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topplus Ampel sucht Kompromisse

Kommt jetzt die Tierwohlabgabe?

Zum Höhepunkt der Bauernproteste steht auf einmal die Tierwohlabgabe wieder ganz oben auf der politischen Agenda. Alle drei Ampel Fraktionen SPD, FDP und Grüne sind in Bewegung.

Lesezeit: 7 Minuten

Auf der Suche nach Angeboten für die Landwirtschaft schiebt sich die Tierwohlabgabe wieder ganz nach vorne auf die politische Tagesordnung in Berlin. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hatte diese bereits vergangene Woche beim Bauernprotest im baden-württembergischen Ellwangen in seiner Rede lanciert. Am Wochenende bestätigte Özdemir die Überlegungen dazu in der Süddeutschen Zeitung (SZ).

Özdemir versucht Druck in Richtung Tierwohlcent zu leiten

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Der Staat könnte den Umbau der Tierhaltung mit Geld aus einer Abgabe auf Fleisch und Milch finanzieren und die bisher geplante Tierwohlmilliarde in die Unterstützung für den Agrardiesel stecken, könnte das Kalkül der Ampel lauten. Özdemir versucht danach nun die Gunst der Stunde zu nutzen, um den Druck der Bauern in eine Initiative für mehr Tierwohl in Ställen zu lenken.

"Schon wenige Cent mehr pro Kilo Fleisch würden bedeuten, dass unsere Landwirte Tiere, Klima und Natur besser schützen können - so, wie es doch alle verlangen", sagte er. "Wer es wirklich ernst meint mit einer zukunftsfesten Landwirtschaft, muss da endlich springen", sagte Özdemir.

FDP gibt sich aufgeschlossen

Auch bei der FDP, die sich bisher vor allem bei der Ausgestaltung der Tierwohlabgabe kritisch positioniert hatte, scheint es Bewegung zu geben. "Gerade Tierhaltungsbetriebe haben schwer zu kämpfen", sagte die stellvertretende FDP-Fraktionschefin Carina Konrad, selbst Landwirtin, der SZ. "Eine Tierwohlabgabe könnte ein Weg sein, sie beim Umbau ihrer Ställe verlässlich zu unterstützen", so Konrad. Womöglich seien die aktuellen Bauernproteste der richtige Zeitpunkt für diesen Schritt. "Ich wäre die Letzte, die dagegen ankämpfen würde, wenn sich das rechtssicher umsetzen lässt", sagte Konrad.

Ähnlich klingt FDP-Agrarpolitiker Gero Hocker: "Wenn wir eine Tierwohlabgabe hinbekommen, die europarechtlich sauber ist und nicht Produkte aus Deutschland stärker belastet als solche aus dem Ausland, dann ab dafür", sagte Hocker der SZ.

Sympathisanten auch in der SPD

SPD zeigt sich grundsätzlich offen. Nach der im Sommer beschlossenen Kennzeichnungspflicht für Schweinefleisch, die über die bisherigen Haltungsstandards hinausgeht, "müssen die Landwirte beim Umbau der Tierhaltung auch finanziell unterstützt werden", sagte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch nun der SZ. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese sagte dem „Spiegel“, die von der großen Koalition eingesetzte Zukunftskommission Landwirtschaft oder die Borchert-Kommission hätten gute Vorschläge gemacht. „Diese sollten wir uns gemeinsam noch mal vornehmen", sagte Wiese.

Die Grünen wollen die Debatte um die Tierwohlabgabe jetzt pushen. Grünen-Agrarpolitikerin Renate Künast sagte der SZ: "Wir sollten in den nächsten Monaten dazu Gesetze verhandeln und beschließen."

Connemann unterstützt Tierwohlabgabe jetzt

Entgegenkommen zeigt am Montag auch die CDU in der Opposition. Die Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Gitta Connemann (CDU), unterstützt eine Tierwohlabgabe. Die CDU-Politikerin sagte dem Deutschlandfunk, dem Grunde nach sei das der richtige Weg. Wer mehr Tierwohl wolle, müsse dafür zahlen, denn die Landwirte dürften nicht zerrieben werden. Damit diese in mehr Tierwohl investieren könnten, brauchten sie die Gewissheit, dass die Erlöse ihrer Investitionen auch an sie flössen. Zu Zeiten der Groko hatte sich Connemann stets für eine privatwirtschaftliche Umlage zur Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung und gegen eine staatliche Abgabe ausgesprochen.

Ampel-Spitzen arbeiten an Maßnahmenplan

Die Ampel will der Landwirtschaft nun noch diese Woche ein Angebot machen, wie sie bis zur Sommerpause mehrere Maßnahmen in der Agrarpolitik umsetzen will. „Wir werden einen klaren Katalog unterbreiten“, sagte der Fraktionsvorsitzende der SPD Rolf Mützenich am Montag nach einem Gespräch der Ampel-Fraktionsspitzen mit Vertretern der Agrarverbände in Berlin. Dazu eingeladen hatten die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP die Verbände AbL, BDM, BÖLW, DBV, DLG, Landfrauen, Landjugend und LsV. Die Maßnahmen sollen in einem Entschließungsantrag, den die Ampelkoalition am Donnerstag in den Bundestag einbringen werden, verbindlich gemacht werden.

Borchert-Kommission noch zurückhaltend

Bei den Mitgliedern der Borchert-Kommission trifft diese Wendung nach der langjährigen Hängepartie nun auf reservierte Stimmen. Er sei noch skeptisch, ob die Ampel sich wirklich zu einer Tierwohlabgabe durchringen werde, sagte der Vorsitzende der Borchert-Kommission, Jochen Borchert gegenüber top agrar. Wenn die Ampel es ernst meine, müsse auch die Ausgestaltung von langjährigen verbindlichen Verträgen für die Landwirte, die in Tierwohl investieren, gewährleistet sein, merkte Borchert an. Er sehe nun mit Spannung auf das, was die Fraktionsspitzen von SPD, Grünen und FDP den Bauern anbieten werden.

Einen neuen Schub von den Mitgliedern der Borchert-Kommission wird es diese Woche vorerst nicht geben. Die Mitglieder seien von der langen Hängepartie und dem Werben um die Umsetzung der Borchert-Pläne erschöpft, sagte der Agrarökonom Professor Harald Grethe gegenüber top agrar. Natürlich wäre die Umsetzung der Borchert-Pläne mit einer gesicherten Finanzierung über eine Abgabe auf Fleisch und Milch ein großer Erfolg, gibt sich Grethe sicher. Die Pläne dafür lägen alle auf dem Tisch.

Der Deutsche Bauernverband (DBV) hat sich am Montag erstmal mit voller Kraft der Großdemonstration am Brandenburger-Tor gewidmet und keine Aussage zur Tierwohlabgabe gemacht. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) begrüßte hingegen die Ideen. „Unterstützen Sie die Bäuerinnen und Bauern beim Umbau der Tierhaltung – führen Sie eine Tierwohlabgabe ein!“, schrieb die AbL in einem Forderungspapierfür die Ampel-Spitzen.

Verbraucherverbände öffnen sich für befristete Abgabe

Bezahlt werden müsste eine Tierwohlabgabe zunächst vom Verbraucher. Die Entlastung im Bundeshaushalt würde also den Konsumenten übertragen. Bisher hatte sich daher die organisierte Verbraucherschaft dazu eher vorsichtig geäußert und war wegen der Kostenübernahme recht früh aus der Borchert-Kommission ausgeschieden. Der Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) äußerte sich am Montag gegenüber top agrar nun hingegen etwas offener. „Verbraucher:innen wünschen sich höhere Standards bei der Tierhaltung. Das zeigt die Empfehlung des Bürgerrats Ernährung, der sich für eine Tierwohlabgabe ausspricht, um den Umbau der Tierhaltung zu finanzieren", sagte Ramona Pop, Vorständin des vzbv. Ohne finanzielle Unterstützung werde sich die derzeitige Tierhaltung aller Voraussicht nach nicht verändern. Deshalb sei die Tierwohlabgabe ein wichtiger Schritt hin zu einer zukunftsfähigen Tierhaltung. Doch der vzbv fordert eine Befristung. "Die Tierwohlabgabe kann und darf aber nicht die Dauerlösung sein. Den Umbau durch Steuergelder zu unterstützen ist sinnvoll, allerdings zeitlich beschränkt. Langfristig müssen sich am Markt kostendeckende Preise bilden", sagte Pop.

Tierwohlabgabe könnte Haushaltsgeld frei machen

Eine Tierwohlabgabe einzuführen, birgt für die Ampel die Chance, die bereits in der langfristigen Finanzplanung der Bundesregierung eingeplante Tierwohlmilliarde anderweitig zu verwenden. Damit könnte auch die Lücke geschlossen werden, die sich bei der Agrardiesel-Rückvergütung auftut. Der FDP-Agrarsprecher im Bundestag, Gero Hocker hatte sich bereits zu Beginn der Januar Proteste der Bauern dafür ausgesprochen, das Geld, das für den tierwohlfreundlichen Umbau von Ställen vorgesehen ist, für den Agrardiesel und die Kfz-Steuer umzuwidmen. Auch der SPD-Agrarminister aus Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus, hatte vergangene Woche vorgeschlagen, für die Gegenfinanzierung der Agrardiesel und Kfz-Steuer die geplanten 1 Mrd. € für den Umbau der Schweinehaltung zu nutzen.

Milchindustrieverband lehnt Tierwohlabgabe ab

Es gibt aber auch bereits Stimmen, die sich gegen die Tierwohlabgabe wenden. Der Milchindustrie-Verband (MIV) widerspricht der Einführung einer Tierwohlabgabe am Montag bereits. Die Vorschläge seien keine Lösung des derzeitigen Konflikts zwischen Landwirtschaft und Politik, teilte der MIV in einer Mitteilung mit. Er fürchtet, dass eine Tierwohlabgabe von z. B. 2 Cent je kg Milch eine Belastung der deutschen Molkereien von ca. 700 Mio. € pro Jahr nach sich ziehen würde. Zudem erwartet er, dass eine Abwälzung der Abgabe auf den Verbraucher schwierig wäre. Damit würden wieder die Milcherzeuger „Teil der Abgabenkette“ werden, argumentiert der MIV.

Der Tierschutzbund fordert indes, die Einnahmen aus einer Tierwohlabgabe müssten dann auch wirklich zweckgebunden für Investitionen in mehr Tierschutz in der landwirtschaftlichen Tierhaltung verwendet werden. Der Tierschutzbund-Präsident Thomas Schröder warnte davor, die Abgabe nur als Maßnahme zu debattieren, um Haushaltslöcher zu stopfen oder die zurückgenommenen Kürzungen beim Agrardiesel und der KFZ-Steuer im Agrarsektor zu kompensieren.

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