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Schweinehaltung: Jetzt in höhere Haltungsstufen investieren?

Tierwohl ist und bleibt ein Thema für Verbraucher. Und auch der LEH hat angekündigt, sein Fleischsortiment umzustellen. Sollten Schweinehalter deshalb jetzt in Tierwohlställe investieren?

Lesezeit: 6 Minuten

Darum gehts: Tierwohl ist und bleibt ein Thema für viele Verbraucher. Die großen Lebensmitteleinzelhändler haben bereits angekündigt, ihr Fleischangebot in den Haltungsstufen „Frischluftstall“ und höher auszubauen. Einige wollen die beiden unteren Haltungsstufen sogar komplett auslisten. Sollten Schweinehalter deshalb jetzt in Tierwohlställe investieren?

Pro

Die Borchert-Kommission ist Geschichte. Und nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts wird es immer unwahrscheinlicher, dass genug Geld für eine vollständige politische Absicherung des Umbaus der Tierhaltung vorhanden ist. Der gefundene Konsens zwischen Bauernverband, Fleischwirtschaft, Tierschutzverbänden und Wissenschaft – dass die Haltungsstufe 3 und höher die Zukunft der Tierhaltung sind – ist aber weiterhin richtig und wichtig.

Warum? Zum einen zeigen unsere Forschungsarbeiten, dass die Gesellschaft eine Tierhaltung in vollständig geschlossenen Ställen weitgehend ablehnt. Dazu haben wir die Menschen nicht nur befragt, sondern ihre Einstellungen qualitativ und quantitativ anhand von verschiedenen Methoden, ­Bildern und Videos erhoben. Die Akzeptanz für Außenklima- und Freilandsysteme ist deutlich höher.

Und auch aus wissenschaftlicher Sicht sind diese Haltungsformen positiver zu bewerten. Denn sie bieten dem intelligenten Schwein eindeutig mehr Beschäftigung und Abwechslung. Außerdem lässt sich das gesetzliche Verbot des Schwänzekupierens in diesen Ställen besser umsetzen.

90 % der Menschen essen Fleisch. Die Wissenschaft erklärt das anhand der „Vier Ns“: Fleisch essen ist „Normal“, „Natürlich“, „Nett“ (lecker) und gilt für die meisten Verbraucher als „Notwendig“.

Die Nutztierhaltung konkurriert jedoch zunehmend mit pflanzlichen Ersatzprodukten und kultiviertem Fleisch. Diese Alternativen nagen an den scheinbaren Vorteilen des Fleischkonsums, indem sie geschmacklich aufholen und als ethisch sowie klimapolitisch vertretbarer gelten.

Im Laufe der letzten 15 Jahre hat sich der Anteil an Vegetariern bereits von knapp 3 auf rund 10 % mehr als verdreifacht. Um nicht noch mehr Kunden zu verlieren, braucht Fleisch ein gutes Image. Auch deshalb sind vorzeigbare Tierwohlställe wichtig.

Der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) ist nah am Verbraucher. Die großen Ketten stehen unter dem Druck der Gesellschaft. Sie erwartet, dass der Handel mit seinen Entscheidungen Tierwohl und Nachhaltigkeit fördert. Aber für die Landwirte noch wichtiger: Der Handel kann am besten für faire Mindestbedingungen am Markt sorgen. Im Gegensatz zur Politik, die innerhalb der EU nur begrenzte Möglichkeiten für nationale Regelungen hat, kann der Handel Standards für alle Lieferanten durchsetzen – auch für Importeure. Wenn sich alle wichtigen Händler einigen, nur noch Tierwohlfleisch zu führen, das frühzeitig ankündigen und – besonders wichtig – diese Ankündigung verlässlich einhalten, dann helfen sie der deutschen Landwirtschaft.

Notwendig sind langfristige Vertragsangebote des LEH an die Landwirte.
Spiller

Notwendig sind langfristige Vertragsangebote des LEH an die Landwirte. Daran mangelt es bislang noch. In Zukunft könnten Verträge immer häufiger direkt zwischen Landwirtschaft und Handel abgeschlossen werden. Die Schlachtunternehmen werden dann zum Dienstleister, während die Händler die Fleischkette steuern.

Was bedeutet das für die Schweinehalter? Wer seine Tiere derzeit in Haltungsstufe 1 oder 2 hält und nicht mehr investieren will, kann seine Tiere noch einige Zeit wie bisher vermarkten. Denn selbst wenn die großen Einzelhändler diese Haltungsstufen bis 2030 auslisten, besteht in anderen Absatzkanälen noch länger eine Nachfrage nach preisgünstigen Produkten, zum Beispiel in der Gastronomie und bei Verarbeitungsware. Von einem Neubau solcher Ställe würde ich jedoch abraten.

Kontra

Die Uhr tickt! Bis zum 1. August 2024 müssen Schweinehalter ihre Haltungsform bei der zuständigen Behörde melden. Beim Thema Haltungskennzeichnung sind jedoch noch viele Fragen offen. Unklar ist zum Beispiel, wer die zuständige Behörde ist. Und wie können weitere Tierarten sowie Großverbraucher und die Gastronomie in das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz integriert werden?

Landwirtinnen und Landwirte benötigen Planungssicherheit von der Politik und von der Wirtschaft. Dazu gehören Abnahmegarantien, eine langfristig angesetzte Finanzierung und feste Verträge über mehrere Jahre hinweg – vor allem für die höheren Haltungsstufen.

Insbesondere beim Bau- und Immis­sionsrecht klaffen Lücken, die den ­Ausbau höherer Haltungsformen behindern und teilweise sogar unmöglich machen. Weitere Unsicherheiten gibt es bei der Finanzierung. Die bislang zugesagten Fördermittel von 1 Mrd. € können nur wenige Schweinehalter in Anspruch nehmen. Den flächendeckenden Umbau erreicht die Politik so nicht.

Die Landwirtschaft durchläuft einen Strukturbruch, viele Ställe sind noch längst nicht abgeschrieben und der Absatzmarkt für höhere Haltungsstufen ist kaum vorhanden. Aufgrund dieser Unsicherheiten ist ein Um- bzw. Neubau auf höhere Haltungsstufen derzeit mit einem hohen Risiko verbunden, das Landwirte betriebsindividuell durchrechnen müssen.

Allerdings ist es uns erfolgreich gelungen, mit der Initiative Tierwohl (ITW) mehr Tierwohl in geschlossenen Ställen zu ermöglichen. Diese Haltungsstufe 2 (Stall + Platz) bietet einen Konsens mit breitem Marktpotenzial. Den Umbau des gesetzlichen Standards können Landwirte mit überschaubarem Kostenaufwand und ohne Baugenehmigung durchführen. Zudem passt die ITW ab Januar 2025 ihre Kriterien an die staatliche Haltungskennzeichnung an, was den Landwirten weiterhin monetär zugutekommt. Allerdings müssen aufgrund der höheren Anforderungen auch hier die Preisempfehlungen neu ausgehandelt werden.

Fest steht: In kaum einem anderen Land herrschen so hohe Haltungs- und Qualitätsanforderungen, wie bei uns in Deutschland. Deshalb ist es erfreulich, dass die Zentrale Koordination Handel-Landwirtschaft (ZKHL) dies in Form einer einheitlichen Herkunftskennzeichnung wertschätzt. Ein klares Zeichen dafür, dass die Wertschöpfungskette nicht mehr auf die Politik warten kann und wird. Die Ankün­digung, höhere Haltungsstufen im Frischfleischsortiment zu etablieren, ­ist ein erster Schritt in Richtung Um­bau der Tierhaltung. Aufgrund des ge­rin­gen Marktanteils wird das Vorhaben jedoch nur einen geringen Anteil der Betriebe ansprechen. Sobald ein geeignetes ­ganzheitliches Konzept vorliegt, stehen die Landwirtinnen und Landwirte bereit.

Tierwohl mit der Brechstange führt zu  einer Verlagerung der Produktion ins Ausland.
Beringmeier

Auch wenn die politischen Rahmenbedingungen für die Mastschweinehaltung gesetzt sind, entscheidet immer noch der Verbraucher an der Ladentheke, welches Fleisch er aus welchen Haltungsstufen kauft. Tierwohl mit der Brechstange führt zu einer Verlagerung der Produktion ins Ausland! Ich bin überzeugt, dass sich unterm Strich alle Haltungsformen im Markt behaupten können. Solange jedoch nicht alle Un­sicherheiten beseitigt sind, kann ein ganzheitlicher Umbau zu höheren Haltungsformen nicht gelingen. Die Empfehlungen der Borchert-Kommission liegen weiterhin auf dem Tisch. Die Politik muss sie nur endlich umsetzen!

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