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Özdemirs Kehrtwende in der Pflanzenschutzpolitik

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir legt in der Pflanzenschutzpolitik eine Kehrtwende hin. In Brüssel kämpft er nun für eine regelmäßige Erfassung der Anwendungsdaten von Pflanzenschutzmitteln.

Lesezeit: 5 Minuten

Kommt in Zukunft ein Melderegister für Pflanzenschutzanwendungen in der Landwirtschaft? Schon kurz nach dem Start des neuen Landwirtschaftsministers Cem Özdemir (Grüne) rückt dies näher an die Landwirtschaft heran. Özdemir ist bereits vor Weihnachten aus der bisherigen Linie des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) ausgeschert.

Gemeinsam mit Österreich hat Deutschland zwei Tage nach Özdemirs Amtsantritt gegen eine eher moderate Position des EU-Agrarministerrates zur Agrarstatistik gestimmt, die eine fünfjährige Übermittlung von Pflanzenschutz Anwendungsdaten der Mitgliedstaaten an die EU vorsieht. „Wir fordern hier einen kürzeren Zeitraum und haben im Rat die Erteilung des Verhandlungsmandats abgelehnt. Wir haben uns ebenfalls vorbehalten, im Laufe der kommenden Verhandlungen weitere Punkte aufzugreifen“, bestätigte eine Sprecherin des BMEL gegenüber top agrar.

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Pflanzenschutz-Anwendungsdaten sollen regelmäßig gemeldet werden

Konkreter fasste es das BMEL in einem Tweet gleich am Tag nach der Vereidigung von Özdemir: „Zielerreichung der Farm-to-Fork-Strategie muss systematisch überprüf- und messbar sein. Die Übermittlung der Daten zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln nur alle 5 Jahre ist für Bundesminister Cem Özdemir nicht akzeptabel. Deutschland wird deshalb gegen den vorliegenden Entwurf stimmen“, schrieb das BMEL dort von seinem offiziellen Account.

Frankreich will Entscheidung bis Mitte 2022 erreichen

Gemeint ist die aktuelle Reform der EU-Agrarstatistik Verordnungen. Dort starten jetzt im Januar die Trilog-Verhandlungen aus den drei EU-Institutionen Rat, Parlament und Kommission. Die aktuelle französische Ratspräsidentschaft strebt laut dem BMEL eine Verabschiedung der Statistikverordnungen im ersten Halbjahr 2022 an. Zum Jahresende hatten die EU-Mitgliedstaaten dafür ihre Positionen abgeklopft.

Özdemir kann sich mit seiner Position auf den Koalitionsvertrag beziehen. Dort hat die Ampel-Regierung festgelegt, den Pflanzenschutzeinsatz „auf das notwendige Maß“ zu beschränken, einen konkreten Reduktionswert aber vermieden. Umweltministerin Steffi Lemke hatte hingegen bereits in ihren ersten Interviews nach Amtsübernahme gesagt: "Wir können den Pestizideinsatz durch finanzielle Anreize, aber auch durch Ordnungsrecht verringern". Sie sei davon überzeugt, dass die meisten Landwirte weniger Pflanzenschutzmittel verwenden wollten.

Hebel ist das Green-Deal-Ziel 50 % Pflanzenschutzreduktion

Hebel für die Regierung ist der EU-Green-Deal, der in der Farm-to-Fork-Strategie eine Reduktion des Pflanzenschutzeinsatzes um 50 % bis 2030 vorgibt. Özdemirs Vorgängerin Julia Klöckner (CDU) hatte die Pflanzenschutzreduktion im Green-Deal immer unter den Vorbehalt einer Folgenabschätzung gestellt. Zudem hatte sie regelmäßig vorgebracht, die prozentuale Verringerung um 50 % berge immer das Problem, dass nicht klar sei, von welchem Referenzwert sie gemessen werden solle.

Umweltverbände fordern die regelmäßige Erhebung und Veröffentlichung der Daten zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln vehement. Das Umweltinstitut München hatte mit Unterstützung vieler anderer Umweltorganisationen Özdemir direkt nach Amtsantritt Anfang Dezember in einem offenen Brief dazu aufgefordert. „Ohne die Erfassung der tatsächlichen Pestizideinsätze in der Landwirtschaft durch relevante, verlässliche und öffentlich zugängliche Daten, ist eine Reduktionsstrategie kaum sinnvoll umzusetzen, da kein Referenzwert vorliegt“, heißt es darin.

Vorboten in Baden-Württemberg und NRW schon spürbar

Der Griff nach den Pflanzenschutzdaten der Landwirte ist nicht neu. In Baden-Württemberg hatten Gerichte 2021 die Weitergabe von Pflanzenschutzanwendungsdaten von Landwirten an die Behörden nach Klagen des Naturschutzbundes (Nabu) und des Zweckverbands Landeswasserversorgung angewiesen. Die Behörden mussten daraufhin in 60 Naturschutz- und drei Wassereinzugsgebieten die Pflanzenschutzdaten bei den Landwirten abfragen. Zwar sollen die Daten anonymisiert werden, dennoch war der Aufschrei in der Landwirtschaft dagegen groß. Ähnliche Klageverfahren laufen auch in anderen Bundesländern, etwa in Brandenburg.

Auch zu Forschungszwecken sollen die Daten genutzt werden können. Ein Beispiel dafür ist Nordrhein-Westfalen, wo die Landwirtschaftskammer Ende 2021 auf Verlangen des Nabu die Aufzeichnungen über die Pflanzenschutzanwendung aus sieben Regionen bei Landwirten abfragen und weiterleiten musste. Das Helmholz-Zentrum für Umweltforschung hatte dort 2018 und 2019 mit dem Umweltbundesamt Kleingewässer auf Vorkommen und ökologische Folgen von Pflanzenschutzmitteln untersucht. Diese aber nicht mit den reellen Ausbringungsmengen und Daten abgleichen können.

Wissenschaft wartet auf die Daten wegen des Insektenschutzes

Gedeckt sind schon die bisherigen Anfragen des Pflanzenschutzeinsatzes durch eine EU-Verordnung, die die Behörden verpflichtet, auf Anfrage die betrieblichen Aufzeichnungen von Landwirten als Umweltinformation weiterzugeben. Auch in der Wissenschaft zum Insektenschutz klagen Forschende, dass der Einfluss des reellen Pflanzenschutzmitteleinsatzes wegen der fehlenden öffentlichen Daten seitens der Landwirtschaft kaum erforscht werden könne.

Bisher sehen weder der Vorschlag der EU-Kommission noch das Verhandlungsmandat der EU-Mitgliedstaaten zur Agrarstatistik zusätzliche Aufzeichnungspflichten der Landwirte zu ihrem Pflanzenschutzmitteleinsatz vor. Das bestätigt auch das Bundeslandwirtschaftsministerium gegenüber top agrar. Auch die Umweltverbände beteuern, dass sie keine zusätzlichen Daten haben wollen. Landwirte sollen vielmehr ihre Aufzeichnungen aus den Ackerschlagdateien weitergeben, sagen diese. Zusätzlichen Aufwand wird das vor allem bei den Landwirtschaftsbehörden verursachen, die die Daten erheben, anonymisieren, bündeln und weitergeben müssten.

Pflanzenschutz-Absatz 2020 nahezu konstant

In Deutschland werden bisher jährlich nur die Mengen des Abverkaufs von Pflanzenschutzmitteln und Wirkstoffen vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel (BVL) veröffentlicht. Sie gehen auf die Meldung von Herstellern und Vertreibern von Pflanzenschutzmitteln zurück, die das Pflanzenschutzgesetz dazu verpflichtet. Der Inlandsabsatz von Pflanzenschutzwirkstoffen war insbesondere in den trockenen Jahren 2018 und 2019 im Vergleich zu den Vorjahren gesunken. Laut dem jüngsten BVL-Bericht von Dezember pendelte sich der Absatz von Pflanzenschutz-Wirkstoffen (ohne inerte Gase) in Deutschland 2020 nur leicht erhöht auf 27.813 t ein.

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