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topplus Vertical Farming

Arzneipflanzen: Ein neuer Markt für Landwirte?

Das Start-up Lite and Fog will Landwirten die Türen zur Pharmaindustrie öffnen. In leeren Stallgebäuden sollen sie in gemieteten Anlagen Arzneipflanzen von hohem Wert produzieren können.

Lesezeit: 9 Minuten

Nachdem das wohl bekannteste Vertical Farming Start-up Infarm 2022 und 2023 eine Bruchlandung hingelegt hat und in Teilen in die Insolvenz gerutscht ist, war die Stimmung in dem Sektor zuletzt alles andere als optimistisch. Nun denkt ein weiteres Berliner Jungunternehmen das Indoor Anbausystem weiter und gewinnt tatsächlich einen Gründerpreis nach dem anderen.

Präzise Nährstoffdosierung durch feinen Nebel

Die beiden Köpfe hinter Lite and Fog (zu Dt. „Leicht und Nebel“) entwickeln seit 2019 die sogenannte Fogponic-Technologie, bei der Pflanzen ihre Nährstoffe über einen feinen Nebel aufnehmen. So können Inhaltsstoffe genau dosiert werden, was beim Anbau von Medizinpflanzen besonders wichtig ist. Genau hier liegt nach Ansicht des Start-ups das Potenzial für einen neuen Markt. Aktuell suchen Martin und sein Vater Uwe Peter mutige Landwirte als Partner für ihre Modellfarmen.

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Warum herkömmliches Vertical Farming allein nicht ausreicht, welche Rolle Landwirte dabei spielen könnten und wie herausfordernd es sein kann, wenn Vater und Sohn gemeinsam ein Unternehmen starten, erklärt uns Gründer und CEO Martin Peter.

Lite and Fog hat eine neue Methode im Vertical Farming entwickelt, die Fogponics-Technologie. Können Sie uns erklären, was das ist und wie es sich von den ursprünglich entwickelten Systemen unterscheidet?

Peter: Unsere Fogponics-Technologie nutzt Nebel zur Bewässerung der Pflanzen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Vertical Farming-Systemen, die fließendes Wasser verwenden, zerstäubt unser System Wasser mittels Ultraschall in feine fliegende Tröpfchen. Diese Tröpfchen erreichen die in der Luft hängenden Pflanzenwurzeln. So gelangt die Pflanze an Wasser, Sauerstoff und Nährstoffe. Dadurch benötigen wir weniger Bauteile und Gewicht, was eine kostengünstigere und effizientere Bauweise ermöglicht.

Normalerweise sind Vertical Farming-Anlagen riesige Stahlkomplexe. Unser System muss keine großen Wassermengen und das damit einhergehende Gewicht tragen. Es hängt an der Decke, man kann es hoch und runter fahren.

Ein weiterer Vorteil ist der deutlich reduzierte Wasserverbrauch: Wir benötigen nur etwa 5 % des Wassers im Vergleich zu traditionellen ackerbaulichen Methoden.

Welche neuen Möglichkeiten eröffnet Ihr System für Landwirte?

Peter: Unser System bietet Landwirten die Chance, in neue Märkte einzusteigen, insbesondere in die Pharmazie- und Kosmetikindustrie. Wir wollen die Lebensmittelproduktion nicht ersetzen oder in Konkurrenz dazu stehen. Vielmehr wollen wir Landwirten eine zusätzliche Perspektive bieten.

Dank der präzisen Kontrolle über die Anbaubedingungen können wir Pflanzen mit genau definierten Inhaltsstoffen produzieren, die für die Herstellung von Impfstoffen oder in der Zellfleischproduktion von großem Wert sind. Die Landwirte könnten also Pflanzen anbauen, die sonst keiner anbauen kann.

Modifizierte Tabakpflanzen tragen wertvolles Protein

Landwirte müssten sich auf ein völlig neues Geschäftsfeld einstellen. Meinen Sie, dass das positives Interesse weckt?

Peter: Darin liegt doch großes Potenzial. Wir haben uns überlegt, welche die finanziell wertvollsten Pflanzen sind. Das sind sicher nicht der Eisbergsalat oder Rucola. Für die Pharma- oder Biomolekularunternehmen gibt es Pflanzen, die sind pro Stück 1.000 – 2.000 € wert, aufgrund der Inhaltsstoffe.

Um was für Pflanzen handelt es sich hier?

Peter: Ökonomisch sinnvoll sind medizinische Pflanzen. Die Tabakpflanze z. B. ist in solchen Anwendungen interessant, da sie ein guter Träger für Proteine sein kann, die bei der Impfstoff- oder Zellfleischherstellung gebraucht werden. Prinzipiell können wir aber alles anbauen: auch Basilikum, Kartoffeln oder Erdbeeren. Mit einem guten Energiekonzept durch Wind- und Solaranlagen könnten Landwirte auch große Massen günstig produzieren. Da kommen wir aber noch nicht unter einen Kilopreis von 5 €. Bei Basilikum ist das noch interessant, bei Salaten überhaupt nicht. Weil die Direktvermarktung von Produkten aus diesem Anbau viel Arbeit bedeutet, sind wir davon weggegangen.

Wie sieht Ihr Geschäftsmodell aus und welche Rolle spielen Landwirte darin?

Peter: Wir verkaufen und vermieten unsere Fogponics-Systeme in verschiedenen Größen. Größe L hat z. B. eine Produktionskapazität von 20 t auf 40 qm im Jahr. Das Modell XL soll auf 1.000 qm sogar 20 t in der Woche ermöglichen. Das geht, weil wir dreidimensional denken. Nicht nur auf der Grundfläche, sondern auch nach oben und unten kann produktiver Raum entstehen.

Wir wollen die Technik für die Landwirte liefern. Das Miet- oder Leasingmodell soll das Risiko für die Kunden senken und ihnen den Einstieg in diese neue Technologie erleichtern. Wir sehen Landwirte als wesentlichen Teil dieses Geschäftsmodells: Sie sind Serviceanbieter, die zum einen den Platz in z. B. alten Viehställen haben und sich zum anderen um das Ernten, Bestocken und Beliefern der Kunden kümmern. Wir unterstützen sie, indem wir die Kunden mitliefern und das System ständig durch den Einsatz künstlicher Intelligenz optimieren. Für die freigewordenen Ackerflächen hätten sie dann den zeitlichen und finanziellen Spielraum, um sie extensiver zu bewirtschaften und z. B. Agroforstsysteme zu etablieren.

Mir ist aufgefallen, dass es auf Veranstaltungen zu neuen Produktionssystemen, sogenannten New Food Systems von Investoren und Start-ups nur so wimmelt. Landwirte sind quasi nie dabei. Das ist sehr schade. Deshalb arbeiten wir daran, neue Geschäftsbeziehungen zwischen Landwirten und der Pharmaindustrie aktiv herzustellen, um die Vermarktung der Produkte zu sichern.

Rund 20.000 € Miete

Wie viel kostet eine Anlage im Monat?

Peter: Da wir noch keinen Anwendungsfall in der Landwirtschaft haben, ist das schwer zu sagen. Wichtig ist uns, dass der Landwirt gewinnbringend wirtschaften kann. Die monatliche „Miete“ wird sich für Modell L auf eine Größenordnung von 20.000 € belaufen. Darin baut der Mieter wertvolle Pflanzen an und könnte so Ernten von etwa 30.000 € einfahren.

Wir finanzieren uns über die monatlichen Mieteinnahmen. Die sind die einzigen Kosten, die der Landwirt mit uns hat. Die Erträge gehen zu 100% an ihn.

Welche Ansprüche stellt das System an leerstehende Gebäude?

Peter: Aufgrund der kleinen, modularen Bauweise können wir die Farmen in leere Stallgebäude mit den üblichen Deckenhöhen einbauen. Modell L hat Maße von 6 m x 5 m x 4 m. Eine eigene Energieversorgung haben viele Landwirte inzwischen auch. Wir würden für interessierte Partner ein individuelles Paket stricken, mit Energiekonzept und passenden Modulen.

Wir sind die Maschinenbauer, der Gewinn geht an die Landwirte."

Der Ruf von Vertical Farming-Systemen hat in den vergangenen Jahren gelitten, vorangetrieben durch den Wirbel um Infarm. Woran liegt das?

Peter: Die Idee hatte einen Haken: Damals noch sehr teure Technik für günstige Produkte rechnet sich nicht. Außerdem hat Infarm nicht die Technik vermarktet, sondern das Endprodukt Salat. Wir machen dagegen mit günstigerer Technik die wertvollsten Pflanzen. Wir sind die Maschinenbauer, der Gewinn geht an die Landwirte.

Ein herausfordernder Punkt dürfte auch der Energieverbrauch sein. Warum sollte man eine Halle bauen und darin künstliche Umweltbedingungen energetisch aufwendig erzeugen?

Peter: Beschreibt das nicht auch unsere Wohnungen? Warum schlafen wir nicht einfach draußen? Wenn man sich die Nahrungsmittelkette anguckt, gehen 80 % der Energie in die Lieferkette - also Fahrten, Lagerung, Kühlung und Verpackung. Bei Vertical Farming-Systemen wird die Produktion zwar lokal teurer, aber der Aufwand in der Lieferkette schrumpft. Was auch entfallen könnte, sind die Zwischenhändler, wenn wir die Pflanzen direkt vom Landwirt an den Kunden liefern lassen. Also gibt es auch weniger Personen, die mitverdienen wollen.

Man könnte die Produkte selbst vermarkten oder z. B. bei Auktionen die Produktionskapazitäten versteigern. Und was heute schon viel interessanter ist – da können Pflanzen wachsen, die weit mehr als 1.000 bis 2.000 € pro kg wert sind. Eben durch Molecular Farming in Tabakpflanzen, wie schon vorhin beschrieben.

Unser System sehen wir auf einer Ebene mit der Stickstoff-Fixierung oder der Erfindung des Traktors!"

Ihre Anlagen sollen dieses Jahr verkaufsfähig werden. Was sind die weiteren Ziele?

Peter: Wir wollen 2024 gern mindestens drei Pilotanlagen mit Landwirten ans Laufen bringen. Dazu gehören zudem weitere Gespräche mit Pharmakunden. Einige haben wir ja bereits. Wir suchen noch die Fläche und den Menschen, der gewillt ist, Energie in das Projekt zu stecken. Irgendjemand hat sich in der Vergangenheit ja auch getraut, die erste Biogasanlage zu bauen – so jemanden brauchen wir.

Wir wollen die Landwirtschaft komplett auf den Kopf stellen. Unser System sehen wir auf einer Ebene mit der Stickstoff-Fixierung oder der Erfindung des Traktors!

Technologie ist bereits reif für die Praxis

Wie finanzieren Sie Ihr Vorhaben?

Peter: Wir werden durch Investoren und Fördermittel unterstützt, unter anderem mit 1 Mio. € von der Stadt Berlin. Zusätzlich arbeiten wir mit Unternehmen wie Bright Biotech aus Manchester zusammen, die unsere Technologie bereits nutzen. Auch der Düngemittelhersteller ICL testet unsere Anlagen, um Nährstoffe zu erzeugen.

Also gibt es bereits Anwender? Nehmen wir Bright Biotech als Beispiel – die arbeiten an kultiviertem Fleisch. Welche Rolle spielt Lite and Fog hier konkret?

Peter: In Tabakpflanzen bauen sie die Stoffe für das Laborfleisch an. Dafür brauchen sie ein bestimmtes Protein namens FGF2, das mit etwa 3 g pro kg modifiziertem Tabak nur in sehr geringen Mengen vorkommt – in der Theorie heute allerdings irre 80 Millionen Euro pro g wert ist. Der Preis muss natürlich deutlich runter. Denn wir planen mit Bright Biotech eine Lieferung von 20 t täglich. Hier wird deutlich, dass es ohne Landwirte nicht gehen kann.

Mit unseren Modulen können sie die genetisch modifizierten Tabakpflanzen mit dem gewünschten Protein in hohen Mengen anbauen. Die Tabakpflanze ist dabei der optimale Träger, da sie sehr viel Saatgut produziert.

Sie haben das Unternehmen zusammen mit Ihrem Vater gegründet. Wie kam es dazu?

Peter: Ja, das ist eine eher ungewöhnliche Konstellation. Die Gründung zusammen mit meinem Vater ergab sich aus unseren komplementären Fähigkeiten. Ich habe Physik, Kunst und Philosophie studiert. Das kombiniert mit meinem Interesse am urbanen Gartenbau ergänzte sich gut mit seiner Erfahrung als Controller in der Industrie. Mein Vater hat sich immer nach einer Start-up-Idee umgeschaut. Im Dezember 2019 gründeten wir dann Lite and Fog. Dass wir uns so gut kennen ist ein großer Vorteil. Wir sind ein robustes Team, weil wir offen miteinander reden können.

Heute haben wir sieben feste Mitarbeiter. Dieses Jahr wollen wir gern noch mindestens 5 weitere anstellen. Im weiteren Umfeld arbeiten aber etwa 20 Personen an diesem Projekt.

Vielen Dank für das Gespräch!

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