrung mindestens 4 kg nicht-essbare Nebenprodukte, verdeutlichte Windisch.
Die können ihm zufolge aber in der Regel über den Tiermagen verwertet werden. Rechne man beispielsweise die Erzeugung von Fleisch oder Milch aus Nebenprodukten ein, kann nach Windischs Kalkulation auf der gleichen Fläche mindestens 50 % mehr Nahrung erzeugt werden – und das ohne Nahrungskonkurrenz.
Optimum der Ressourceneffizienz finden
Umgekehrt bedeute der Verzicht auf die Veredlung die Vernichtung hochwertiger Nahrung, ohne dabei Umwelt und Klima zu entlasten, gibt der Agrarforscher zu bedenken. Die menschliche Ernährung verbrauche so mehr Ressourcen und erzeuge mehr Emissionen als mit Nutztieren. Allerdings gehen die Emissionen auch mit einer hochintensiven Tierhaltung nach oben.
Windisch plädiert deshalb für eine „Low Input-Tierproduktion“, bei der nur die unvermeidlich anfallende und nicht essbare Biomasse verfüttert wird. Das würde ein Maximum an Nahrungsmitteln bei einem Minimum an Umwelt- und Klimaauswirkungen verbinden. Der Münchner Agrarwissenschaftler räumt allerdings ein, dass dies für die Konsumenten auch ein schrumpfendes Angebot an tierischen Lebensmitteln und höhere Preise zur Folge hätte.