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topplus Umbau Tierhaltung

Zukunft der Tierhaltung: Warum der LEH die entscheidende Rolle spielt!

Tierhalter sollen auf höhere Haltungsstufen umstellen. Doch zahlen wollen weder Verbraucher noch der Staat. Lösen kann das Dilemma nur der Handel, meint Prof. Dr. Achim Spiller.

Lesezeit: 4 Minuten

Trotz ordentlicher Preise herrscht Katerstimmung in der Fleischbranche. Denn niemand zeigt, wie es langfristig weitergeht. Der Borchert-Plan zur Finanzierung tierfreundlicherer Haltung ist bisher gescheitert. Die alte Bundesregierung hat die Umsetzung verpasst. Und ob die aktuelle Regierung die Bauernproteste nutzt, um den Knoten doch noch durchzuschlagen, ist fraglich. Sollte die Landwirtschaft jetzt den Kopf in den Sand stecken und aufgeben?

Nein! Denn statt der staatlichen „Vollkasko-Lösung“ könnte nun der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) den Umbau der deutschen Tierhaltung vorantreiben. Er hat es in der Hand, welchen Weg die Fleischwirtschaft geht – zwei Szenarien sind denkbar:

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Szenario A: „Ausbluten“

Fleisch bleibt ein Lockvogelangebot im Handel. Verbraucher sind wieder preisbewusster, und die Tierwohlprogramme scheitern. Überhaupt verliert die Bedienungstheke im Handel weiter an Bedeutung, auch weil sich immer weniger Personal dafür finden lässt. Die qualitätsbewussten Verbraucher, die bisher häufig an der Bedienung kaufen, kehren dem Fleisch immer mehr den Rücken. Übrig bleiben die XXL-Schnitzelfans, für die nur der Preis zählt. Der Handel nimmt seine heutigen Versprechungen zurück: Tierwohlfleisch mit Haltungsformstufe 3 und höher bleibt in der Nische. Stattdessen wird zunehmend Billigfleisch importiert.

Szenario B: LEH mit Tierhaltern

Die vier großen Händler listen bis 2030 die Haltungsformstufen 1 und 2 aus und drängen Wurstproduzenten dazu, auf Tierwohlfleisch umzustellen. Auch die meisten Verarbeitungsprodukte tragen Haltungsform 3. Selbst in der Gastronomie und in der Außer-Haus-Verpflegung wird Tierwohl zum Standard. Um die Ware gesichert zu erhalten, schließen die großen Abnehmer zehnjährige Verträge mit den landwirtschaftlichen Betrieben ab. Der Einzelhandel dominiert die Kette, während die Schlachtunternehmen zu Lohnschlachtern werden. Die Standards setzt der LEH, der den Landwirten vertraglich Erlöse garantiert, die sich an den Produktionskosten orientieren.

Klar ist: Nur das zweite Szenario bietet den Tierhaltern in Deutschland langfristig eine Perspektive. Dafür müssen Handel und Landwirtschaft eng zusammenarbeiten und der LEH muss die berechtigten Sorgen der Landwirte ernst nehmen: Soll sich die Landwirtschaft wirklich vom Handel abhängig machen? Kann sie sich auf die Zusagen des LEH verlassen? Zählt im Handel am Schluss nicht doch immer nur der Preis?

LEH: Vom Verteiler zum Treiber

Vor zehn Jahren hätte man das sicherlich noch als Utopie abgetan. Doch der LEH hat sein Marktverhalten in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend verändert. Hier lassen sich vier Stufen unterscheiden (siehe Übersicht).

  • Traditionell waren Lebensmittelhändler passive Warenverteiler. Die Standards hat die Industrie gesetzt, und die Händler haben eine Lieferantenauswahl getroffen, aber ganz klassisch nach Preis und Qualität. Mitte der 1980er-Jahren war Tengelmann der erste Lebensmittelhändler, der auf Umwelt- und Tierschutz setzte und symbolisch Froschschenkel und Schildkrötensuppe auslistete.

  • Seit den 80er-Jahren greift der LEH ernsthafter in den Markt ein: Aldi listete Käfigeier aus und läutete damit das Ende der Käfighaltung in Deutschland ein. Es werden systematisch besonders umweltschädliche Produkte aus- und nachhaltige Artikel eingelistet. Der LEH fungiert wie ein Türsteher (Gatekeeper-Strategie), der über den Einlass entscheidet.

  • Seit den 2010er-Jahren treiben die Händler die Nachhaltigkeit selbst voran. Als Nachhaltigkeits-Promotor entwickeln sie Marken und Programme. Das bekannteste Beispiel dafür ist die Initiative Tierwohl (ITW).

  • Heute geht der LEH noch weiter, z. B. wenn Aldi und Lidl eigene Ernährungsstrategien verabschieden. Als sogenannter Nachhaltigkeits-Transformator legen die Handelsketten schneller als die Politik fest, welche Ernährungsziele sie mit ihren Kunden erreichen wollen. So will Lidl den Anteil pflanzenbasierter Proteinquellen von heute 11 auf 20 % im Jahr 2030 erhöhen.

Dass der LEH seine neue Rolle ernst nimmt, zeigen großen Nachhaltigkeitsabteilungen bei Aldi, Lidl, Rewe und Edeka, wo inzwischen Hunderte arbeiten. Selbst in den Führungsetagen ist Nachhaltigkeit mittlerweile ein zentrales Thema. Während früher Einkäufer und Vertriebler allein dominierten, beeinflussen nun auch die Nachhaltigkeitsmanager die Unternehmensstrategien. Sie arbeiten langfristiger und kennen sich zunehmend gut aus, wenn es z. B. um Tierwohldetails geht. Landwirtschaft und Handel tauschen sich intensiver aus. Jüngster Beleg dafür ist das neue Kompetenzzentrum Landwirtschaft der Rewe-Gruppe. Dort sitzen neben der Wissenschaft auch zahlreiche Praktiker am Tisch.

LEH trägt Verantwortung

Dieser Strategiewechsel dürfte für Reibung sorgen. Intern bei den Handelsketten, da ihre Fleischabteilungen seit 50 Jahren eigentlich nur auf Sonderangebote gesetzt haben. Und extern dürfte es Spannungen mit der Landwirtschaft geben, die mitziehen muss. Dies wird wohl nur funktionieren, wenn der LEH zuverlässiger und auf Augenhöhe kommuniziert. In sechs Bereichen gibt es dringenden Handlungsbedarf:

  • Strategisch: Der LEH geht die Themen langfristig an.

  • Verlässlich: Der LEH bietet Planungssicherheit (z. B. langjährige Verträge mit gesicherten Preisen).

  • Risikobewusst: Wer die stärksten Schultern hat, wie der LEH, muss mehr Risiken tragen.

  • Dialogisch: Der LEH entwickelt Konzepte mit den Partnern entlang der Wertschöpfungskette kooperativ.

  • Abgestimmt: Die vier großen Konzerne stimmen sich kartellrechtlich erlaubt ab und vernetzen sich besser mit der Politik.

  • Umfassend: Soweit möglich werden alle Warenströme und Kanäle einbezogen.

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