Einer gegen alle? Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir stößt selbst bei SPD und Liberalen im Bundestag auf Widerstand gegen seine Idee eines nationalen Moratoriums für den Wirkstoff Glyphosat. SPD und FDP schließen nach der Brüsseler Entscheidung für eine zehnjährige Wiederzulassung ein nationales Verbot aus.
„Wir erwarten vom Bundeslandwirtschaftsministerium eine rechtssichere Umsetzung dieser Entscheidung“, erklärte die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Franziska Kersten zur gestrigen Debatte über den Unionsantrag zu Glyphosat im Bundestag. „Ein nationales Verbot ist nicht möglich, wenn eine EU-Zulassung besteht“, betonte FDP-Berichterstatter Ingo Bodtke gegenüber Agra-Europe. Raiffeisenpräsident Franz-Josef Holzenkamp forderte die Bundesregierung auf, schnellstens Rechtssicherheit und Klarheit zu schaffen.
Gegen ideologiegetriebenen nationalen Alleingang
Holzenkamp zufolge ist der Weg für die Bundesregierung nach der Brüsseler Entscheidung eindeutig vorgegeben: „Auch in Deutschland müssen glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel weiterhin unter den bestehenden Regelungen eingesetzt werden dürfen.“ Der DRV-Präsident warnte vor einem „ideologiegetriebenen nationalen Alleingang“. Die Landwirtinnen und Landwirte müssten nun verlässlich wissen, „dass sie auch noch ab dem 1. Januar 2024 entsprechende Herbizide einsetzen dürfen.“
SPD will fairen Kompromiss
Kersten mahnte eine zügige Anpassung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung an. Eine weitere Einschränkung des Glyphosat-Einsatzes in der Landwirtschaft hält die SPD-Politikerin für möglich. Sie beruft sich dabei auf Aussagen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG). Nötig seien vielversprechende Alternativen zu Glyphosat und kein Ausweichen in die häufigere Anwendung anderer Pflanzenschutzmittel. „Wir setzen uns für einen fairen Kompromiss ein, der allen Beteiligten gerecht wird und die landwirtschaftlichen Betriebe nicht allein lässt“, versicherte Kersten.
Verdienst der FDP
Bodtke erinnerte daran, dass das geltende Glyphosat-Verbot ab 2024 in der vergangenen Legislaturperiode vom damaligen unionsgeführten Bundeslandwirtschaftsministerium eingeführt worden sei. Dieses Verbot werde nun zurückgenommen. Die Brüsseler Glyphosat-Entscheidung bezeichnete Bodtke als Verdienst der FDP, die mit ihrer Zustimmung zu einer Wiederzulassung die Enthaltung Deutschlands herbeigeführt habe. Der FDP-Politiker bezeichnete die Wiederzulassung von Glyphosat als „eine gute Nachricht für Wissenschaftlichkeit, Klimaschutz, Biodiversität und Verlässlichkeit in der Agrarpolitik.“
Wettbewerbsnachteile vermeiden
Der agrarpolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Artur Auernhammer, warnte vor weitergehenden Einsatzbeschränkungen für Glyphosat, da dies die deutschen Landwirtinnen und Landwirte einem großen Wettbewerbsnachteil innerhalb der EU aussetzen würde. Auch die Union wolle den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln so weit wie möglich reduzieren und den Glyphosat-Einsatz auf das notwendige Maß beschränken. „Es gibt aber einfach noch Bereiche in der Landwirtschaft, in denen es noch keine gleichwertige Alternative zu Glyphosat gibt, wie im Weinbau oder bei der Queckenbekämpfung“, so der CSU-Politiker.
Ein Antrag der Unionsfraktion zur Verlängerung der Glyphosat-Zulassung auch auf nationaler Ebene wurde gestern im Bundestag nicht rundweg abgelehnt. Stattessen votierten die Abgeordneten für die Überweisung des Antrags an den zuständigen Ausschuss – ein kleiner Erfolg.